Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1656]

Die Pfarrer und Lehrer von Zürich an
Bürgermeister Adelberg Meyer und
den Rat von Basel
Zürich,
26. August 1542

Autograph Bullingers: Basel StA, Kirchenakten A 4, 129r.-130r. (Siegelspur) Ungedruckt

Im vergangenen Sommer hat Theodor Bibliander das türkische Gesetz, genannt Koran, samt einer beigefügten türkischen Geschichte Oporin zum Druck übergeben - nicht weil es die Zürcher Drucker nicht angenommen hätten, sondern weil Oporin ihm bei der Beschaffung von Textvorlagen half -, doch nun ist zu hören, in Basel wollten einige den Druck eines so unchristlichen Buches nicht zulassen. In Basel wie auch anderenorts wurden aber - zum Nutzen der Kirche - schon viele Bücher gedruckt, in denen Ketzereien beschrieben und widerlegt werden, wie dies etwa in den Schriften von Irenäus, Tertullian und Augustin der Fall ist; auch Bücher mit heidnischen, jüdischen und anderen Irrlehren werden geduldet, da sie Christen zur Warnung dienen. Die Lehre Mohammeds und die türkische Geschichte gehören wesentlich zur Kirchengeschichte; Christen lernen daraus viel über die Verführung zum Abfall und über das Antichristentum und werden im Widerstand gegen den Türken bestärkt. Bereits früher haben Christen den Koran verbreitet, um dem Irrtum zu wehren, und auch mit dieser Ausgabe wird nichts anderes bezweckt. Da Basel kein Schaden daraus erwachsen kann, bitten die Zürcher Theologen darum, das Werk nicht zu verhindern, sondern es vielmehr zu fördern.

Gnad und frid von gott dem vatter durch unsern herren Jesum Christum.

Frommen, eerenvesten, ersammen, fürsichtigen und wysen herr burgermeister und gnedig, lieb herren, unser willig dienst sye alle zyt a üwer wyßheyt bevor an 1 bereidt, die wir ouch trungenlich 2 bittennd, sy wölle disen unsern fürtrag gütlich verhören und in gutem von uns uffnemmen.

Diß vergangnen sumers hatt unser fürgeliepter herr und bruder Theodorus Bibliander, der heiligen gschrifft in der kylchen Zürych getruwer läser 3 , mitt grosser müy und arbeit, ouch nitt one unser wüssen, das dürggische gsatzt 4 , genempt "der Alcoran", uß den besten exemplaren, 5 mitt zugethaner, gantz nutzlicher und flyssiger dürggischer histori, 6 in den truck verfertigt und herren Oporino zugestellt; nitt das sömlich 7 buch unsere trucker nitt ze trucken angenommen häftend, sunder das genanter herr Oporinus ettliche exemplaria gäben 8 und h[erren] Bibliandro beholffen gewäsen was. So aber

a alle zyt am Rande nachgetragen.
1 im Voraus.
2 dringlich.
3 Lektor, Lehrer.
4 Gesetz.
5 Zu den von Bibliander benützten lateinischen und arabischen Handschriften s. Bobzin, Koran 221-262.
6 Der dritte Teilband der Koranausgabe ist überwiegend der Geschichte gewidmet und enthält mehrere zeitgenössische "Türkenbüchlein"; zu den Einzelheiten s. Bobzin, Koran 219-221.
7 ein solches.
8 Zu den durch Oporin vermittelten Textzeugen s. Bobzin, Koran 176. 223. 237.


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sömlich buch getruckt, hörend wir, 9 das sich ettwas spanns 10 und zwyfels by üch zutragen, derhalben ettliche vermeinen wöllen, das gemelt 11 buch christlichem glouben und der heiligen kylchen gantz nachteylig sye, dorumb es nitt zugestatten sye, das es von der verrümpten 12 eerenstatt Basel getruckt uußgange etc.

Und wiewol wir gruntlich wüssend, das u[wer] w[yßheyt] sömlicher dingen berichts 13 nitt manglet, habend wir doch uß gar gutem hertzen u. w. desse fürnemlich erinnernn wöllen, so gemelt buch in u. w. eerenstatt getruckt ußgieng, das dardurch christlichem glouben und christlicher kylchen nüt nachteyligs, ouch von u. w. nüt nüws noch ungebruchts 14 fürgenommen, sunder vil me ein nutzlich, gut werck gefürdert wurde. Dann u. w. ye wol ze wüssen ist, das in u. w. statt Basel bücher getruckt worden sind, nitt minder unreinigkeit und kätzery ynhaltend, dann imm Alcoran begriffen b . Dann Irenaeus, der heilig marter und bischoff, der fürträffenlich Tertullianus, der heilig leerer der kylchen Augustinus bücher gemachet und gar ||129v. eigentlich 15 darynn grusamme 16 und gottlose kätzeryen von artickel zu artickel uußtruckt habend. So sind truckt - nitt nun 17 in u. w. statt, sunder allenthalben durch die christenheit -der heyden glouben und valsche meynungen in büchern der philosophenn und poetenn, ouch der jüdisch gloub, und schantliche lesterungen; man truckt und liset bücher von allerley aberglouben geschriben, das alles nitt minder irrig und böß ist dann ouch Machomets gloubenn. Diewyl aber sömliche bücher alle dorumb getuldet werdent, damitt christen lüt vor dem yrthumb gewarnet und verstandint, was christlich oder unchristlich sye, worumb sölte dann nitt ouch uff glyche meynung der Alcoran c geduldet werden? Dann ye so habend sich 18 die heiligen leerer und bischoff nitt nun geflissen, warhaffte leer fürzetragen, sunder ouch die gröbisten irrthumen zu melden, ouch dütlich uußzetrucken, und demnach ouch umbzekeren 19 ; welchs alles in und mitt gemeltem Alcoran jetzund ouch gebrucht.

Zu dem ist die machometisch leer und die dürggisch historia nitt ein kleiner teyl der history der kylchen, nutz und nodtwendig ze wüssen, wie die uralten kylchen abgefallen, wordurch sy verfürt, daby man dann ouch leernet, wie man sich vor sölichem verfüren hüten mög und wie sich ein jetlicher redlicher christ imm ynfaal 20 der Dürggen imm christlichen glouben stercken sölle. So lernt man ouch hieruß ein guten teyl des antichristenthumbs erckennen. Darzu sähend fromme christen, under was unchristlichen,

b In der Vorlage korrigiert aus bergriffen.
c In der Vorlage korrigiert aus Alckoran.
9 Vgl. oben Nr. 1655.
10 Streit.
11 das erwähnte.
12 berühmten.
13 Kenntnis.
14 Unübliches.
15 ganz explizit.
16 schreckliche.
17 nur.
18 Es haben sich doch.
19 auszuräumen, zu widerlegen.
20 bei einem Einmarsch.


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verlognen, schantlichen glouben die müssend, die sich an Dürggen 21 ergäbend. Daby werdent christen lüt erhitziget 22 , ernstlicher wider den Dürggen ze bitten und sich imm dappfferer ze widersetzen.

Diewyl dann ouch gemelt buch nitt zum ersten in u. w. statt uffkommen, sunder vor vilen jaren und ouch in kurtzem von eeren, hei-||130r. ligen und christenlichen lüten, die es d in die kylch und menge uußgesprei 23 habend, 24 doch alein zu abbruch der yrrthumb, und wir aber gruntlich wüssend, das es ouch jetzund gheiner anderer mey[nun]g e in den truck verfertiget ist, diewyl wir ouc[h]f nitt gedenken mögend, das u. w. einicher schad [he]ruß g entspringen könne, so langt an u. w. unser früntlich vermanung und trungenliche pitt, sy wölle sömlich fruchtbar werck nitt verhindern, sunder, alls wir iro alles guts vertruwent, vil mee fürderen. Köndent wir dann u. w. mitt unsern armen diensten, doch willigen hertzen und guten trüwen ettwas zu gefallen thun, wöltend wir nitt spaaren.

Hiemitt bittend wir u. w., sy wölle diß unsere geschrifft von uns früntlicher meynung uffnemmen, dann wir sölichs iro in gutem und allen trüwen zugeschriben habend. Gott wölle u. w. trüwlich in sinem willen und schirm erhallten.

Datum Zürych, 26. augusti anno 1542.

U. w. gantz willige diener

pfarrer, predicanten,

läser, diener der

kylchen Zürych.

[Adresse auf der Rückseite:] Den frommen, eerenvesten, fürsichtigen und wysen herren Adelbergen Meyern, burgermeisternn, und radt zu Basel, iren gnädigen, fürgeliepten herrenn. h

d die es am Rande nachgetragen.
e-g Text beim Offnen des Siegels beschädigt.
h Darunter Notiz von Kanzleihand: Betrifft den Alchorann.
21 d. h. dem türkischen Sultan.
22 bestärkt.
23 verbreitet.
24 Gedacht ist wohl einerseits an die Beschäftigung
mittelalterlicher Autoren und Übersetzer mit dem Koran (vgl. Bobzin, Koran 38-88), andererseits an zeitgenössische Drucke wie die im Frühjahr 1542 in einer Übersetzung Luthers erschienene Streitschrift des Dominikaners Ricoldus de Monte Crucis (gest. 1320) gegen den Koran (WA LIII 261-396; vgl. Bobzin, Koran 95-152).