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Autograph: Zürich StA, E II 368, 232 (Siegelspur)
Viret ist erfreut über das Wohlergehen Bullingers und seiner Kollegen, von dem er im [nicht
erhaltenen]Brief Bullingers an Celio [Secundo Curione]erfahren hat. Allerdings quält ihn die
Nachricht über Luthers ["Kurtz bekentnis"]sehr; wenn dieser doch nur einen ehrenvolleren
und nützlicheren Schwanengesang vorgetragen hätte, anstatt die Feinde zu ergötzen! Obwohl
Viret der Sprache von Luthers Buch nicht mächtig ist, betrübt ihn sehr, was er darüber aus
Bullingers Brief und von Freunden während seines Aufenthaltes in Bern gehört hat. — Er hat
vernommen, dass [die Zürcher] eine Antwort vorbereiten und wagt nicht, sie davon abzubringen,
da sie diese für nötig halten, auch wenn die Erfahrung den eher gegenteiligen Effekt
solcher Schriften zeigt. Er wünschte, dass es keine Anlässe zur Polemik mehr gäbe, um die
Feinde nicht auf ein gegenseitiges Vernichten der [Protestanten] nach Art der Midianiter
hoffen zu lassen. Mögen Wort und Feder nur gegen offensichtliche Feinde der Kirche eingesetzt
werden! — Viret möchte seine Meinung nicht den Plänen der [Zürcher]entgegenstellen
und etwa deren Schweigen fordern oder sie zur Mäßigung ermahnen, sondern nur die Überlegung
vorbringen, ob eine solche Angelegenheit der unwissenden Öffentlichkeit nicht lieber
erspart bleiben sollte. Er schreibt dies, weil er gehört hat, dass die Erwiderung [der Zürcher]
in französischer, deutscher und lateinischer Sprache erscheinen soll. Er kennt die Gründe
dafür nicht. Wie seine Freunde ist er aber der Meinung, dass es genüge, wenn nur in derBriefe_Vol_15_105 arpa
gleichen Sprache [wie Luthers Schrift] geantwortet wird, da auf diese Weise dem verletzten
[deutschen Leser]Genugtuung geleistet wird, während diejenigen, die nur des Lateinischen,
[Französischen] oder Italienischen mächtig sind, weiterhin der gefährlichen Sache unkundig
bleiben; anderenfalls drückt man den Feinden eine Waffe in die Hand. Nur wenn [Luthers
"Kurtz bekentnis"] in mehreren Sprachen erschienen wäre, ließe sich eine mehrsprachige
Antwort rechtfertigen. — Viret schreibt Bullinger offener, als es ihm zusteht, aber hoffentlich
nicht so, als wollte die Sau Minerva belehren, sondern wie Freunde, die untereinander über
das Wohl der Kirche beraten. — In Genf druckt man Calvins Schrift ["Contre la secte phantastique
et furieuse des Libertins qui se nomment spirituelz", Jean Girard, [Februar] 1545;
CO VII 145252; Bibliotheca Calviniana I 180-183, Nr. 45/4] gegen die Libertiner, über
welche er nicht zu schreiben braucht, da diese Bullinger bekannt sind. —Grüße.
[Gedruckt: CO XII 20-22, Nr. 608; Übersetzung ins Französische: Pierre Viret d'après lui-même, hg. v. Charles Schnetzler, Henri Vuilleumier und Alfred Schroeder, Lausanne 1911, S. 65-69.]