Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

40

WOLFGANG JONER
AN BULLINGER
Kappel,
3. Oktober 1531

Autograph: Zürich StA, A 230, 2, Nr. 76 1 fol. S., sehr gut erhalten, mit Siegelabdruck Regest: ASchweizerRef III 1474

Bittet Bullinger, den Überbringer dieses Briefes, einen Vertrauensmann, der in Luzern gewisse für Bremgarten ungünstige Nachrichten erfahren habe, zum Schultheiß zu begleiten: seinem mündlichen Bericht solle man Glauben schenken.

Gnad und frid von got dem vatter etc.

Erwirdiger und in sunders günstiger etc. Wüssend, das es uns 2 noch bis har wol gat 3 , doch mitt unruwen, gengenwirtigen [!] löufen 4 halb 5 . Hoff, gott werd es schier 6 zu end füren. Ich schrib üch uss sunderlichem 7 vertruwen, so ich alweg 8 zu üch hab. Denn ir mögend 9 villicht ouch wol wüssen, als 10 wir denn an dem anstoß 11 sitzend und in sorgen, und deshalb unsere herren mir ye zu ziten schriben, sorg und ufsehen zu haben, wes sich doch unsere fynd vermessind 12 . Das ich nun zum mengeren mal 13 getrüwlich 14 gethon 15 , und yetz aber einen guten, frummen 16 gesellen, der üch und mir bekant ist, zeiger dises briefs 17, gan Lucern geschickt; hat eins und das ander erfaren, und bringt etwas, das mines bedunckes 18 einer stat Bremgarten nachteilig mag sin. Und dorumm hab ich inn guter meinung zu üch geschickt, das ir inn angesicht 19 dises briefs für 20 den schultheißen 21 fürind, so wirt er üch wol müntlich sagen, was es ist 22 ;

1 Siehe oben S. 481, Anm. 4.
2 nämlich den Insassen des ehemaligen Klosters Kappel.
3 geht.
4 Zeiten, Vorgänge, Ereignisse (SI III 1112f).
5 halber, wegen.
6 schnell, bald (SI VIII 1183ff).
7 besonderem.
8 allewege, immer.
9 könnt.
10 da (SI I 199).
11 Grenze (SI XI 1592).
12 wagen, sich erlauben.
13 vielmal, öfters (SI IV 147).
14 getreulich, gewissenhaft.
15 Zu Joners Verdiensten um Zürich an der zugerischen Grenze s. Egli, Affoltern 108-110.
16 hier: gutgesinnten, vertrauenswürdigen.
17 Von der Person dieses Vertrauensmannes wissen wir nur soviel, daß er sich bei seiner Mission nach Luzern «von Aegre» (von Aegeri) nannte, wie aus dem gleichzeitigen Bericht Joners an Bürgermeister und Rat von Zürich hervorgeht (Zürich StA, A 230, 2, Nr. 75; Regest in: ASchweizerRef III 1473).
18 nach meiner Meinung (SI XIII 688).
19 beim Anblick, d. h. sobald der Empfänger den Brief gesehen hat (SI VII 258).
20 vor.
21 Hans Mutschli (s. oben S. 204, Anm. 17).
22 Näheren Aufschluß über den Inhalt dieser Warnung gibt der nach Zürich geschickte Bericht Joners, aaO: «Der [nach Luzern emigrierte ehemalige Schultheiß von Bremgarten, Johannes Honegger] hat mengerley mitt imm geredt von disen dingen, dann sich der bott von Aegre nampt, und under anderem seit er, es sygind noch wol by den LX burgeren zu Bremgarten,


Briefe_Vol_01-218arpa

dem söllend ir glouben geben, darmitt und ir üch künnind gehüten 23 vor zukünftigem unrat 24 .

Ich bitt, ir wellind 25 dis min schriben und zuschicken im besten ufnemen. Gott sy mitt üch.

Geben ze Cappell, am zinstag nach Michaelis 1531.

Wolfgangus, abt des

klosters zu Cappell.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem erwirdigen, hochgelerten etc. Heinricho

Bullinger, yetz predicant der statt Bremgarten.

22f die im schribind und bittind, das er ir vatter sy und fürderung gegen den Fünf Orten, wo es yenen zu val kömme [wo immer es Gelegenheit gebe].» —Daraus geht klar hervor, daß Joner die Brerngartner darauf aufmerksam machen wollte, daß eine starke katholisch gesinnte Opposition in der Stadt durch Johannes Honegger (über ihn s. HBLS IV 286) heimliche Beziehungen zu den Fünf Orten unterhielt. Wie gefährlich dies für Bremgarten in seiner exponierten Lage kurz vor Kriegsausbruch gewesen sein mußte, läßt sich leicht denken (zur Lage Bremgartens s. Bucher 142ff).
23 hüten.
24 Not, Nachteil, Schaden (SI VI 1577 f).
25 wollt.