Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3191]

Johannes Gast
an Bullinger
Basel,
Freitag, 20. April 1548

Autograph: Zürich StA, E II 366, 187 (Siegelspur) a Ungedruckt

[1](Die Schrift "De Naemanni adoratione"von Leonhard Serin kann nicht in Basel gedruckt werden.] -[2]L...]Gast hat die Nachrichten, über die er dankenswerter Weise durch Bullingers Brief [nicht erhalten]unterrichtet wurde, auch Oswald Myconius mitgeteilt. -[3]Aus Basel gibt es nur die Neuigkeit, dass [der seit Januar 1547] in Ensisheim [inhaftierte] Junker Claus von Hattstatt zu Kaiser Karl V. nach Augsburg gebracht wurde. Vermutlich

q-q Über der Zeile nachgetragen. -
r Hier und unten Textverlust durch Beschädigung des Papiers am Rande. -
s-s Über der Zeile nachgetragen über gestrichenem üwen. -
t Ergänzt aus Johann Jakob Simlers (1716-1788) Abschrift (Zürich ZB, Ms. 66, 156). -
u Über der Zeile nachgetragen über gestrichenem schryben. -
v-v Am Rande mittels Einweisungszeichen nachgetragen. -
a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
75 genau.
76 berücksichtigen; s. SI VII 581.
77 bedenken; vgl. SI IV 458.
78 irgendeinmal; s. SI IV 809.
79 rechtmäßig; vgl. SI 1V 1167.
80 aufgedrängt; vgl. SI XIV 806.
81 Rechtfertigung; s. SI XVI 1696.
82 im besten: zum Guten; vgl. SI IV 1788.
83 Situation; vgl. SI XIII 1543.
84 Georgstag ist der 23. April.
85 Der Überbringer der nicht erhaltenen Ausfertigung des vorliegenden Briefentwurfes war dieselbe unbekannte Person, die zuvor Schulers Brief an Bullinger übermittelt hatte; s. oben Z. 2f.


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wird er dort hingerichtet. -[4]König Ferdinand I. will die Böhmischen Brüder in Mähren ausrotten, weshalb er sie verfolgen und auf dem Scheiterhaufen verbrennen lässt. Auch die Wiedertäufer sind von den Verfolgungen betroffen. Daraufhin sind viele von ihnen gemeinsam nach Ungarn gezogen, um sich den Osmanen zu unterwerfen. Sie erhielten dort von [Jahjapaschazade Mehmed]Pascha ein Stück Land zur Besiedlung. -[5]Celio Secondo Curione hat brieflich erfahren, dass man das Evangelium in Venedig frei predigen dürfe. Genauso soll es sich laut einem Augenzeugen [N.N] in Würzburg verhalten, wo man sogar die Kirchenlieder auf Deutsch singe! -[6]Sebastian Schertlin weilt am Hof von König Heinrich II. in Lyon. Er lässt seine Leute Fußsoldaten anheuern. -[7]Gast empfiehlt seinen Schwager [Johann Georg Grünblatt], den Überbringer dieses Briefes. Bullinger möge diesem helfen, sofern er denn [Grünblatts]Landsleuten freundlich gesinnt ist. -[8]Grüße. Gast wird in Kürze mehr schreiben. -[9][P.S.:]Sobald er die Ausgabe von Ciceros "De officiis"besorgt hat, wird er sie Bullinger zuschicken.

[...]1

[... gratias b ] ago de rebus novis ad me scriptis 2 , quae et d. Myconio communicavi.

Wir haben nuit nüwes, dann 3 juncker Claus 5 von Hattstet 4 ist von Ensesheim gon Augspurg gefiert zum keiser. Ich acht 6 , er werde umb den kopf kürtzer...

In Moravia 7 ist ein grosse persecution 8 angericht durch Ferdinandum 9 . Man verjaget vil, verbrent vil, dann der kunig wil die Waldenser und Pikarder 10 ußrütten

b Aus dem Kontext ergänzt.
1 Bullinger hatte, wie seinem Brief an Serin vom 28. April 1548 zu entnehmen ist, dessen Schrift "Dc Naemanni adoratione" auf der Suche nach einem Drucker zu Gast nach Basel geschickt. Dieser übermittelte wiederum mit dem verlorenen Teil des vorliegenden Briefes einen negativen Bescheid. Das hier fehlende erste Blatt des Briefes schickte Bullinger am 28. April 1548 an Serin; s. Nr. 3196,3.
2 Bullingers Schreiben an Gast ist nicht erhalten, wird aber wohl mit seinem Brief an Myconius vom 16. April 1548 nach Basel überbracht worden sein. Grund für diese Annahme ist, dass Bullinger in diesem Schreiben anmerkte, dass Myconius weitere Neuigkeiten von Gast erhalten werde; s. Nr. 3186,9.
3 außer dass.
4 Claus (Niklaus) von Hattstatt, geb. 1510, gest. 1585. - Zu seiner nicht nach dem 19. Januar 1547 in Ensisheim erfolgten Verhaftung s. HBBW XIX, Nr. 2753,27-31 mit Anm. 22 und zuletzt HBBW XIX, Nr. 2810,19-29.
- Er wurde am 16. April 1548 von Ensisheim nach Augsburg überführt und sollte sich dort vor dem 12. Mai wieder mit Kaiser Karl V. versöhnen und freikommen; s. HBBW XIX, Nr. 2753,27-31 mit Anm. 22; AK VII, Nr. 3058, Anm. 8; Pc IV/2 945, Nr. 767; zu Hattstatt s. auch Gast, Tagebuch 317, Anm. 27.
5 Ensisheim war Sitz der vorderösterreichischen Regierung; s. Territorien des Reichs V 257.
6 vermute.
7 Mähren.
8 Verfolgung. - Zu dieser s. Johann Gottlob carpzov, Religions-Untersuchung der Bömisch- und Mährischen Brüder von Anbeginn ihrer Gemeinen, bis auf gegenwärtige Zeiten, Leipzig 1742, S. 221-225.
9 König Ferdinand I
10 Waldenser und Pikarder: Gemeint sind die Böhmischen Brüder; s. HBBW IV, Nr. 470, Anm. 27.


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11 . Die widerteuffer müssen sich ouch liden. 12 Dan 13 vil sindt mit einanderen in Ungeren 14 zogen, sich dem Türcken 15 ergeben. Denen hat ein bassa 16 ein lendlin 17 ingeben 18 ze buwen 19 .

Es ist d. Celio 20 geschriben, das mann das evangelium frey lasse zu Venedig predigen onverhinderet 21 Item zu Wirtzburg prediget man das evangelium; singent 22 psalmen 23 in teutsch. Das hat einer 24 geseyt, qui suis oculis vidit et audivit.

Capitaneus Schertlin ist zu Leon 25 in domo regni. Collegit per suos clam pedites. 26

Presentium literarum latorem 27 der min schwager ist, den wil ich uch befolhen 28 haben, ut illi sis auxilio, si ullam amicitiam cum illis, apud quos hactenus vixit et natus est, habes.

11 ausrotten.
12 Zur bereits 1547 einsetzenden, durch Ferdinand I veranlassten Verfolgung der Täufer im heutigen Tschechien und Ungarn vgl. Geschichts-Bücher der Wiedertäufer in Oesterreich-Ungarn, betreffend deren Schicksale in der Schweiz, Salzburg, Ober- und Nieder-Oesterreich, Mähren, Tirol, Böhmen, Süd-Deutschland, Ungarn, Siebenbürgen und Süd-Russland in der Zeit von 1526-1785, hg. von Josef Beck, Wien 1883 (Nachdruck Nieuwkoop 1967), S. 177-18 1.
13 Daraufhin.
14 Weite Teile Ungarns waren seit 1526 osmanisch regiert.
15 Gemeint ist: den Osmanen.
16 Gemeint ist wohl der Beylerbeg von Ofen (Buda), Jahjapaschazade Mehmed Pascha, der von 1543 bis zu seinem Tod (etwa Oktober 1548) amtierte; s. Georg Jacob, Türkisches aus Ungarn, in: Der Islam VIII, 1918, S. 238; Hammer-Purgstall III 288 mit Anm. e.
17 Stück Land.
18 übergeben; vgl. SI ll 82.
19 ze buwen: um es zu besiedeln.
20 Celio Secondo Curione.
21 on verhinderet: ohne Einschränkung.
22 man singt.
23 Kirchenlieder.
24 Unbekannt.
25 Lyon. - Zu Schertlins Reise nach Frankreich
s. zuletzt Nr. 3181,66. -König Heinrich II. von Frankreich residierte während seiner Herrschaftszeit (1547-1559) lediglich im Jahr 1548 für 40 Tage in Lyon. Ob sich dessen Aufenthalt mit dem von Schertlin überschnitten hat, ist nicht bekannt; s. Monique Chatenet, La cour de France au xvie siecle, Paris 2002, S. 322.
26 Schertlin war zuvor von Heinrich II. aufgefordert worden, ihm die Anzahl der Kriegsknechte anzugeben, mit der er ihm dienen könne; s. Leben und Thaten des weiland wohledlen und gestrengen Herrn Sebastian Schertlin von Burtenbach, durch ihn selbst beschrieben, hg. y. Ottmar F. H. Schönhuth, Münster 1858, S. 70.
27 Johann Georg Grünblatt (gen. Haas), der Bruder von Gasts Frau Apollonia (geb. Glaser). - Er hatte bis Ende 1546 als Pfarrer in Ostheim (Herrschaft Reichenweier) gewirkt und bereits im September 1546 je einen Brief von Gast (HBBW XVII, Nr. 2590) und Matthias Erb (HBBW XVII, Nr. 2580) nach Zürich übermittelt; s. auch (zu den unterschiedlichen Familiennamen von Grünblatt und seiner Schwester) HBBW XVII, Nr. 2580, Anm. 1; Bopp-11297. - Seine Tätigkeit zur Zeit des vorliegenden Briefes ist nicht bekannt. Bezüglich der Umstände seines Fortganges aus Ostheim s. HBBW XVII, Nr. 2580.
28 empfohlen.


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Vale. Plura brevi. Basileae, 20. aprilis 1548. Tuus Gastius ex animo.

Officia Cic [ero]nis c,29 proxime mittam, si videre potero.

[Adresse auf der Rückseite:] Reverendo d. domino Heynricho Bullingero, Tigurinae ecclesiae pastori vigilantissimo. 30