Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[285]

Berchtold Haller an
Bullinger
[Bern],
12. November 1533

Autograph: Zürich StA, E II 343, 23. Siegelspur. -Ungedruckt

Die Reformierten in Solothurn werden als Aufrührer und Meineidige verunglimpft. Nachdem ein vorgeschlagener Waffenstillstand von den Reformierten abgelehnt worden ist, sind die Schiedorte übereingekommen, den Streit ohne Verzug zu schlichten. Den reformierten Vogt von Dorneck, Thomas Krepser, wollte man durch einen Katholiken ersetzen, doch ließ sich Krepser nicht vertreiben. Bern will keinen Krieg beginnen, ist aber gegen einen Angriff oder Durchzug gerüstet. Zürichs Zurückhaltung wird nicht verstanden.

S. Lieber bruder Heinrich.

Der evangelischen sach von Soloturn 1 wirt träffenlich verunnglimpfet, als ob sy uffrürer mitt gwerter gwaltiger hand syind, wie sy dann anfangs thon hend, item meineidig, item si habind die andren wellen mörden, dess aber sy nie imm sinn ghept. Sind beed parthyen hert. Man hett umm ein stand 2 gworben, hend die evangelischen nitt gstatten wellen 3 . Die schidlüt sind teilt, 5 ort, Friburg, Wallis, desß bischoff von Basels botten uff einer siten, Zürich, Bern, Glaris, Biel, Basel, Mülhusen, Schaffhusen uff der ander siten. Weiß nitt, wo Isenhutt 4 von Appenzell statt. Die 5 ort mitt den iren wend sich gottes wort gar nütt annämen, darumm aller span ist. Sind doch ze letst die schidbotten dahin kummen allsammend, die sach dess uffrurs halb ze vertädigen 5 , damitt jederman wider heim und zu dem sinen kumme. Helt man jetz rätt und burger by unß von iretwägen. Weiß nitt, was bschlossen wirt. Burckard 6 wirts vilicht von mund sagen, so ichs imm erfaren mag. In summa die von

1 Siehe Haefliger 166-199 sowie oben Nr. 283.
2 Stillstand, Aufschub. - In der ausweglosen Situation beantragten die Gesandten der Schiedorte am 10. November einen Waffenstillstand, um sich mit ihren Obrigkeiten besprechen zu können (EA IV/1c 195f).
3 Die abschlägige Antwort der Reformierten datiert vom 11. November (EA IV/I c 197).
4 Ulrich Eisenhut (Ysenhut), gest. 1538, Landammann von Appenzell, das er häufig an Tagsatzungen vertrat. Als Gesandter Appenzells
nahm er an den Disputationen von Baden 1526 und Bern 1528 teil. Nach den Kappelerkriegen 1529 und 1531 war er an der Ausarbeitung der Friedensschlüsse beteiligt. -Lit.: HBRG I-III, Reg.; EA IV/1b und 1c, Reg.; Z X 87, Anm. 2; HBLS III 15.
5 schlichten (SI XII 451f).
6 Ein Tuchhändler, der Bullinger wiederholt Hallers Briefe überbrachte, s. oben S. 116, Anm. 3.


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Soloturn in der statt wend dess evangeliums nitt, wäder in ir statt noch land. Die evangelischen sind träffenlich hantlich 7 , aber ich förcht, si werdint mitt dem tädingen matt gmacht. Ze Dornegg 8 ist vogt Thoman Krepser 9 , ein hantlicher evangelischer Soloturner, erst hür hinuss gesetzt. Da hend die in der statt ein nüwen vogt gsetzt, und wie der selb hett wellen uffriten 10 und dem Krepser das schlosß abgfordret, der es nitt hett wellen thun, dann ers nitt verschult hett, und hett der ander müssen abzihen 11 . Also lit Krepser imm schlosß Dornegg mitt sinem zusatz und gutem gschütz, so syd dem Galgenkrieg 12 da ist gsin, und hett bi 400 puren. Werdent all lib und gutt 13 zu den evangelischen setzen, deren noch immerdar by 1300 by enandren sind. Si mögend 14 on alle nott denen in der statt all mülinen abschlahen 15 . In summa: Eintwäders die evangelischen müssend vom globen ston und straff, der schidlüten erkantnus nach, uff sich nämen, oder ich besorgen ein selsamen [!]krieg. Nun hend unser herren in statt und land gschriben der Solothurner handlung, ouch die iren bericht, si wellind mitt nieman kein krieg anfahen. So man aber sy überzihen 16 oder ir landschafft villich mitt gwalt durzihen, sölle jederman gerüst sin. Ist jederman wol zefriden und wol gerüst. So nun die sach nitt mag zertragen 17 werden, acht ich, doch nach hörsagen, die evangelischen werdint ir heil an denen in der statt versuchen, absagen 18 , doch frid zugsagt 19 allen puren, so uss der statt heim zühend und still sitzend. Ich glob, wär nie niemand darzwischend geritten, es wäri langest tädinget. Üch (weiß nitt, waß ir schribend 20 har und manend, man söll in pündt sähen, ir wollind üch erlütret 21 han, an Soloturn dieselben ze halten) verstantt nitt wol und mitt wenigem vertrüwen. Jetz weiß ich nitt me ze schriben. Ich wart mms botten 22

12. novembris, hora 10. antemeridiana anno 33.

B. H. tuus

7 mutig, wacker (SI II 1405).
8 Die solothurnische Landvogtei Dorneck umfaßte die Herrschaften Dorneck, Büren, Seewen, St. Pantaleon, Hochwald und Gempen, s. HBLS II 739f.
9 Thomas Schmid, genannt Krepser, gehörte seit 1519 dem Solothurner Großen Rat an, war 1520 eidgenössischer Vogt in Locarno und 1523 zum ersten Mal Vogt von Dorneck. Er vertrat Solothurn häufig an den Tagsatzungen. Im Genfer Zug von 1530 kommandierte er das solothurnische Hilfskontingent, und er führte im Oktober 1531 die Solothurner Truppen, die das Berner Heer verstärken sollten, ins Freiamt. 1533 wurde er nochmals zum Vogt von Dorneck gewählt. Schmid unterstützte die Reformation in Solothurn von Anfang an tatkräftig. Daß es sich beim hier genannten und noch in Anshelm VI 101 und Blarer BW I 271 erwähnten Krepser tatsächlich um Schmid handelt, belegt ABaslerRef II 122, S. 90. - Lit.: ASchweizerRef I-IV, Reg.; EA IV/1a-1c, Reg.; Haefliger, Reg.; HBLS VI 206.
10 (als Vogt) Einzug halten.
11 Über diese Angelegenheit ließ sich sonst nichts nachweisen.
12 Ende Juni 1531 war es zwischen Basel und Solothurn zu einer Auseinandersetzung um die Gerichtsbarkeit in Gempen, einem seit kurzer Zeit solothurnischen Teil der alten Herrschaft Dorneck, gekommen. Als Symbol der hohen Gerichtsbarkeit hatte Solothurn einen Galgen errichtet, den Basel niederreißen ließ, worauf Solothurn mit einer militärischen Intervention drohte. Der Konflikt wurde am 4. Juli 1531 mit einer eidgenössischen Vermittlung beigelegt, s. EA IV/1b 1058f. 1064-1068; HBRG III 21-25; HBLS III 378.
13 Zur stehenden Verbindung s. SI III 979.
14 können.
15 sperren (SI IX 339f).
16 angreifen (Grimm XI/II 685).
17 beigelegt, geschlichtet (SI XIV 563f).
18 Krieg erklären (SI VII 400).
19 unter Zusagung von Frieden.
20 Zum Antwortbrief Zürichs auf ein Berner Hilfsgesuch s. oben S. 225, 32-35 und Anm. 25.
21 erklärt (SI III 1517).
22 Wohl Burckard (s. oben Anm. 6).


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Perge in Corinthiis 23 . Libellum 24 cum summa gratiarum actione remitto. Utinam et illum de providentia 25 haberem.

[Adresse auf der Rückseite:] Henrico Bullingero, fratri suo charissimo.