Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[747]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
15. Februar [1536]

Autograph: Zürich StA, E II 351, 167 (Siegelspur) Ungedruckt

Hat einen Bericht von [Nikolaus Guldi] über den kaiserlichen Tunis-Feldzug für [Bürgermeister] Röist, Bullinger u. a. kopiert. Peter [Weber?] wurde von Hauptmann [Auf der Maur]über allfällige Truppenaushebungen in Zürich ausgefragt. Das Schloß des Grafen [Ludwig XV.] von Ottingen soll abgebrannt sein. In Ulm sind Basler Gesandte, die wohl eine Tagung besuchten, gesehen worden. Es heißt, Hans Thomas von Rosenberg habe Augsburg, Nürnberg und anderen die Fehde angesagt. Kaiser [Karl V.]soll, mit dem Herzog von Bayern, dem Bischof von Brixen und dem Abt von Weingarten im Gefolge, in Rom eingetroffen sein, um sich vorn Papst krönen zu lassen; man sagt, er rufe ein eigenes Konzil zusammen. Bullinger soll schreiben. Hat Leo [Jud] Zähne geschickt, die vielleicht einer zahnlosen Frau etwas nützen. Lässt Messer schicken. Grüße

Min dienst etc. Yn yl.

Vadiano ist von ainem burger 2 von Sant Gallen, by der gschicht 3 Thunis gsin 4 , zugsant worden, uffgeschriben die summa. Hab ich begert, mich lassen abzuschriben, üch sampt minem hern Rösten 5 , och andern, zuzeschicken, zu lesen. Hat mir bewilgt. Hab es gestert von der 9. stund morgen vor mitag bis zur 4. stund nach mitag abgschriben; darinn merckend dester bas etc. 6

Witer, in still üch gezaigt 7 , sagt mir Peter 8 etc., er hab nächstmals 9 ain brieff gen Zürich von dess aptz hoptman 10 dem im Ainsidler hoff 11 bracht; der hab im ain andern uffgeben. Alls Peter in dem hoptman geben, hab er in gfragt, was nüws, ob m[ine]g[nedig] h[erren] och usgschossen 12 . Redt Peter: "Ich hör nain." Sagt der hoptman: "Der schript mir och alsso. Ecce homo habet virtutem, vere."Ich acht zum tail schuldig, sölchs in ghaim zu zaigen.

1 Vogler setzte irrtümlich: 35 (Z. 37). Das Jahr 1536 ist jedoch durch die im Brief angesprochenen Ereignisse (z. B. den Bericht Guldis über den Tunis-Feldzug und den Rombesuch des Kaisers) gesichert.
2 Nikolaus Guldi (vgl. Anm. 6).
3 (Kriegs-(Tat (s. SI VIII 151f).
4 Zum Tunis-Feldzug von Kaiser Karl V. vgl. Brandi I 313-316.
5 Bürgermeister Diethelm Röist.
6 Voglers Abschrift des Berichtes von Nikolaus Guldi über den kaiserlichen Afrika-Feldzug liegt in Zürich StA, E II 350, 323r.-333v. Sie gibt die Vorlage (ediert in Vadian BW V 277-297) mit einigen geringfügigen Kürzungen, ohne den Anfang (S. 2771) und ohne die abschliessenden
Mitteilungen (S. 296), wörtlich wieder.
7 angezeigt, verraten (Grimm XV 505).
8 vermutlich Peter Weber.
9 neulich (SI IV 147).
10 Anton Auf der Maur von Schwyz (vgl. unten Nr. 832, Anm. 17).
11 Itelhans Grimm, 1527-1552 Amtmann des Klosters Einsiedeln in Zürich (vgl. Heinrich Peter, Die beiden Einsiedlerhöfe in Zürich, in: Corolla Heremitana. Neue Beiträge zur Kunst und Geschichte Einsiedelns und der Innerschweiz [FS Linus Birchler], hg. v. Alfred A. Schmid, Olten 1964, S. 234).
12 Mannschaften ausgehoben (SI VIII 1400f).


Briefe_Vol_06_129arpa

Witer die sag, dem graffen von Othigen 13 syge kurtzer tagen sin schloss mitt infüren 14 verbronnen 15 . Achten 20000 g[uldin] wert.

Item Basler botten sind uff liechtmess tag 16 von ainem burger 17 von S[ant] G[allen]zu Ulm gesechen mit etlichen hern an die predig gon. Maint etwar 18 , sy habend den tag zu Ulm gwisset 19 , der in den dry tagen angangen sol sin von viler dingen wegen 20 .

Die sag och von Hans Tomans wegen von Rosenberg, der sol gwiss Ogspurg und Nürmberg abgsagt haben 21 , villicht 22 allen bischoffen und sondrem adel, sy a zu schädigen; lugen, ob sis abweg thon. Darum er sich rechen, sol im vordrigen punt 23 vergangen sin. Maint, sy haben in ghindert 24 . Da aber die aber 25 vermainen, was im alten punt verloffen, söllen sy inen helffen commedre b .

Item entlich sag, kay[serlich] m[aieste]t syg den 10. tag dis monatz gen Rom komen, sich vom bapst bekrönen lassen 26 . Dann die sag, im werd ufghept 27 , er syg nun 28 ain krönter colonesyscher 29 kayser und nit ain römischer. Es rit fil folck inhe; die sag, der hertzog von Payern 30 , der bischoff von

a vor sy gestrichenes lug.
b irrtümlich für commedere(?).
13 Graf Ludwig XV. von Ottingen.
14 Einheizen (SI I 949).
15 Das Schloss Ottingen brannte am 9. Januar 1536 ab; es wurde im selben Jahr wieder aufgebaut. Vgl. Die Kunstdenkmäler von Schwaben, Bd. I: Bezirksamt Nördlingen, bearb. v. Karl Gröber und Adam Horn, München 1938. (Freundlicher Hinweis von Herrn Dr. Wilfried Sponsel, Harburg).
16 2. Februar. — Es handelte sich wohl um Basler Gesandte, die sich auf dem Weg nach Innsbruck befanden; vgl. oben Nr. 730, Anm. 34.
17 Unbekannt.
18 jemand, irgendwer (SI I 594f).
19 davon Kenntnis gehabt (Grimm XIV/II 749).
20 Am 13. Februar fand in Ulm eine Tagung von Mitgliedern des ehemaligen Schwäbischen Bundes statt. Eine knappe Nachricht darüber sandte Konstanz am 23. Februar nach Zürich (vgl. Zürich StA, A 205. 1, Nr. 156).
21 die Fehde angesagt haben (SI VII 400). — Hans Thomas von Rosenberg (vgl. HBBW V, S. 470, Anm. 9) hatte am 9. Oktober 1535 den Prälaten, Grafen, Rittern und Städten des ehemaligen Schwäbischen Bundes offiziell die Fehde angesagt;
vgl. dazu Josef Frey, Die Fehde der Herren von Rosenberg auf Boxberg mit dem Schwäbischen Bund, insbesondere mit Ulm (1523-1555), in: Ulmer Historische Blätter 1, Nr. 11, 1925, S. 3.
22 wahrscheinlich (SI III 1049).
23 Gemeint ist der Schwäbische Bund, dessen Vertragsdauer im Februar 1534 geendet hatte.
24 nicht zu seinem Recht kommen lassen (vgl. SI II 1419).
25 wiederum.
26 Kaiser Karl V. weilte vom 5. bis zum 18. April auf Einladung des Papstes in Rom (vgl. Brandi I 3 18-325. II 258-261).
27 spöttisch vorgehalten (SI II 896).
28 nur.
29 Der Erzbischof von Köln hatte 1519 in Aachen die Krönungszeremonie geleitet; vgl. Deutsche Reichstagsakten unter Karl V., 2. Bd., bearb. v. Adolf Wrede, 2. Aufl., Göttingen 1962. — Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe, 2. Bd., S. 95-97.
30 Herzog Ludwig X. von Bayern war zwar in Italien, schloss sich aber erst nach Karls Rombesuch dem Hoflager an (vgl. Joachim Lauchs, Bayern und die deutschen Protestanten 1534-1546. Deutsche Fürstenpolitik zwischen Konfession und Libertät, Neustadt a. d. Aisch 1978. — Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 56, S. 96. 98; Brandi II 261).


Briefe_Vol_06_130arpa

Brixxen 31 und der apt von Wingarten (ist nit gfangen), der sol zu Wien gsin 32 , da dannen gen Rom. Etlich mainen, er schryg fast ain conciliabulum 33 .

Sind ir nitt min tötlicher find, so schribend mir nun ain wort.

Ich hab Maister Löwen 34 zen 35 zugschickt. Hat mir ainer krommet 36 under üch. Hett etwan air. ain wib one zen, der bruchs.

Item mine fladerine 37 messer haind ir wol ghalten 38 . Min frow 39 sagt, sy fröwid sy nit also. Schickend mir sy zu und grüssend uns beden uwer kintpetern 40 , die muter 41 und volck, maister Kaspar 42 , den trüwen, und andere.

Actum Sant Gallen, uff den 15. tag hornung anno 35. c jar.

[U[wer]williger Hans

Vogler.

[Adresse auf der Rückseite:] An min fürgliepten Maister Hainrichen Bulligernn zu händen.

c irrtümlich 35 für 36; vgl. Anm. 1.
31 Georg von Österreich, 1525-1539 Bischof von Brixen (Tirol), war mit dem Kaiser in Rom (vgl. Adam Wandruszka, in: NDB VI 210).
32 Gerwig Blarer, Abt des Klosters Weingarten, war mit dem Kaiser in Rom (vgl. Gerwig Blarer BA I 277, Anm. 1; die dort angegebene Reiseroute nennt Wien nicht). Zum Gerücht über die Gefangennahme Blarers durch Hans Thomas von Rosenberg vgl. HBBW V, S. 470, Anm. 10.
33 er (der Kaiser) rufe ein Konzilchen zusammen.
34 Leo Jud.
35 Zähne. — Dabei ist, gemäss freundlichem Hinweis von Herrn Dr. Roger Seiler, Zürich, an eine einfache Totalprothese zu denken; solche waren bereits im frühen 16. Jahrhundert im Gebrauch.
36 geschenkt (SI III 812f).
37 aus Fladerholz (Holz mit Maserung)(SI I 1170).
38 zurückbehalten (SI II 1235).
39 Appolonia, geb. Baumgartner.
40 Bullingers Frau Anna hatte kurz zuvor, am 31. Januar, Hans Rudolf zur Welt gebracht (vgl. HBD 24, 23-25).
41 Bullingers Mutter Anna, geb. Wiederkehr.
42 Kaspar Nasal.