Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2073]

Pierre Viret an
Bullinger
Lausanne,
21. Januar 1545

Autograph: Zürich StA, E II 368, 232 (Siegelspur)

Viret ist erfreut über das Wohlergehen Bullingers und seiner Kollegen, von dem er im [nicht erhaltenen]Brief Bullingers an Celio [Secundo Curione]erfahren hat. Allerdings quält ihn die Nachricht über Luthers ["Kurtz bekentnis"]sehr; wenn dieser doch nur einen ehrenvolleren und nützlicheren Schwanengesang vorgetragen hätte, anstatt die Feinde zu ergötzen! Obwohl Viret der Sprache von Luthers Buch nicht mächtig ist, betrübt ihn sehr, was er darüber aus Bullingers Brief und von Freunden während seines Aufenthaltes in Bern gehört hat. Er hat vernommen, dass [die Zürcher] eine Antwort vorbereiten und wagt nicht, sie davon abzubringen, da sie diese für nötig halten, auch wenn die Erfahrung den eher gegenteiligen Effekt solcher Schriften zeigt. Er wünschte, dass es keine Anlässe zur Polemik mehr gäbe, um die Feinde nicht auf ein gegenseitiges Vernichten der [Protestanten] nach Art der Midianiter hoffen zu lassen. Mögen Wort und Feder nur gegen offensichtliche Feinde der Kirche eingesetzt werden! Viret möchte seine Meinung nicht den Plänen der [Zürcher]entgegenstellen und etwa deren Schweigen fordern oder sie zur Mäßigung ermahnen, sondern nur die Überlegung vorbringen, ob eine solche Angelegenheit der unwissenden Öffentlichkeit nicht lieber erspart bleiben sollte. Er schreibt dies, weil er gehört hat, dass die Erwiderung [der Zürcher] in französischer, deutscher und lateinischer Sprache erscheinen soll. Er kennt die Gründe dafür nicht. Wie seine Freunde ist er aber der Meinung, dass es genüge, wenn nur in der

g Mit Hilfe einer Infrarotlampe entziffert, weil Brief Nr. 2242 darüber geklebt wurde.
15 Dem Überbringer dieses Briefes wurde wohl auch Bucers Brief vom gleichen Tag (oben Nr. 2071) anvertraut.


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gleichen Sprache [wie Luthers Schrift] geantwortet wird, da auf diese Weise dem verletzten [deutschen Leser]Genugtuung geleistet wird, während diejenigen, die nur des Lateinischen, [Französischen] oder Italienischen mächtig sind, weiterhin der gefährlichen Sache unkundig bleiben; anderenfalls drückt man den Feinden eine Waffe in die Hand. Nur wenn [Luthers "Kurtz bekentnis"] in mehreren Sprachen erschienen wäre, ließe sich eine mehrsprachige Antwort rechtfertigen. Viret schreibt Bullinger offener, als es ihm zusteht, aber hoffentlich nicht so, als wollte die Sau Minerva belehren, sondern wie Freunde, die untereinander über das Wohl der Kirche beraten. In Genf druckt man Calvins Schrift ["Contre la secte phantastique et furieuse des Libertins qui se nomment spirituelz", Jean Girard, [Februar] 1545; CO VII 145252; Bibliotheca Calviniana I 180-183, Nr. 45/4] gegen die Libertiner, über welche er nicht zu schreiben braucht, da diese Bullinger bekannt sind. Grüße.

[Gedruckt: CO XII 20-22, Nr. 608; Übersetzung ins Französische: Pierre Viret d'après lui-même, hg. v. Charles Schnetzler, Henri Vuilleumier und Alfred Schroeder, Lausanne 1911, S. 65-69.]