Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Martin Bucer an
Bullinger
Straßburg,
11. Juli 1534

Autograph: Zürich StA, E II 347, 128f (Siegelspur) Ungedruckt

Gott hat Frieden gegeben. Die Reformierten in Mömpelgard sind freilich nunmehr den Franzosen ausgeliefert. Bucer erhofft sich Gutes für die Verbreitung des Evangeliums im Herzogtum [Württemberg]. Die Zürcher handeln sträflich gegenüber den Schaffhausern, wenn sie Beat [Gering]zurückrufen. Erasmus [Ritter]kann man in Schaffhausen nicht allein lassen. Bullinger kennt ja die Ränke des Gegenspielers [Benedikt Burgauer]. Er soll, falls es nicht anders geht, dafür besorgt sein, daß der Nachfolger ebenbürtig ist. Jud soll an Bucers Hinweis auf den Wortgebrauch der Kirchenväter nicht Anstoß nehmen. Grüße.

Gratia et pax, Bullingere observande.

Pacem 1 , ut vides, praeter multorum spem dominus nobis dedit, nec sunt nostri 2 Franco aliter obnoxii, quam tenet ille iam Montem Pellicardi 3 . Miseret me quidem horum hominum. Sed ultro oblatum etiam evangelium noluerunt admittere. In ducatu illud etiam optarunt, speroque ibi res feliciter habituras, quantum quidem solet istuc nobis hoc seculo donari. Gallus iste 4 ,

a-b von syncerum bis literarum am Rande nachgetragen.
c darunter von Bullingers Hand: Barptolom. Myllius Biberacensis.
könnten der Goldschmied und spätere Bürgermeister Georg Müller (1504-1567), dessen Stiefgroßmutter Elsy Nythart aus Ulm kam (s. A[drian] Corrodi-Sulzer, Neues aus dem Leben des Bürgermeisters Jörg Müller, in: Festgabe des Zwingli-Vereins zum 70. Geburtstage seines Präsidenten Hermann Escher, Zürich 1927, S. 213f) oder der 1529 in Zürich eingebürgerte Goldschmied Hans Müller von Ulm (gest. 1573) (ebenda S. 238, Anm. 56) sein.
7 Martin Cleß (genannt Uhinger), Kaspar Seiz (Seitz), Hans Barter, Georg Bösch, Hans Mayer und Hans Kächelin (gemäß freundlicher Mitteilung von Herrn Bernhard Ruth, Marburg).
1 den Frieden von Kaaden vom 29. Juni 1534.
2 die Reformierten.
3 Über die Verpfändung der zu Württemberg gehörenden Grafschaft Mömpelgard an Frankreich zur Erlangung der für den württembergischen Kriegszug notwendigen finanziellen Mittel s. oben S. 213, 26-28 und Wille 147.
4 Wohl Guillaume du Bellay, s. oben S. 246, 9f.


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de quo scribis a 5 , vana jactavit de duce 6 . Feruntur tamen conditiones quaedam admodum durae carni, quod nescio quibus rationibus obnoxium sibi principatum rex 7 fecerit 8 .

In Schafhusianos graviter vos Tigurini peccatis, qui Beatum 9 ab illis revocatis 10 , et peccat ille graviter, qui revocari se potitur 11 . Solus enim Erasmus 12 non est satis ibi, et nosti ingenium antagonistae 13 . Si etiam tu aut Leo 14 soli Tiguri essetis, adhuc ministerium multo haberet firmius, quam si Schafhusiae sint Erasmus et Beatus. Te per Christum oro, fac, mutetur hoc consilium, aut si omnino ita fieri necesse est, ut Erasmo alium collegam detis, et eum non quemlibet, sed gravem, syncerum, candidum, eruditum 15 . His profecto in hac republica opus est.

Optimo et pientissimo Leoni me commenda, quem oro ne offendat, quod sensu bono patres usos quibusdam vocibus ostendere conatus sum 16 . Ego illis nec uti volo nec, ut alii utantur, docere. Simplicitas et mihi summe placita, maxime || 129 in praesenti seculo sic spinoso. Unum hoc specto, ne videamur dissentire a priscis illis sanctis, ubi tamen ipsi senserunt pie.

Optime valete. Spero Antronios vestros 17 nunc habituros modestius. Commenda me sancto viro Pelicano ac dic, quod eius cognatus 18 apud me

a de quo scribis am Rande nachgetragen.
5 Bullingers Brief ist nicht erhalten.
6 Herzog Ulrich von Württemberg. Dieselbe Aussage machte Ambrosius Blarer am 8. Juli, s. oben S. 246, 10-13.
7 Ferdinand I.
8 Bucer denkt wohl an die von Ferdinand I. durchgesetzten Bedingungen der Afterlehenschaft, s. oben S. 221, 30-33 und Anm. 22.
9 Beat Gering.
10 Gering wurde als Nachfolger Karlstadts an die Pfarrstelle zum Spital in Zürich gewählt, s. die beiden Briefe Gerings vom 13. Juni (oben Nr. 394) und 1. Juli (oben Nr. 403).
11 Als Helfer der beiden verfeindeten Schaffhauser Pfarrer Ritter und Burgauer fühlte sich Gering unglücklich und war gern bereit, nach Zürich zurückzukehren, s. die erwähnten Briefe Nr. 394 und 403.
12 Erasmus Ritter.
13 Benedikt Burgauer, der mit seinem kämpferischen Charakter und seiner lutheranisierenden Haltung beständig Anlaß zum Streit gab.
14 Leo Jud.
15 Gerings Nachfolger war der St. Galler Sebastian Grübel, der jedoch unter der Feindschaft zwischen Ritter und Burgauer
genauso zu leiden hatte, s. Grübel an Vadian, 14. Oktober 1534 (Vadian BW V 191) und 9. Juni 1535 (Vadian BW V 224) und Wipf 309.
16 Wahrscheinlich bezieht sich Bucer auf eine Äußerung Juds in dem an ihn gerichteten Brief vom 27. April 1534 (Straßburg, Stadtarchiv, AST 40, Nr. 25, 575-580): Jud zeigt sich beunruhigt darüber, zu welch unterschiedlichen, ja sich widersprechenden Stellungnahmen man unter Berufung auf Augustin etwa gelangen kann. Anlaß zu Juds Bemerkung gaben wohl Bucers Exkurse über die Stellung der Kirchenväter zu den Sakramenten Taufe und Abendmahl im «Bericht auß der heyligen geschrift» (s. etwa BucerDS V 204-208. 242-246), womit die Ansichten der Straßburger Theologen gegen jene der Täufer unterstützt wurden.
17 Entweder meint Bucer mit diesem Spottnamen (s. HBBW II 88, Anm. 3) die gegenüber der Reformation skeptisch und distanziert gebliebenen Zürcher oder wie üblich die Katholiken in den V Orten.
18 Vielleicht Pellikans Schwager Johannes Fries, der aber erst 1535 aus Paris zurückkehrte; vgl. dazu den Brief Konrad Geßners aus Straßburg vom 27. Dezember 1534 (unten S. 459, 33-36).


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non fuerit, praestiturum alioqui illi, quicquid in rem eius potuissem. Saluta meis verbis d. Bibliandrum, Collinum, Fabritium ac reliquos.

Argentorati, 11. iulii 1534.

M. Bucerus

tuus ex animo.

[Adresse darunter:] Pientissimo, doctissimo et vigilantissimo Tigurinorum episcopo [Hein]rycho b Bull[ingero]c , fratri char[issimo]d .