Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[852]

[Johannes Bullinger] an
Bullinger
[Ottenbach,
kurz nach 24. Juni 1536]

Autograph: Zürich StA, E II 441, 88r.-v. (Siegelspur) Ungedruckt

Hat Geld und Brief(e) erhalten. Bei einem Besuch in Jonen am 24. Juni hat ihm [...]Bechli zugesichert, ihn über ein [Verkaufs-]Angebot Durs Hofmanns rechtzeitig zu unterrichten. Für Jörg [Stadler?]wird es wohl zu teuer sein; er schuldet 600 Gulden. Ein unbekannter Zuger hat Johannes Bullinger wegen seiner Predigten bedroht, doch macht er sich nichts daraus. Auch den Vorschlag, für das Zehnfache seines Gehalts aufsein Amt zu verzichten, hat er abgelehnt. Auftraggeber ist vermutlich [Heinrich] Schönbrunner, der ihm bei seinem gestrigen Besuch einreden wollte, wenn man [verbotenerweise als Söldnerführer den König [Franz I. ] unterstütze, komme dies den Eidgenossen zugute. Der Briefüberbringer hat [Heinrich] Utinger etwas zu berichten.

Salus a Christo.

Lieber bruder, gelt und brieff ist, sindt mir worden 2 . So bin ich Ioannis 3 zu Jone 4 selbs bim Bechli 5 gsin. Hat eer grett, er wel tag erwerben söl gar on sorg sin. So im Durß Hoffman 7 anbuyt 8 , wel er mir ouch botten schicken. Ist gutt man 9 mit mir gsin. Obiter. Ich wil gut sorg han etc.

Morn wil ich zum vogt 10 und die saach erfaren. Wit es Jorgy 11 kuffen, wirdt im ze thür sin; han etwan von im anstanden 12 600 gI.

Witter kan ich dyr nuit nuws schriben, dan ich nienen 13 hin kum, dan das mir zwu warnungen sindt kon, ich söl mich wol verwaren 14 . Es hat mir einer

1 Der Briefschreiber berichtet über semen Besuch in Jonen an einem 24. Juni (s. Z. 2f). Ein Hinweis auf das Kaufgeschäft, von dem hier die Rede ist, findet sich in einem weiteren Brief, der offenbar im Sommer 1536 geschrieben wurde (s. unten Nr. 856 mit Anm. 1). Für 1536 sprechen auch die Briefstellen, die sich auf die Auseinandersetzungen um den französischen Solddienst beziehen (s. besonders Z. 17-19). Außerdem kann der Brief kaum nach dem Tod Heinrich Utingers geschrieben worden sein (vgl. Z. 21).
2 Ein entsprechender Brief Heinrich Bullingers an seinen Bruder ist nicht erhalten; mit Brief kann allerdings auch eine Urkunde gemeint sein (vgl. unten Nr. 856, 13 mit Anm. 20).
3 24. Juni.
4 Jonen (Kt. Aargau).
5 Unbekannt.
6 Aufschub erreichen (Grimm XI/I 1 46). Durs Hofmann, von Bremgarten, wird
bereits 1504 als Besucher des Zürcher Freischießens genannt. 1514 gehorte er dem Rat seiner Vaterstadt an. 1529 war er unter jenen, die Bullingers Vater wegen seiner reformatorischen Gesinnung aus dem Amt drängten. — Lit.: Glückshafenrodel I 164, 53. 72; Urkunden und Briefe des Stadtarchivs Mellingen bis zum Jahre 1550, bearb. v. Heinrich Rohr, Aarau 1960. —Aargauer Urkunden XIV, Nr. 346; HBRG 1160.
8 ein Angebot mache.
9 freundlich, leutselig (SI II 535).
10 Unbekannt.
11 Gemeint ist wohl Georg Stadler, ein Vetter von Heinrich Bullingers Ehefrau Anna Adlischwyler (vgl. die Bemerkung über seine Verwandtschaft mit Bullinger unten Nr. 856, 11).
12 als Schuld ausstehend (SI XI 610).
13 nirgends.
14 vorsehen.


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getroyt 15 , den hals ab zu stechen. Kan nit erfaren, wer er ist, doch sol er uß Zuger piet 16 sin, und das von mines predigens wegen etc. Nihili facio.

Ouch hat der tüfel sine botten. Es ist an mich kon einer von Meerischwandt 17 und mit umstenden 18 gfragt, ob ich mit gutt und gelt sig zu bewegen, von minem furnemen za stan 19 . Es sig nit der minst 20 eidgnoß, der minen beger anweg 21 . Doch zuledst botten 10 söldt 22 . Han ich im ein fruntliche anwart 23 geen und danckat mit bescheidnen wortten, doch das er nit mee kon wirdt. Kan nit erfaren, wer er sig. Mein a24 , der Schönbrunner, der gester by mir gsin ist vast 25 fruntlich, und wie mir sölich gfal, ob nit dem kung sol billich helffen 26 , darmit es nach nit an uns gang 27 . Nit witter mir dacht. Sin handel weist wol 28 etc.

||88v. Disen junglig 29 schick in das Utigers huß 30 , und was hupscher red eer thann werdt 31 [E]in b anderen brieff schick mir.

[Adresse darunter:] An M. Heinrich Bullinger, sinen lieben bruder, zu Zürich.

a kann auch als Inein gelesen werden, was aber keinen Sinn ergibt.
b Erster Buchstabe beim Öffnen des Siegels teilweise beschädigt.
15 gedroht.
16 Gebiet.
17 ein Unbekannter aus Merenschwand (Kt. Aargau).
18 umständlich.
19 mein Vorhaben aufzugeben (der Kontext legt nahe, daß vor allem das öffentliche Auftreten gegen fremde Solddienste gemeint ist).
20 ein nicht unbedeutender.
21 der meinen Abgang wünsche.
22 (hat er) zehn (Monats-)gehälter geboten.
23 Antwort.
24 ich vermute.
25 sehr (SI I 1111f).
26 ob er nicht richtigerweise (als Söldnerhauptmann) König Franz I. (gegen Kaiser Karl V.) unterstützen solle.
27 Für den Fall eines kaiserlichen Sieges befürchtete man einen Angriff auf die Eidgenossenschaft; vgl. unten Nr. 856, 4-7.
28 Schönbrunner hatte die kaiserliche Partei der Bestechung bezichtigt, nachdem man ihm verboten hatte, französische Dienste anzunehmen; s. EA IV/1c 707.
29 Unbekannt.
30 zu Heinrich Utinger.
31 etwa im Sinne von: er hat Bemerkenswertes zu berichten.