Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1209]

Bullinger an
Johannes Fries und dessen Ehefrau [Elisabeth, geb. Schittli ]
Zürich,
[um 27. Dezember 1538]

Autograph: Zürich ZB, Ms T 406, 17 (ohne Siegel) Ungedruckt

Leitsätze über die Ehe, ausgehend von ihrer Einsetzung bzw. der Erschaffung des ersten Menschenpaares [Gen 2], als Erläuterung zu einem [Hochzeits-]Geschenk.

26 Zwar wurden verschiedene Täufer gefaßt, die auf ein neues Königreich hingearbeitet hatten, so insbesondere Jan van Batenburg, der im Februar 1538 hingerichtet wurde. Zur Wahl eines Königs scheint es aber nicht gekommen zu sein. Vgl. Karl-Heinz Kirchhoff, Die Täufer im Münsterland. Verbreitung und Verfolgung des Täufertums im Stift Münster 1533-1550, in: Westfälische Zeitschrift 113, 1963, S. 47. 58-60. 68f.
27 Siehe oben Nr. 1205, 2-4.
1 Elisabeth Schittli (Schitlin, Scheitlin), von St. Gallen, gest. 1586, heiratete am 27. Dezember 1538 Johannes Fries; s. Zürich ZB, Ms E 17, 293v., und E 54, 576.
2 Das Datum ergibt sich daraus, daß es sich um Bemerkungen zur Hochzeitsgabe handelt (vgl. unten Z. 1). Bullinger schreibt "1539" (Z. 38), weil er das neue Jahr mit Weihnachten beginnen läßt.


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Explicatio muneris a 3 .

Alle ständ sind usset 4 dem paradys, nach dem faal und in der harttseligheyt 5 uffgesetzt; alein die heilig ee ist vor dem faal in allem wolstand des menschen yngesetzt, nitt durch die engel oder sust heilige diener gottes, sunder durch gott selbs.

Der herr sprach: "Es ist nitt gut, das der mensch alein sye, ich muß imm ein ghilffen machen, der by imm sye" [Gen 2, 18]. Dorumb die ee dem menschen von gott zu trost und hilff und nitt, sin fröüd und ruw ze betrüben, geordnet ist.

Zwey und nitt mee in der ee söllend ein lib sin 6 und unzertrennlich einandren anhangen und lieb haben. Dann der herr den man von der erden 7 und das wyb uß dem ripp siner syten 8 , nitt als er wachet, sunder do er schlieff 9 , gestaltet hat.

Des wybs uffsähen 10 , trost, krafft und stercke sol der mann sin. Dann sy dorumb uß des manns gepein gemachet ist. Hinder dem man und one sin wüssen sol sy träfflicher sachen 11 nützid fürnemmen. Sy ist das blöder gschirr 12 , von der syten des mans und nitt vomm houpt genommen.

Der mann ist das houpt, das wie imm houpt alle vernunfft und fürsorg ist für den gantzen lib, also sol der man mitt vernunfft by dem wyb whonen und sy mitt wyßheyt in früntligheit levien. Das wyb ist von der syten und von dem hertzen genommen und nitt an füssen uffgeläsen.

Das wyb ist nitt uß dem kadt der erden 13 gemacht, sunder uß des mans syten und gepein, das sy zu iro ursprung tringen 14 und den lieben sol. Herwiderumb sol der man ouch das wyb alls sin eigen fleisch und das sin lieben und dem sinen trüwlich nachleben.

Hie aber sol nitt angesähen werden die schöne 15 und gstallt, wie joch 16 die sye, sunder das sol in der ee betrachtet werden, das ye eins des b anderen fleisch und gepein ist und das sy beide ein lib sind. Dann hierumb ward das wyb vom schlaffend und nitt wachenden man gebuwen.

Hierumb söllend sy wol bedencken das wort des herren: "Dorumb sol der mensch vatter und muter verlassen und sinem gmahel anhangen" [Gen 2,

a Titel auf der Außenseite des gefalteten Blattes. Vermerk von späterer Hand: No. 2.
b in der Vorlage das.
3 Über die Art der Hochzeitsgabe ist nichts bekannt; zu denken ist vielleicht an eine bildliche Darstellung der Erschaffung von Adam und Eva.
4 außerhalb.
5 Mühsal.
6 Vgl. Gen 2, 24.
7 Vgl. Gen 2, 7.
8 Vgl. Gen 2, 21.
9 Vgl. ebd.
10 etwa im Sinne von: Beistand (vgl. SI VII 549-551).
11 in gewichtigen Dingen.
12 schwächere Gefäß (vgl. SI VIII 1158f).
13 Erde vom Erdboden.
14 drängen.
15 Schönheit.
16 auch.


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24], und das s[anct] Paulus den eelüten die höchsten liebe fürbildet 17 , die liebe Christi und der kylchen, da sich yedes für das ander in todt gipt 18 .

Dorumb kan fürohin niemands frömbd und nüw beduncken, das Paulus so vertröst 19 sagt: "Die ee ist eerlich by jederman, und die eelichen werck sind nitt sünd. Die hurer aber und eebrecher wirt gott plagen" [Hebr 13, 4].

H. B.

1539.

[Adresse darunter:] M. Johansen Fryesen unnd sinem gemahel.

17 vor Augen stellt.
18 Vgl. Eph 5, 25.
19 seiner Sache sicher.