[859]
Ambrosius Blarer an
Bullinger
Tübingen,
7. Juli 1536
Autograph: Zürich StA, E II 357, 12 (Siegelspur) Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW I 807f
Bittet Bullinger, Michael Back, den Überbringer des Briefes, gut aufzunehmen; denn dieser ist in Tübingen durch ein fragwürdiges Urteil mit Haft, Auspeitschung und Landesverweis bestraft worden, während seine Frau Margareta wegen Bigamie ertränkt wurde.
Gratia Christi tecum.
Habes hic, Bullingere frater, Michaelem Back 1 , hic in carcerem ac vincula coniectum, iam virgis cesum et proscriptum ob caussam, quae apud bonos ac evangelii Christi intelligentes nunquam possit tam mala videri. Uxor huius,
d omnes über der Zeile nachgetragen.
e te über der Zeile nachgetragen.
f Unter der Adresse von Bullingers Hand:
Melchior Volmarius.
7 Adagia, 5, 1, 51 (LB II 1191).
8 Über die Erinnerungsgaben an Vadian
bzw. Bullinger ist weiter nichts bekannt.
1 Michael Back, aus Cannstatt (Stuttgart),
gest. nach 1548, 1509-1511 auf der Universität
Tübingen, war vorerst Helfer in
Cannstatt, ab 1519 an verschiedenen anderen
Orten. In der Eidgenossenschaft
tätig, nahm er um 1525 die vor ihrem
Ehemann geflüchtete Margareta Trinkler
bei sich auf; er heiratete sie in Hüttwilen
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Margareta 2 , aquis praefocata, quod duobus nupserit maritis, sic suum illum diem obiit, ut ad Christum migrasse nemo dubitet. Superstitem maritum tibi tuisque omnibus, nam plane dignus est, quam possum officiose tibi commendo. Sic suas oves pavit, tanta fide ac diligentia creditam sibi ecclesiam administravit, ut summo omnium dolore interdictum sibi sit hac ditione. Nihil lubet nec tutum est scribere de ipsa caussa, qua apud plaerosque minime cecidisset. Sed tu vale et Christi ministrum hunc ut mea viscera suscipe.
Vale.
Tubinge, 7. iulii anno 1536.
Tuus Ambrosius Blaurerus.
[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro Heinricho Bullingero suo.
(Kt. Thurgau), nachdem ihre Ehe in Zürich
geschieden worden war. 1530 tat er
für einige Wochen Dienst in der Pfarrei
Elgg (Kt. Zürich). Bald darauf muss Back
das Pfarramt in Veltheim (Winterthur)
übernommen haben, denn diese Gemeinde
verließ er 1535, von Ambrosius Blarer
nach Dußlingen (Kr. Tübingen, Baden-Württemberg)
berufen (vgl. Zürich StA,
B IV 6, 51. 56). Kurz danach kam gegen
die Eheleute ein Gerichtsverfahren wegen
Entführung bzw. Doppelehe in Gang, das
im Sommer 1536 mit den im vorliegenden
Brief beschriebenen Strafen endete.
Back scheint in der Zürcher Kirche keine
Anstellung erhalten zu haben; möglicherweise
ist er mit jenem von Johannes
Zwick erwähnten Michael identisch, der
in Österreich tätig war (vgl. Zwicks Brief
an Bullinger, 27. Jan. 1539, Zürich StA,
E II 364, 55). Von 1540 bis 1548 war
Back Pfarrer in Konstanz. Aus Konstanz
vertrieben, starb er in Trogen (Kt.
Appenzell-Außerrhoden). — Lit.: Gustav
Bossert, D. Johann Mantels Lebensende
und der Eheprozeß des Michael Back und
seiner Gattin, in: ARG XII, 1915,
161-204; Rublack, Konstanz 148; Werner
Kuhn, Die Studenten der Universität Tübingen
zwischen 1477 und 1534. Ihr Studium
und ihre spätere Lebensstellung
(Teil I), Göppingen 1971. — Göppinger
akademische Beitrage 37/38, S. 101, Nr.
92; Anna Feyler, Die Beziehungen des
Hauses Württemberg zur schweizerischen
Eidgenossenschaft in der ersten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts, Diss. Zürich
1905, S. 369f.
2 Margareta Trinkler, aus Urach, gest.
1536, war seit der Jahrhundertwende mit
dem Stadtschreiber Cannstatts, Matthäus
Encker, verheiratet. Untreue und Grobianismus
des Ehemannes führten zu Streitereien
und schließlich, 1516, zu Margareta
Trinklers Flucht. Nach neun Jahren
im Dienste adliger und bürgerlicher Familien
wurde sie auf eidgenössischem
Gebiet von Michael Back, den sie von
Cannstatt her kannte, aufgenommen und
— nachdem sie 1530 durch das Zürcher
Ehegericht von Encker geschieden worden
war -geheiratet. Als die beiden 1535
ins Herzogtum Württemberg zurückkehrten,
wurde ihnen in Tübingen der Prozess
gemacht, der mit einer Körperstrafe und
mit Landesverweis gegen Back wegen
Entführung, gegen dessen Frau aber, da
das Zürcher Scheidungsurteil nicht anerkannt
wurde, wegen Bigamie mit der
Todesstrafe endete. — Lit.: Bossert, aaO,
S. 161-204.