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BULLINGER AN
JOHANNES BURCHARD
Kappel,
26. Januar 1526

Autographe Abschrift: Zürich ZB, Msc A 82, 91 r.-v. 1 fol. S., sehr gut erhalten Ungedruckt

Bullinger wünscht eine Kopie von Burchards Streitschrift, die dieser gegen sein Schreiben «De sacrifitio Missae aetiologia ... 1524» verfaßt hatte, um sie beantworten zu können.

Theologiae professiori [!] eximio loanni Burckardi, Bremgartentium 2 concionatori ad manus.

Gratiam et pacem a domino.

Scripsimus, reverende pater, superioribus annis epistolam quandam, cui titulum fecimus: «Aetiologia, cur missa non sit sacrifitium.» 3 Adversus eam cum tu apologiam 4 scripseris, proculdubio, ut fratrem errantem in viam veram reduceres, peto, ut mihi eius exemplaris facias copiam. Paratus enim sum meliora doctus cedere, aut, si videbitur, tuis respondere 5 . Erit autem pro re tua non modo, quod

1 Johannes Burchard (Burckard, Burkhard, Burkart, Burckardi), geb. in Gebweiler (Elsaß), trat in seiner Heimat in den Dominikanerorden ein, studierte 1503 wahrscheinlich in Heidelberg, seit 1505 in Freiburg i. Br., 1513 Dr. theol. (Freiburg, Matrikel I 167). Seit 1515 gehörte er dem Dominikanerkonvent in Straßburg an, mußte jedoch, von seinen Mitbrüdern verschiedener Delikte beschuldigt, 1516 oder Anfang 1517 die Stadt verlassen. 1521 war er Sekretär des päpstlichen Nuntius Aleander; auf dessen Wunsch predigte er 1520 in Mainz und 1521 in Worms bei der Verbrennung von Luthers Schriften. Im Herbst 1521 hielt er sich in Rom auf. 1524 war er Prediger in Basel, wurde aber am 26. April 1525 vom Rat wegen Schmähungen «stillgestellt» und verlor seine Stelle. Wahrscheinlich unmittelbar nach seiner Absetzung in Basel wurde er Stadtprediger in Bremgarten (s. unten Anm. 2), wo er bald gegen Bullinger auftrat. 1526 nahm er an der Badener Disputation teil. Seine Stellung in Bremgarten wurde allmählich unhaltbar. Im Sommer 1528 floh er, nachdem Zürich wegen Schmähung Zwinglis seine Verhaftung verlangt hatte. Auf dem Augsburger Reichstag 1530 wurde u. a. auch er mit der Widerlegung der Confessio Augustana beauftragt und vom Kaiser zum Prediger bestellt. Seine Hoffnungen auf die Übernahme der Stadtpfarrei Esslingen erfüllten sich 1531 nicht. Später hielt er sich in Freiburg i. Br. auf und verkehrte u. a. mit Erasmus; 1536 lebte er noch. — Lit.: Gundolf Gieraths, Art. Burchard, in: LThK II 784; Endre Zsindely, Aus der Arbeit an der Bullinger-Edition. Zum Abendmahlsstreit zwischen Heinrich Bullinger und Johannes Burchard, 1525/26, in: Zwa XIII 473-480.
2 Bremgarten (Kt. Aargau), Geburtsstadt Bullingers (s. HBLS II 347 ff). — Das Pfarramt Bremgarten war eine Elektivpfründe: die Gemeinde besaß das ius eligendi, Schultheiß und Rat das ius praesentandi. Mit der Zeit ging das Präsentationsrecht auch bei den übrigen 12 Pfründen, bis auf eine, an den Rat über. Die wichtigste unter diesen war die Pfründe der Prädikatur; im Range folgte der Prädikant unmittelbar dem Pfarrer. Bremgarten war auch Sitz eines Ruralkapitels, zu dem mehrere Pfarreien des Frei- und Kelleramtes gehörten. (Siehe Eugen Bürgisser, Geschichte der Stadt Bremgarten im Mittelalter. Beiträge zur Geschichte einer mittelalterlichen Stadt, Aarau 1937, S. 96 ff; Bucher 33f. 43.)
3 Es handelt sich um Bullingers Schreiben an Pfarrer Jakob [Frey?] vom 16. November 1524 (s. unten, Anhang II, Nr. 2).
4 Die Schrift ist nicht mehr vorhanden. Bullinger sagt in seinem undatierten Antwortschreiben «Uff D. Johansen Burckardi predigers ze Bremgartten gesprächbüchlin antwurt Heilrychen Bullingers die geschrifft und meß beträffende» (Zürich ZB, Msc A 82, 57r.), daß Burchard sie unter dem Pseudonym «Theobald Perdutianus» verfaßte, und nennt sie «Gesprächbüchlin». Diese Streitschrift ist wahrscheinlich im Sommer oder in der zweiten Hälfte des Jahres 1525 entstanden.
5 Anhand dieser einleitenden Sätze läßt sich der Ablauf des Streites rekonstruieren: Bullingers «Aetiologia» ist in Burchards Hände geraten, dieser verfaßte eine Streitschrift gegen Bullinger,


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Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
Briefe_Vol_01-091arpa

fratrem lucrefacis [!]ostendisque nullo te contendendi, calumniandi aut gloriandi morbo scripsisse aliis potius quam mihi, sed hoc potissimum nomine, quod minus tua periclitabitur eruditio. Quae proculdubio non parum videretur nutatura, etsi alias satis firma, si tantum incorrectum aliquod vitio librariorum exemplar ||91v. nactus cogerer corruptis inherere paginis. Obsecramus ergo per christianam charitatem, ut tibi et mihi consulere velis, correctum exemplar mittas et hoc tibi certo persuadeas, quod inde nec apiculus peribit. Nam ita integrum remittam, ut neque desit gratiarum actio. Quod si morem mihi in re honesta, optima, utili, nec minus tibi facili, gerere nolueris, quid possum ego, nisi semilaceris et male a tuo exemplare [!] a rescriptis (si modo adsequar quod promissum) herere aut etiam respondere chartis 6 ? Proinde fac, ut tuam decet professionem; neque enim credo, quod doctor hanc rem mihi deneges et theologie professor aliud quam theologum prestare pergas.

Valeat in domino paternitas tua.

Ex Cappel, 7. calend. februarii anno ab orbe redempto 1526.

Heimrychus Bullingerus tuus,

si modo meus esse pergas.

a exemplare aRvB nachgetragen.
der jetzt seinerseits darauf antworten möchte und Burchard um eine genaue Abschrift des Werkes ersucht. Bullinger kann also seine Gegenschrift nicht vor Februar 1526 geschrieben haben (anders Zimmermann 229 und Staedtke 270. 272ff; s. Zsindely, aaO, S. 477-479).
6 Es ist nicht bekannt, von wem Bullinger ein Exemplar des «Gesprächbüchlin» erhielt, kaum von Burchard selbst. Über das weitere Verhalten Burchards in diesem Streit schweigen die Quellen.