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[BULLINGER] AN
LEO [JUD]
Kappel,
11. Mai 1526
Autographe Abschrift: Zürich ZB, Msc A 82, 106r. 1/3 fol. S., sehr gut erhalten Ungedruckt
Gibt seinem Unmut über Johannes Fabri Ausdruck und weist auf zwei Stellen in den Werken von Ambrosius und Laktanz hin, welche dessen Anklagen gegen die evangelischen Christen widerlegten.
Leoni suo gratiam et pacem a domino.
Ita zelo dei, frater mi, adversus sanguinarium 2 Fabrum 3 suique similes lugurthas 4 excandeo 5 , ut ipse mihi temperare non potuerim, quin haec pauca moneremus, nempe ut legas Ambrosii 2. lib. offitiorum cap. 28 6 et Lactantium in 6, «De vero cultu» cap. 25 7 ; sic, ut ex ipsis patribus Thrasonis 8 profligetur impietas, qua
1 Siehe oben S. 55, Anm. 1.
2 Die Anschuldigung der Blutrünstigkeit der Katholiken erhebt Bullinger auch in seiner
Schrift «Verglichung der uralten und unser zyten kätzeryen», Zürich 1526, Bl. C iij r.:
«Oder wie könnend ir Doctoren / die doch wüssend das wir recht lerend / unnd ee muß
himel und erden brechen / dann ützid daruon fallen / uns armen schefflin / über alles anbieten
unnd bitten / so unmenschlich uff den fleischbanck geben?» Zwingli wirft Fabri in
seiner Schrift «Über den ungesandten Sendbrief Fabers Zwinglis Antwort», 1526, ebenfalls
Blutrünstigkeit vor und bezieht sich dabei auf eine Augsburger Predigt Fabris, wobei dieser
gesagt haben soll: «es tüge summa summarum nit gut, man lege dann die klingen uff sölche
prediger», Z V 47,7f (vgl. auch Z V 129,22ff).
3 Johannes Fabri (Heigerlin), 1478-1541, studierte in Tübingen und Freiburg, Dr. iuris
utriusque; Pfarrer in Leutkirch und Lindau, dann Kanonikus und Offizial in Basel, 1518 —
1523 Generalvikar in Konstanz, hierauf in den Diensten Erzherzog Ferdinands von Österreich,
1530 Bischof von Wien. Obwohl ursprünglich kirchlichen Reformen nicht abgeneigt
und mit Zwingli und Erasmus befreundet, wurde Fabri doch nach 1523 einer der schärfsten
Gegner der Zürcher Reformation, s. Leo Helbling, Dr. Johann Fabri, Generalvikar von
Konstanz und Bischof von Wien, 1478-1541. Beiträge zu seiner Lebensgeschichte, Münster
i. W. 1941. — RGST 67/68. Über Fabris Verhältnis zur schweizerischen Reformation s. Leo
Helbling, Dr. Johann Fabri und die schweizerische Reformation, Diss. phil. FreiburgSchweiz,
Einsiedeln o. J. — Die Entrüstung Bullingers über Fabri dürfte auf dessen Angriffe
gegen die Evangelischen in der Schrift «Ein Sandbrieff Doctor Johann Fabri an Ulrich
Zuinglin Maister zu Zürich», 1526, (s. dazu Helbling, Beiträge, S. 140; Z V 43, Anm. 1;
Leonhard von Muralt, Die Badener Disputation 1526, Leipzig 1926. —QASRG III, S. 69ff)
zurückgehen. Hier wirft Fabri Zwingli und seinen Anhängern u. a. vor, sie trieben Bilderstürmerei
(Bl. a ij v.), hätten Lobgesänge (Bl. a ij v.) und Gottesdienste (Bl. a iiij r.) abgeschafft,
schmähten das Sakrament (Bl. a ij v.) und verkauften Meßgewänder (Bl. a iiij r.).
Nach Bullingers Überzeugung entkräften Ambrosius (s. unten Anm. 6) und Laktanz (s. unten
Anm. 7) die Anklagen Fabris und beweisen die Berechtigung des reformatorischen Vorgehens.
4 Jugurtha, König von Numidien und Gaetulum, etwa 160-104, gefährdete durch seine Gewalttätigkeit,
Bestechungskünste und listigen Machenschaften jahrelang die römische Republik
(Pauly/Wissowa XIX 1-6); er wurde in der Reformationszeit häufig als Beispiel der
Grausamkeit und Gewalttätigkeit herangezogen (vgl. Z I 182, 4-14; Fabri wird mit Jugurtha
verglichen in Z V 146, 8).
5 Eigentlich excandesco: ergrimmen, in Jähzorn geraten.
6 Ambrosius, De officiis ministrorum, II, 28 (MPL XVI 148-150). Über die Auslegung
einer anderen Ambrosiusstelle stritten sich Fabri und Zwingli, s. Z V 138, 7ff.
7 Laktanz, Divinae institutiones, lib. VI: «De vero cultu», 25 (CSEL XIX 577-580).
8 Thraso ist der Name des prahlerischen Soldaten im Eunuchus des Terenz, s. Adagia, prolegomena
(LB II 13 B).
Briefe_Vol_01-116 | arpa |
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impulsus pauperibus detrahit, harpigiis 9 vero papisticis convehit et insontes sacrilegii accusat, scilicet quod ecclesiam dei, hoc est larvas, ficulneos 10 , lamias, lemures et lares spoliaverint. Etsi non ignorem fortiorem esse scripturae authoritatem, quae stat a partibus nostris, attamen ardor hic nescio quis compulit, ut Minervam sus 11 monerem.
Vale. Salutabis mihi Zuinglium 12 .
Cappellae, 11. maii in 1526.
9 harpigium, Nebenform zu harpago.
10 Ergänze homines oder ähnliches; das Adjektiv ficulnus (bzw. griech. greek wurde wegen
der Eigenschaft des Holzes im Altertum in der Bedeutung «schwach» gebraucht und kommt
in Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten vor, s. Pauly/Wissowa XII 2143;
Adagia, 1, 7, 85 (LB II 295f). In der christlichen Tradition kommt durch Mk 11,13ff par.
das Motiv der Unfruchtbarkeit noch hinzu, s. z. B. Augustin, Sermo 89 (MPL XXXVIII
5531) und S VI/I 358.
11 Zu dieser Redensart s. Adagia, 1, 1, 40 (LB II 43 A-F) und Otto 224, Nr. 1118; der Sinn
ist: Ein Dummer belehrt einen Klugen.
12 Siehe oben S. 67, Anm. 6.