Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Martin Bucer an
Bullinger,
Leo Jud,
Konrad Pellikan und
Theodor Bibliander
Straßburg,
11. Juli [1533]

Autograph: Zürich StA, E II 337, 51r.-52v. Siegel. -Teilregest: QGT VIII 120f

An der Synode wurde mit einigen Häretikern verhandelt. Der schlimmste unter ihnen ist Melchior Hoffman. Die Widerlegung von dessen Irrlehren wurde publiziert. Leo Jud möge sie lesen und schreiben, was er davon hält. Bucer hofft auf eine Verbesserung der kirchlichen Lage. Papst und Kaiser schickten ihre Gesandten ins Reich, um die Bedingungen für ein Konzil vorzutragen. Die Forderungen nach einem

seinen Anhängern. In Kap. 43 des Berner Synodus von 1532, «Vom Krankenbesuch», wird das Abendmahl gar nicht erwähnt (BS 116f). Auch 1543 gab es einen Streit über die Krankenkommunion zwischen der lutheranisierenden (Simon Sulzer u. a.) und der zwinglischen Partei (Erasmus Ritter u. a.) in Bern; dabei beriefen sich die Ersteren auf Oekolampad, s. Hundeshagen 161f. 385f.
3 Vgl. Kirchhofer, Myconius 132.
4 Es handelt sich um ein Gerücht, das sich als falsch erwies, s. unten S. 155, 9-15.
5 Zu Bullingers Auffassung über das Problem des Zinses, die als besonders fortschrittlich gilt (s. Joachim Staedtke, Bullingers Bedeutung für die protestantische Welt, in: Zwa XI 385f) s. seinen kurzen Aufsatz: «Ein guter
bericht vonn Zinsen», der als Anhang zu seinem Buch «Von dem unverschämten Frevel der Wiedertäufer» 1531 erschien (HBBibI I 28).
6 Siehe ABaslerRef VI 289, S. 284.
7 Vgl. 1Kor 13.
8 Zur Straßburger Synode vom 10. bis 14. Juni 1533 und zu ihren Maßnahmen gegen Täufer und andere sektiererische Gruppen s. QGT VIII 70-96. 98. 110f; vgl. Fast 43f; s. noch unten S. 171, 13-172, 21.
9 Vgl. Mt 13, 24-30. 36-43.
10 Leo Jud.
1 Die erwähnten Ereignisse verweisen den Brief eindeutig ins Jahr 1533 (s. unten Anm. 2. 4. 10).


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freien Konzil im Reich werden mit diesen unannehmbaren Bedingungen nicht erfüllt. Bucer wünscht Nachrichten aus der Eidgenossenschaft. Capito, Hedio und [Bartolomeo [Fonzio] lassen grüßen. Schwenckfeld nahm auch an der Synode teil.

Salvete, fratres observandi.

Audistis forsan de nostra synodo 2 , quam impulsi sectarum improbitate nostri tandem indixerunt. Datus locus est aliquot praecipuis ex haereticis, inter quos perniciosissimus est Melchior Hofman 3 , qui innumeros in Germania inferiori dementavit, quorum caussa confutationem errorum eius, imo blasphemiarum aedidimus 4 . Leo 5 noster stomachi est fortioris, ut legere possit, quae non admodum oblectant. Si is animum suum curiosum inducet, ut has nostras commentationes legat, maxime partem ultimam 6 , valde cupio scribat de ea ultima parte suum iudicium. Ipse novit caussam, tractationem liberi arbitrii et mysterii electionis 7 . Quia omnino congruit cum iis, quae hac de re docuit communis praeceptor noster sanctae memoriae Zuinglius 8 , vobis facile approbavero. Attamen de peccato in spiritum sanctum si satisfecero vobis, scire velim. Reliqua catholica sunt. Spero deinceps, quantum ||51v. in ista Babylone 9 fieri poterit, rem ecclesiasticam rectius constituendam.

Pontificem nostis, arbitror, suos legatos cum caesareis ad nostri foederis principes

2 Zur Straßburger Synode s. oben S. 145, 12-15 und Anm. 8.
3 Melchior Hoffman, um 1495-1543, stammte aus Schwäbisch Hall. Er trat 1523 zum ersten Mal als Laienprediger in Livland auf, von wo er trotz einer Empfehlung Luthers zwei Jahre später als Ketzer vertrieben wurde. Sein Auftreten in Stockholm und Kiel rief Tumulte hervor, so daß er 1529 nach einer vom dänischen König einberufenen Disputation in Flensburg aus Dänemark ausgewiesen wurde. 1530 kam er zum ersten Mal nach Straßburg und schloß sich hier den Täufern an. In den folgenden Jahren brachte er die Täuferlehre nach Ostfriesland und den Niederlanden. 1533 kehrte er nach Straßburg zurück, wurde eingekerkert und verbrachte die letzten zehn Lebensjahre in strenger Haft. Sein Werk umfaßt ca. 40 Schriften, darunter die «Ordonnantie Gottes» (1530), die «Wahrhaftige Erklärung» (1531) und eine Auslegung des Römerbriefes (1533).- Lit.: Z X und XI, Reg.; Blarer BW I 403f und Reg.; Vadian BW V und VI, Reg.; QGT VII und VIII passim; Peter Kawerau, Melchior Hoffman als religiöser Denker, Haarlem 1954; Klaus Deppermann, Melchior Hoffman. Soziale Unruhen und apokalyptische Visionen im Zeitalter der Reformation, Göttingen 1979; Alfred Hegler, in: RE VIII 222-227; Christian Neff, in: ML II 326-335; Peter Kawerau, in: RGG III 422f; derselbe, in: NDB IX 389f.
4 Martin Bucers «Handlung inn dem offentlichen
gesprech zu Straßburg iüngst im Synodo gehalten, gegen Melchior Hoffman», Straßburg 1533 (Bibliographia Bucerana Nr. 40). Bucer widmete die Schrift den Protestanten in den Niederlanden, weil Hoffman dort, wie er sich an der Synode selbst gerühmt hatte, viele Anhänger besaß, und warnte sie vor dem «trotzigen, hochprächtigen Rottenmeister». Das Werk erschien im selben Jahr auch in holländischer Sprache (Bibliographia Bucerana Nr. 40c); Neuedition bearb. v. Robert Stupperich, in: BucerDS V 43-107; Zusammenfassung bei Deppermann, aaO, S. 259-263.
5 Leo Jud.
6 Das vierte und letzte Kapitel von Bucers Schrift handelt «Vom kindertauff, wie der christlich gebraucht werde».
7 Die erwähnten Themen werden von Bucer im zweiten Kapitel erörtert unter dem Titel «Von der wale gottes, erlösung unsers heylands Jesu Christi, unfreyem willen, oder unvermögen unser natur zum guten».
8 Zur direkten Abhängigkeit der Theologie Juds von Zwingli s. Wyss, Jud 119-122; über Erwählung und freien Willen hatte sich Zwingli u. a. in seinen Schriften «De vera et falsa religione commentarius», 1525, und «De providentia», 1530, geäußert, die beide von Leo Jud ins Deutsche übertragen worden waren.
9 Bucer denkt wohl an die babylonische Sprachverwirrung, Gen 11, 9, oder an die sündhafte Welt im allgemeinen.


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misisse 10 , qui consensum in concilium generale requirant his conditionibus 11 : Ut concilium celebretur liberum, sed more hactenus observato 12 ; ut promittamus antea staturos nos iis, quae in illo per maiorem partem fuerint decreta 13 ; ut si qui non adveniant per se vel legatos, reliquis, qui convenerint, ius sit pergendi in omnibus, quae concilii 14 sunt; ut si qui parere decretis concilii nollent aut pontifici postea aliquo modo adversari auderent a , reliqui pontifici adsint, ut huiusmodi compescantur 15 . Locum Bononiam aut Placentiam aut Mantuam nominat, quod quaelibet harum urbium nobis Germanis vicinior sit quam ullis b aliis ultraalpinis 52r. || populis 16 . Videtis sanctissimum animum concilio cogendo deditum. O caesar, quam ludit de te pater tuus 17 . In nullis comitiis, quibus actum de concilio et a caesare promissum est, non libertas et ut in Germania celebretur, et postulatum et promissum est 18 . Nunc exigit pontifex, ut antea, quam caussae excutiantur, antequam sciamus, qui in concilio conventuri sint, recipiamus nos staturos iis, quae illic maior pars decreverit 19 . Sed isto pacto detrectantibus nobis has conditiones fuco aliquo eludet pontifex caesarem, cui constiturum se concilium policitus est. Etsi enim sciat facile se nostri damnationem obtenturum in concilio, non dubitat tamen simul suam etiam tyrannidem circumscribendam idque ferre aut huius subire discrimen non potest.

Miror, quod nihil ad nos his nundinis scripseritis. Ut adsitis miseris illic, quos contra omnes leges foederum premunt Immontani, opto scire.

a auderent am Rande nachgetragen.
b über gestrichenem omnibus.
10 Nachdem Clemens VII. und Karl V. sich in Bologna über die Bedingungen für die Einberufung des Konzils geeinigt hatten, erhielt der päpstliche Nuntius Ugo Rangoni den Auftrag, diese den deutschen Ständen vorzulegen (s. die Instruktion vom 27. Februar 1533, gedruckt in: CT IV LXXXVIIf; s. noch Müller 238). Rangoni wurde vom kaiserlichen Rat Lambert de Briaerde begleitet. Am 3. Juni waren die Gesandten beim Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, der seine Antwort vom Schmalkaldischen Bundestag Ende Juni abhängig machte, s. Hubert Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, Bd. I: Der Kampf um das Konzil, Freiburg i. Br. 1951 2 , S. 227; Müller 239f; auch unten Anm. 19.
11 Rangoni trug gemäß der ihm mitgegebenen Instruktion insgesamt acht Punkte vor (s. CT IV LXXXVIIf und XCI). Die daraus ausgewählten fünf Punkte sind im folgenden sinngemäß richtig, wenn auch nicht wortgetreu wiedergegeben.
12 Vgl. Punkt 1 der Instruktion.
13 Vgl. Punkt 2 der Instruktion.
14 Vgl. Punkt 6 der Instruktion.
15 Vgl. Punkt 7 der Instruktion.
16 Vgl. Punkt 5 der Instruktion.
17 der heilige Vater, der Papst; Bucer will sagen: O Kaiser, wie springt der Papst mit dir um!
18 Die Forderung nach einem freien, christlichen Konzil in deutschen Landen wurde von den Reichsständen zuerst auf dem Nürnberger Reichstag im Jahre 1523 erhoben (s. Jedin, aaO, S. 169-171) und auf späteren Reichstagen in derselben Formulierung wiederholt. Sie taucht auch in den Verhandlungen um den Nürnberger Religionsfrieden 1532 auf (s. Winckelmann 193). Karl V. setzte sich tatkräftig für die Einberufung des Konzils ein und verpflichtete sich im Nürnberger Anstand, allein dafür zu sorgen, daß es innert Jahresfrist stattfinden könne (s. Winckelmann 245). Den Gedanken eines deutschen Nationalkonzils lehnte er jedoch ab (s. Jedin, aaO, S. 224f).
19 Dieselbe Kritik ist enthalten in der Antwort Johann Friedrichs von Sachsen und seiner Verbündeten an Ugo Rangoni vom 30. Juni 1533 (s. CT IV XCVII-CI) sowie im Straßburger Gutachten vom 27. Juni (s. PC II 191-193).


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Optime valete, fratres charissimi. Salutant vos Capito, Hedio 20 , meus comes 21 ac reliqui omnes.

Argentorati, 11. iulii.

M. Bucerus. 52v.

|| Leo optime, etiam Schvenckfeld congressus est nobis 22 . De qua re alias. Hic abunde hostium habemus ecclesiae Christi, etsi quidem plus quam Christi esse velint.

[Adresse darunter:] Vere piis c et vigilantibus episcopis [ecc]lesiae Tigurinae [H. Bu]llingero d , L. [Iud]e e , C. Pellicano, [Th.]f Bibliandro, maioribus suis observandis.