Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[634]

Die Pfarrer von Schaffhausen an
die Pfarrer von Zürich
Schaffhausen,
[28.]1 August 1535

Autograph von Erasmus Ritter: a Zürich StA, E II 337, 107 (Siegelspur) Gedruckt: QGTS II 93

Als sie in ihrer Streitsache mit dem [täuferischen] Goldschmied [Rosenbaum], nach anfänglichem Widerstand des Bürgermeisters von Waldkirch, zum Rat vorgelassen wurden und eine Disputation verlangten, wurden sie von ihrem Gegner erneut beschimpft; sie halten -obschon Vermittler eingesetzt wurden - an ihren Forderungen nach einer Disputation und nach einem Gerichtsverfahren fest.

Gracia et pax a deo etc.

Lieben und getruen brieder, mir habent nach eurem radt 2 ankert 3 unsere oberen und für sy pegert durch burgermeister Waldkilch 4 , welcher uns nit hatt wellen audientz geben 5 , aber doch unser widerpart 6 gantz guetiklich verhört, ouch uns nit wellen für radt zukhomen lassen, pyß das er vorhin den handel 7 selbs fur radt pring. Uff sollichs ist uns und dem goltschmid verkhindt uff 28. augusti 8 . Haben mir b pegert ain offen gesprech, darum vil ursach 9 angezeigt.

a Am oberen Briefrand ein nicht zu diesem Stück gehörender Vermerk von späterer Hand.
b mir über gestrichenem min.
1 Vgl. unten Anm. 17.
2 Erasmus Ritter war am 21. August 1535 in Zürich (vgl. QGTS 1195).
3 bittend angegangen (SI III 438).
4 Hans von Waldkirch, von Schaffhausen, gest. 1547, Sohn des früheren Bürgermeisters Konrad von Waldkirch, war seit 1524 im Kleinen Rat, versah zahlreiche Vogteien und amtete von 1532 bis 1547 als Bürgermeister. Er profilierte sich bei der Behandlung von kirchen- und schulpolitischen Fragen und scheint mit Täufern und Täufertum sympathisiert zu haben. Als Gesandter war er an den Verhandlungen zum ersten Helvetischen Bekenntnis 1536 in Basel und 1540 bei der Vermittlung im Streit zwischen Rottweil und dem Herzog von Württemberg beteiligt. Als er 1547 im sogenannten Herrenstubenstreit den Bürgereid verweigerte und zusammen mit anderen Adeligen nach Rheinau auszog, wurde er seines Amtes als Bürgermeister enthoben.
Hans von Waldkirch war mit Gertrud Grebel aus Baden (Kt. Aargau) verheiratet. Von ihm ist ein Brief an Bullinger überliefert (unten Nr. 681). — Lit.: Karl Schmuki, Steuern und Staatsfinanzen. Die bürgerliche Vermögenssteuer in Schaffhausen im 16. und 17. Jahrhundert, Diss. phil. Zürich 1988, S. 528f; Im Thurn und Harder, Chronik der Stadt Schaffhausen, Schaffhausen 1844, Reg.; QGTS II 48, Anm. 3 (vgl. auch Reg.); Rüeger II 1054f, Anm. 4; HBLS VII 366.
5 Erasmus Ritter und Benedikt Burgauer sprachen am 24. August bei Bürgermeister von Waldkirch vor (vgl. QGTS II 95f).
6 Lorenz Rosenbaum (vgl. unten Nr. 644, Anm. 6).
7 Der täuferische Goldschmied Lorenz Rosenbaum, Mitglied des Großen Rates in Schaffhausen, hatte die Pfarrer beschimpft; zum Verlauf der Auseinandersetzung vgl. auch Anm. 17 und unten Nr. 644.649.681.
8 Am 27. August 1535 hatte der Rat u. a. beschlossen, die beiden Parteien anzuhören (vgl. QGTS 1196).
9 Gründe.


Briefe_Vol_05_333arpa

Ist unser widerparthy dargstanden 10 und hatt uns noch vil ubler weder 11 vorhin gescholten. Daruber solche schwäre handlung habent si lütt 12 verordnet, den handel gutlich ab dem weg zu thun. Mir aber habent uns protestiert, khein andere gietigen handlung wellen annemen, dann allain vorpehalten das offentlich gespräch, ouch gegen dem goldschmid das recht. Also send mir abgescheiden 13 . Das weltent mir euch nit verhalten. Aber mir khinden wol abnemen 14 , das der goldschmid großen vorschub 15 hat. Pittent euch, wellent uns c eur gutbedunckhen und radt 16 uff das peldest zu wissen thun.

Datum Schaffhusen, [28.]augusti 1535 17 .

Fratres, qui Scaphusie Christi euangelion

adnuncciant.

[Adresse auf der Rückseite:] Prestantiss[imis] pariter et doctiss[imis] fratribus, pastoribus d et lectoribus Tigurine ecclesie.

c nach uns gestrichenes uns.
d vor pastoribus steht ein unnötiges qui sowie ein unlesbares, gestrichenes Wort.
10 vorgetreten (SI XI 739f).
11 als.
12 Die am 28. August 1535 eingesetzte Kommission bestand aus Zunftmeister Hans Stierlin, Bürgermeister Hans Ziegler, Bürgermeister Hans von Waldkirch, Zunftmeister Hans Spießegger und Zunftmeister Martin Peyer (vgl. QGTS II 96f).
13 so sind wir verblieben (SI VIII 237f).
14 ersehen.
15 Förderung, Beihilfe (SI VIII 84f).
16 Ein Brief der Zürcher traf am 6. September 1535 in Schaffhausen ein, wie die Schaffhauser an diesem Tage bestätigten (vgl. unten Nr. 644, 2-4).
17 Ritter datiert: 18. August 1535. Der Briefinhalt weist jedoch auf den 28. August als Abfassungsdatum. Nach einem
Bericht von Sebastian Grübel (QGTS II 94-96; auch Vadian BW V 244-246) nahm der Konflikt am 20. August 1535 seinen Anfang. An diesem Tag beschwerten sich die Pfarrer vor dem Rat über böse Nachreden, worauf sich Rosenbaum zu seinen Äußerungen bekannte und die Pfarrer offen beschimpfte. Der Rat vertagte das Geschäft, um die Rückkehr von Bürgermeister von Waldkirch aus Baden abzuwarten. Die Pfarrer schickten tags darauf Erasmus Ritter nach Zürich und erhielten von ihren Zürcher Kollegen den Rat, die Durchführung einer Disputation zu verlangen (vgl. QGTS II 95). Diese Forderung konnten sie in der Ratssitzung vom 28. August vorbringen; als Rosenbaum an dieser Sitzung erneut ausfällig wurde, setzte der Rat eine Vermittlungskommission ein (vgl. oben Anm. 12). Der Brief vermittelt diesen Stand der Auseinandersetzung.