Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[533]

Peter Rümeli an
Bullinger
Frauenfeld,
19. Februar [1535]

Autograph: Zürich StA, E II 377, 2722 (Siegelspur) Ungedruckt

Dankt für die bisherige Hilfe. Er möchte das Pfarramt des von Kempten [Allgäu]wegziehenden Veit [Kappeler]übernehmen, das ihm von Paul Rasdorfer und Jakob Haistung angeboten wurde, denn er kann ohnehin nicht in Frauenfeld bleiben, da er mit dem Priester [Michel von Usigen] nichts zu tun haben will; bittet Bullinger, ihm zu raten und die Sache, wenn nötig, dem Rat anzuzeigen.

Salutem a domino per Christum.

Besunder lieber herr und bruder, üweren guten willen gegen mir han ich nit allein mit fründtlichem zusprechen 2 , sunder mit der that jetz lang wol verstanden und erfaren 3 , darumb ich ouch dester unerschrockner üch jetz umb radt darff anrüffen und vätterlichen hilf begären.

Mich ist jetz an mitwoch nächstverschinen 4 von den predicanten von Kempten 5 , uß bevelch irer herren, angelanget, ich söll unverzogenlich hinuffkomen, und bin von Meister Paulo Raßdörfer, minem lieben mitbruder 6 , mit söllichen worten berüft: "Lieber bruder Peter, es ist unser mitbruder Vitus 7

6 Theodor Bibliander.
7 Johann Jakob Ammann.
8 Rudolf Collin.
9 Leo Jud.
1 Das Jahr ergibt sich aus der Tatsache, daß Veit Kappeler (vgl. unten Z. 9-11 und Anm. 7) Kempten 1535 verließ (vgl. HBBW III, S. 81, Anm. 16).
2 Briefe Bullingers an Peter Rümeli sind nicht erhalten.
3 Wahrscheinlich hatte Bullinger Rümeli schon geholfen, als dieser 1533 in Zurzach in Schwierigkeiten geraten war (vgl. HBBW III, S. 135-137. 161f).
4 17. Februar 1535.
5 Kempten im Allgäu (Bayern).
6 Wie Peter Rümeli war auch Paul Rasdorfer im Jahre 1532 aus dem Glarnerland vertrieben worden (vgl. HBBW II, S. 108, Anm. 14, und III, S. 135, Anm. 1).
7 Veit Kappeler zog 1535 ins württembergische Kirchheim (vgl. Gustav Bossert,


Briefe_Vol_05_112arpa

berüft ins Wirtenbergerland, hat von minen herren ein urloub 8 begert, und ist ime vergünnt 9 worden. Demnach ist uns empfolchen, nach einem anderen zestellen, der in leer und wandel uns sich verglichet. So han ich dich minem bruder, M. Jacobum Haistung anzeigt. Der laßt dich im wol gefallen. Uff söllichs ist an dich unser bitt und begären, du wollest dich unverzogenlich heruß verfügen, so wellend wir dich one zwifel hiehar bringen etc."10 Diewyl nun ich mit guter conscientz jetzmal von Frowenfeld, will ich kein anderen an min stat weiß, mins bedünckens nit mag stellen, ist min bitt und begär an uch, mir zeradten und hilflich zesin, darmit ich ouch ein heimwesen 11 möcht überkomen 12 . Dan ich besorg, nach Joannis 13 werde ich nit wyter platz ze Frowenfeld han, wyl der meßpfaff 14 , pfarrer daselbs, gwalt hat mit sampt dem landtvogt 15 , wie er sagt, inen ein prediger zestellen, der ime gfalle. Und wie wol er a mich hat wellen zu einem helfer dinggen 16 und selbs in der kilchen mundlich mit mir geredt, hab ich im nüt wellen zusagen, mit im gar nüt zeschaffen han und weder sin helfer noch prediger sin oder genampt werden b , ouch von im nüt höuschen 17 noch inzühen, heiter 18 der gmeind anzeigt. Wo ich nun widerumb nach Joannis müst gen Zürich und sötte vylich minen g[nedigen] herren 19 unwerd sin umb des willen, das ich nit ein geborner eidgnoß bin 20 und sötte aber jetz das früntlich brüfen ouch abschlahen, möchte mir zu grossem schaden reichen. Bitt üch also, ir wellet mir trulich radten, als ich gar kein zwifel trag. Ir mögend ouch söllichs, wen es uch nutz und gut dünckt, minen g. herren anzeigen, ob sy vilicht ein anderen hiehar an min stat verordnen 21 wettind oder mich, wo ich one schuld vertriben, wider vätterlichen als ein ander land kind versehen, so wet ich kein gfar oder vertriben förchten. Ich kan ouch noch bißhar keinen unwillen minethalben nit spüren, got sye lob.

Datum Frowenfeld, 19. februarii.

Petrus Rimelin, alzit uwer

williger diener.

[Adresse auf der Rückseite]: Dem wolgelerten, ersamen und frumen Meister

H. Bullinger, trüwen diener des wort gottes Zurich, sinem lieben herren.

a er über gestrichenem ich.
b oder genampt werden übergeschrieben.
Württembergisches aus dem Briefwechsel des Ambr. und Thom. Blarer, in: BWKG 13, 1909, S. 157).
8 Entlassung (vgl. SI III 959f).
9 zugestanden (SI II 334).
10 Das Kemptener Schreiben an Rümeli ist nicht erhalten.
11 ein fester Wohnort, [eine Bleibe] (vgl. Grimm IV/II 884).
12 bekommen (SI III 271f).
13 24. Juni.
14 Michel von Üsigen (vgl. unten Nr. 535, 3 mit Anm. 3).
15 Christoph von Sonnenberg aus Luzern, eidgenössischer Landvogt im Thurgau.
16 anstellen (SI XIII 547-550).
17 fordern (SI II 1754f).
18 klar, offen (SI II 1769f).
19 dem Zürcher Rat.
20 Rümeli war schon 1532 als "fremder Prediger" aus dem Glarnerland vertrieben worden (vgl. Gottfried Heer, Kirchengeschichte des Kantons Glarus. Kap. III: Die Reformation, Glarus 1900, S. 140. 146).
21 bestimmen, verfügen (SI I 440).