Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[761]

Matthias Hirsgarter und
Heinrich Lüthi an
die Examinatoren in Zürich
[Winterthur,
kurz nach 8. März 1536]

Autograph Hirsgarters: Zürich StA, E II 441, 67 (Siegelspur) Ungedruckt

Wie verlangt, stellen sie Heinrich Stoll ein Zeugnis aus; dieser, seit drei Jahren in Winterthur ansässig, ist ein ehrbarer, frommer und bildungsbeflissener Mann.

Gnad und frid von got etc.

Fromm, eersam, wyß, günstige, lieb heren, diewyl der heilig Paulus gar ernstlich anzeigt, wie der sol sin, der zu eim pfarer erweit sol werden, daruss in eim eersamen synodo ouch nach der selbigen leer Pauli beschlossen ist und von unsren gnädigen heren bestättet 3 , das keiner sol angnommen werden zu einem predicanten, er hab dan vorhin gnugsame anzeigung sines wandels 4 und läbens, das er eerlich 5 geläbt hab 6 . Heruff ist an uns angelangt von her Heinrich Stoll (der ein her und apt zu Fischingen ist gsin, jetz uff drü jar by uns gewont ze Winterthur), das wir im (als vil uns ze wüssen sye und mit der warheit könnind von im reden) zügnuss gebind. Hierumm tringt uns brüderliche liebe, ouch die warheit, im sines wandels zügnuss ze gen, wo 7 er hernach erfordret wurd zu einem diener göttliches worts, das man wüss, wass sin thun und lan 8 sye gsin. Und gebend im also zügnuss: Als lang er by uns ist zu Winterthur gsin, ist er gantz fridlich, züchtig, eins eerbren 9 wandels gsin, wol gehaltten uff got und sinem wortt, sich ernstlich gflyssen, an 10 underlass gottes wortt zefürdren, ja gottes wort alle tag zehören, ja ouch ernstlich geläsen etc. In summa, als vil uns zewüssen ist mit gutter conscientz, wüssend wir an im nüt zescheltten an sinem thun und lassen, das einem hirtten nit wol anstand,

1 Das sechs Mitglieder zählende Examinatorenkollegium setzte sich aus je zwei Pfarrern, Gelehrten und Räten zusammen (vgl. dazu AZürcherRef 1899, S. 828, und Bächtold, Bullinger vor dem Rat 46-52 mit Anm. 36). Bullinger und Leo Jud vertraten in diesem Gremium die Pfarrerschaft (s. unten Nr. 850, 4-6).
2 Der Brief ist demjenigen Heinrich Lüthis vom 8. März 1536 (Nr. 760) nachzustellen. Aufgrund jenes Empfehlungsschreibens wurde wohl das vorliegende Zeugnis angefordert. Stoll wurde im Juni 1536 auf die Pfarrei Laufen gewählt (vgl. unten Nr. 850).
3 Vgl. die Beschreibung der Anforderungen an den Pfarrer in der vom Grossen
Rat am 22. Okt. 1532 erlassenen Prädikanten- und Synodalordnung (AZürcherRef 1899, S. 829-833), wo auf Stellen wie 1Tim 3, 1-12 und Tit 1, 5-9 Bezug genommen wird.
4 seines sittlichen Verhaltens (Grimm XIII 1534f).
5 anständig (SI I 393f).
6 Zum Wahlverfahren, das die Überprüfung des Lebenswandels eines Kandidaten durch die Examinatoren verlangte, s. AZürcherRef 1899, S. 827f.
7 falls.
8 lassen.
9 ehrbaren.
10 ohne.


Briefe_Vol_06_164arpa

ist ouch nit wyt schweiff 11, hatt kein böß oder uneerlich gselschafften. Das ist uffs kürtzest die zügnuss, die wir im gend.

Mathias Hirsgartter,

Heinricus Lüty,

diener des worts zu Winterthur.

[Adresse auf der Rückseite:] Den wolgleertten, ersammen und wysen examinatoribus zu Zürich etc.