Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[252]

Jakob Haistung,
Veit Kappeler und
Paul Rasdorfer an
Bullinger und die Pfarrer von Zürich
Kempten,
20. August 1533

Autograph Rasdorfers: Zürich StA, E II 337, 541.-v. Siegelspur. -Ungedruckt

Zürichs Antwort [auf Nr. 242]ist mit Verspätung in Kempten eingetroffen. Enttäuschung über deren unerwarteten Inhalt. Benedikt [Euander]ist der geeignete Mann für die Kemptener Lehrerstelle. Er hat sich schon vor dem Rat bereit erklärt, sie zu übernehmen. Dringende Bitte, ihn freizugeben, um Schaden zu verhindern. Andernfalls könnte ein Lutheraner die Stelle erhalten. Mahnung zur Hilfe.

Precamur scientie dei accessionem.

Üwer schriben uns am 25. julii gethan 1 , erwirdigen herren und in Christo geliebten brueder, haben wir sines inhalts vernomen. Nimbt uns aber frembd 2 , das uns erst

a nuper am Rande nachgetragen.
b coeptum am Rande nachgetragen.
c quidpiam am Rande nachgetragen.
3 Siehe oben S. 164, 10f.
4 Unbekannt.
5 «Von dem unverschämten Frevel der Wiedertäufer», 1531 (HBBibI I 28).
6 Mit roher Hand oder derbem Verstand, vgl. Adagia, 1, 1, 37 (LB II 42); Otto 224, Nr. 1119.
7 Heinrich Lavater, s. oben S. 157, 28f.
8 Hans Rudolf Lavater, s. ebenda.
9 Vgl. Mt 23, 12; Jak 4, 10.
10 Vgl. Mt 6, 10.
11 Konrad Geßner und Johannes Fries, die seit April 1533 in Bourges studierten, s. oben Nr. 210 und 224.
1 Nicht erhalten.
2 es dünkt uns aber seltsam (SI I 1299).


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3 yetz, so nache uff die quattemer als am 20. augusti, die antwort worden ist 4 , der wir uns doch keins wägs hätten versehen, der hoffnung, ir unsere lieben herren und brueder hättind angsehen die groß gfar unser kirchen, die, wie wir im nägsten 5 schriben 6 ouch zum teyl angezeigt, mit lutherischen loüffen und händlen 7 , nit allein in den alten, sunder in der jugend sich hat schwärlich anklebt 8 , das uns warlich groß von nöten ist, der jugend einen fürzeställen, der glichformig mit uns singe 9 , darzue wir disen Benedictum 10 , ders etwa selbs an mich 11 trägen, ee und ich gen Kemptten khomen 12 , tougenlich erkhenntt. Und nachdem er sich selbs persönlich alher verfüegt 13 , vor unseren herren erschinen, sich eben wit gegen inen inglan, wie er selbs bekhennen mueß, das wir ouch sorg trägend 14 , unsere herren, ob wir schon still schwigend, werden in sines zuesägens nit erlassen, ist deshalb, erwirdigen lieben herren, an üch unser unterthänig hochflißig bitt und vermanen: Wellend noch umb der eeren gottes willen, die ir warlich in dem wag gröslich verhindrend, ermässen, waß schadens und nachteils erstlich uns predicanten, die wir den 15 unseren herren haben zuegestält, ouch der kirchen und jugend daruß erwachßen wurde. Wir müeßen lügner von unseren herren und gantzer gmeind gescholten werden. So müeßen wir liden, das nun die pöswilligen im radt uns nun einen lutherischen schulmeister anhenckhen, der uff jener siten zerzörret, waß wir uff diser haben ufferbuen 16 . So mügen wir nun keinen mer des gferts 17 erlangen; wir haben wunderbarlich mit ime das meer erhalten. Witer, wo ir den und er sich selbs uns wurdind uffhalten 18 , erlägend 19 ir unser, die wir ouch noch geren in linguis witer gfaren wärind, der jugend fürnamlich und der gantzen stat gmeinen nutz. Dennach 20 ist noch an üch unser hochvlißig bitt und begeren: Wöllend obgenanten unseren lieben brueder Benedictum nit uffhalten, sunder gegen ime, den ir gloubbrüchig wurdind machen, und gegen uns, die wir müsten letz stan 21 vor unser oberkeit und gantzer gmeind, liebe bruchen, diewil ir doch wol ander habend an d stat z stöllen 22 . Gedenkhend, waß nachteil es dem wort des herren prächte, so wir der gmeind und oberkeyt entfallen 23 . Er weiß woll, waß er im pfarhoff versprochen und gerädt 24 hat zue Kemptten. Summa, wir haben nit mer gwalt, in ledig ze sägen. Er hat nit uns, sunder unseren herren zuegesagt; wir haben in nit, sunder unsere herren, angenomen. Darume, geliebten herren, sehend baß mss spill 25 ; uns, || 54v. im und üch ist mer daran gelägen, dan also
3 Die nächste Quatember (Fronfasten) fällt auf den 17. September 1533.
4 Die Verspätung, mit welcher der Zürcher Brief in Kempten eintrifft, wird auch von Veit Kappeler in Nr. 253, unten S. 170, 29 erwähnt. Gründe dafür sind nicht bekannt.
5 letzten (SI IV 635f).
6 Bezieht sich wohl auf den einzigen vor dem 20. August 1533 erhaltenen Brief der Kemptener Pfarrer vom 14. Juli 1533 (oben Nr. 242).
7 Zu den Streitigkeiten zwischen Lutheranern und Zwinglianern in Kempten s. oben S. 80, Anm. 6 und 7.
8 sondern die Jugend schwer belastet hat (vgl. SI III 611).
9 der dieselbe Überzeugung hat; hier: der auch zwinglianisch denkt.
10 Benedikt Euander.
11 Paul Rasdorfer, der Euander im Laufe des Jahres 1532 in Zürich getroffen haben dürfte.
12 Rasdorfer war spätestens Anfang Februar 1533, dem Zeitpunkt seiner Wahl, nach Kempten gekommen, s. oben S. 80, 8f.
13 Über Euanders Besuch in Kempten s. auch oben S. 154, 7-10.
14 besorgen.
15 Euander.
16 Vgl. Sir 34, 28.
17 dieser Art (SI I 1039f).
18 vorenthalten (SI II 1227).
19 schmälert (SI III 1187).
20 wohl: demnach.
21 im Unrecht stehen (SI III 1551).
22 an die Stelle zu setzen.
23 wortbrüchig werden (Lexer I 563).
24 geredet, gesprochen.
25 seht besser zur Sache (SI VII 526; X 122).


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plözlich d sach hinwerfen. Hett er sich erstlich nit by uns inglan, so hett es wenig müe. Wir hetten etwa sunst mugen etwas vinden. Nun aber ist d sach z tüf inhin gsunkhen. Thüend gegen uns wie guet herren und fründ. Mügen wir indert 26 , wöllen wirs warlich in ander wäg erkhennen 27 . Wir versehen uns üwer trüwe und siner zuekhunfft. Hätten wir vor mügen verstan, das üch, unseren lieben herren, und der jugend zue Zürch ein nachteil daruß erwachßen wäre, und das ir nit hättind den wechßel ghebt, wölten wir warlich in allen trüwen üwer verschonet han. Nun yetz stats da. Thuend zue bschehnen dingen das beste, furdrend unser kirchen. Ir sind ouch truw schuldig; wir sind uwere brueder und schwöster wie die von Zürch.

Sind dem herren empfolhen.

Geben Kemptten, 20. augusti im 33.

Jacob Haystung,

Vitus Kappeller,

Paulus Rasdorffer.

[Adresse darunter:]Dem wirdigen herren M. Heinrichen Bullinger und denen vom collegio allen zue Zürch, iren geliebtten und besunderen brüederen ze handen etc.