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Ausfertigung von Rudolf Gwalther a : Bern StA, A V 1455, Nr. 78 (zwei Blätter) und Nr. 112 (drittes Blatt)(ohne Siegel) Ungedruckt
Haben das vom Berner Rat nach den Verhandlungen mit Capito und Bucer abgefaßte Dokument gelesen und begrüßen die ausdrückliche Bestätigung der bisherigen Lehrgrundlagen. Da man sich aber damit nicht begnügt hat, mahnen die Zürcher zu Einigkeit in der Lehre vom Abendmahl. Die Klarheit und Einfachheit der bisherigen Lehre kommt der Kirche zugute und gefällt Gott. Wie das Beispiel der Bundeslade zeigt, straft Gott die Geringschätzung, aber auch die Überbewertung des Sakraments. Nur in Einigkeit kann die Kirche Bestand haben, wie Paulus lehrt und die Erfahrung zeigt; da Streit unter den Pfarrern, wie er vor allem durch Änderungen der Lehre entsteht, die Gegner ermutigt und den Gläubigen Anstoß bereitet, bitten sie dringend, von Neuerungen abzusehen. Auch sollen die Berner Pfarrer beim Rat darauf hinwirken, daß inskünftig gemeinsam vorgegangen und zunächst die von Melanchthon angekündigte Antwort Luthers abgewartet wird; nachdem im Vorjahr bereits fünf Tagungen in dieser Sache stattfanden, ist für den Augenblick genug getan. Dieses Ansinnen ist keine Einmischung: Auch die Zürcher selbst halten sich an diese Grundsätze und sind, wie die beiliegende Briefkopie beweist, von Bern dazu aufgefordert worden; auch zwei Abschiede vom Vorjahr besagen, daß ohne Rücksprache nichts am Bekenntnis geändert werden soll. Solange dieses nicht widerlegt wird, ist dem Frieden am besten gedient, wenn man unbeirrt daran festhält und niemanden verwirft, der es gelten läßt.
Gnad, frid und barmhertzigheit durch unsern herren Jesum Christum sye
mitt üch, lieben brüdern.Briefe_Vol_07_311 arpa
Wir habend mitteinandren geläßen die bekandtnus, die ein eersamer kleiner und großer radt zu Bernn herren doctorn Capito und Martino Bucero b 2 ergangner under üch handlungen halben gegäben hatt . Und sind mitt üch wol zefriden, das ir stiff 3 by gottes wortt und in disem wolbegrünter 4 uwer disputation 5 und allgemeiner confeßion, zu Basel gestelt 6 , blibenn sind und üch häll erlütert 7 , fürohin in der kilchen zu Bernn zu leeren, wie sich gebürt, insonders aber zemyden 8 die ungebrüchlichen wort wäsenlich, lyplich, natürlich, übernatürlich, unsichtbarlich, wunderbarlich, fleischlich und unußsprechenlicher wyß 9 . Zu dem, wenn die tropischen reden fürfalend 10 und insonders des sacraments des herren nachtmols angezogen 11 , das dann c angendts 12 sy ouch ußgeleit werdint nach bruch und verstand des synodi der d kilchen zu Bernn e 13 .
Wenn es nun einfalt 14 by sömlicher 15 antwort geplyben were, hette es f unns ouch baaß 16 mögen erfröwen. Diewyl ir üch aber ettwas wytter habend yngelaßen mitt den brüdern von g Straßburg, das villicht mitt der zitt ouch andren h anlas gaben möchte, ettwas wyters yntrags und antzugs zethun 17 , dardurch wir mitt der zitt von unser confeßion ettwas wyter abgefürt möchtend werden 1 , ist unser aller brüderliche, hertzliche und trungenliche pitt an üch, ir wellind dis unser schriben, das gewüß uß trüwen beschicht, mitt liebhabenden hertzen von uns empfahen und für das erst üch flissen, das ir wol von ein andren für gut habind 18 , ein andren in trüwen liebind, nitt zweyspeltig imm verstand 19 werdint k , zusamen stimmend und einmündig
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mitt ein andren üwerm entschluß und enbietten l nach 20 von m dem heiligen nachtmol leerind n .
Ir wüßend, lieben brüdern, was heyterer 21 bescheid in allen dingen vermag, item was heitere warheit in der kilchen gottes vermag. Der geist gottes, der ein liecht ist und innerlich zücht 22 und leert, one des ynsprechen alles ußer 23 leeren vergäbens ist o , leert hecht in hertzen, haßet dunkle 24 . So statt es also, das der leerer allweg 25 meer frucht schafft mit einfalter heytere dann mit verborgnem fürtrag 26 . Der leerer ist ouch by der hälle gehertzer 27 , und die gantz kilch bestadt by der heitere dapferer; dann sy weist 28 und verstadt, woruf sy gründt. Es falt ouch das heimlich urteil aller glöubigen hertzen der einfallten warheit zu 29 . Nun aber habend ir und wir bißhar mitt gottes hilf heiter und kurtz von dem handel des herren nachtmol geschriben, geleert und gepredget. Niemans ist under denen, die sust nitt widerwertige und nidige 30 hertzen p wider die q warheit Christi habend, der uns nitt verstanden habe und ouch mitt kurtzen worten selbs r sagen könne, was das sacrament sye, warumb es ingesetzt s und was sin frucht und bruch sye. Dorumb laßend uns || rächt also in unser einfaltigheit, die gewüßlich unserm herren gefallt, bestendig und einmütig fürfaren. Der herr ist doch in mitten under uns.
Die Israeler gabend der arch gottes 31 , die ein fürnemm sacrament was, ze vil zu und sprachend: "Laßend die arch har ins läger bringen, uff das t sy uns redte von der hand unser vinden" [1Sam 4, 3]. Darumb sy inen aber nitt geben was, sonder zum zeichen, das gott welte under inen sin, wenn sy sinen pundt hieltend. Diewyl sy nun iro sacrament zvil zugabend, straft sy gott 32 . Und darnach u , alls sy zuwenig darvon hieltend, straft sy gott nach rüher 33 . Ir aber, lieben brüder, habend wol gelernt, das wort gottes recht fürschniden 34 , das ir weder zu vil nach zu wenig daran thundt. Vil klagend wol, man weihe zu wenig an die sach thun, und irrt man aber nitt weniger, wenn man zu vil dran thut.
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Was nun einigheit in guttem vermög, ist üch wol wüßend, sidmal kundbar 35 36 ist das , sy ouch by bösen und in argen sachen vil und nun zuvil vermag. Der heilig apostel Paulus spricht: "Ich bitten üch, lieben brüdern, durch den v nammen unsers herren Jesu Christi, das ir all einerley redint und nitt zwyspelt under üch syend, sonder das ir syend ein gantzer lib, eines gmüts und einer meinung"[1Kor 1, 10]. Und an einem andren ortt spricht der selb Paulus: "Ist yenan 37 ein trost in Christo, ist yenan ein ergezligheit 38 der liebe, ist yena ein gmeinsame des geists, ist yenen ein gruntliche, hertzliche erbermbd, so gönnend mir der fröuden, das ir glyche hertzen gägen andren tragind, ein andren lieb habind, einmüttig syend und das ir einerley meinung habind, das nützid under üch beschach durch gezengg und ytele eer; sonder schetze ye einer den andern mitt demuttigem hertzen fürnemer dann sich selbs, und sehe nitt ein yetlicher uff das sin, sonder uff anderer eer und heil" [Phil 2, 1-4]. Ir wüssend, was der heid spricht: Durch einigheit wachsend kleine ding und werdent groß, durch uneinigheit werdent ouch große ding ze nüty gepracht w 39 . Das uns dienern des worts der kilchen Zürich gott noch allweg in einigheit behept 40 und wir wol von einandren vergutt habend 41 , einandren nitt verachtend, sonder für x lieb und werd habend, hallt uns mengen 42 sturm uff, macht uns vil fridens und ander lüten mitt unns. Wo uneinigheit ist, mag ghein kilch y beston. Söltend ir diener amm wort nitt von ein andren wellen für gutt haben, ein andren nitt wellen für z lieb und werd haben, mögend ir wol gedenken, das es nitt allein wurde by üwer uneinigheit bliben. Die parthyen strekend sich uuß in radt und in die gmeind in statt und uff land. Was beschicht dann? Die widerwertigen empfahend ein hertz 43 , die ungehorsamen hoffend uffgang alles mutwillens, die bäpstischen ver-||heißend innen 44 ufgang ires antichristischen rychs. Sy sagend: "Eho, die buwlüt am thurn Babylon verstond ein andren nitt mee 45 . Die sach will gut werden. Sy werdent sich selbs one schwertschlag zerstören. Laßend machen, laßend machen." Hie wirt der nammen gottes und das heilig evangelium geschmecht, und das zitt, das man solte wol anlegen mitt predgen und vermannen 46 zu warer hofnung und unschuld, zu rächtem glouben und bestand in allem guten, item das man abstande von ungöttlichen aa läben und
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Christo dankbar were ab das zitt alles wirt ac , verderpt und verzeert mitt kyben 47 , haderen, kempfen, versetzen 48 und verantworten. Da ist dann kein liebe noch friden in hertzen weder der leerenden ad nach zuhörenden. So doch gott ein gott des frides ist 49 und sust gnug fyenden gottes vorhanden sind, wenn wir schon eins werend und trüwlich wider die selben strittend. Ellend ists, so die diener, die eins herren diener sind, mitt einandern kämpfend und in denen dingen, in denen sy vor 50 mitt gott wol eins warend. Darzwüschen stand die guthertzigen schäflin Christi in gfaaren. Sy werdent getrent und schwerlich verergert 51 ; die schwachen werdent in den kempfen gar zu rugg 52 getriben ae und zu grund gericht. O was schwerer straff tröwt der herr denen, die ergernuß gäbend 53 ! Wie wol wir nun hoffend, es bedörf für dis mal by üch, lieben brüdern, nitt sömlicher af vermannung zur einigheit, in bekandter warheit zu predgen ag , sind doch die zitten so gfaar 54 und gadt der tüfel so ernstlich herumb 55 , die kylchen zutrännen, das wir vermeindt, dise ah unsere vermanung werde ir frucht mitt der tzitt wol bringen. Und zwaren bringt nüt mee unwyllens und uneinigheit in den kilchen, dann so man ander und ander formen ze leeren gebrucht, jetzund also handlet, bald grad imm selben ein enderung machet. Dorumb sind umb gottes willen gepätten, allweg in der warheit einfaltiglich und rychtig, ouch einmündig für ze faren, üch aller nüwerungen nützid beladen 56 etc.
Demnach begärend wir an üch und bittend ouch, ir wöllend hierin arbeitten und, ob es zu statten keme, an einer eersamen oberkeit zu Bernn ai verschaffen und vermögen, das fürohin in gemeinen hendlen 57 , die religion und unser confeßion beträfend, mitt gemeinem radtschlag gehandlet werde, ouch alles, das an uns langen möchte, biß dahin abgewyßen und angestellt 58 werde, biß d[octor] Luther nach Ph[ilipp] Melanchtons zusag 59 unser geschrift, an inn von Basel geschriben 60 , antworte. Und sömlichen uftzug 61 kan uns niemands verstendiger verargen; dann wir ye gnug in disem handel gethon.
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Dann zum andren mal 62 habend die eidgnosischen kilchen mitt ak d. Luthern gehandlet al : ein mal am , alls man gantz früntlich brief von Aarow ab dem tag gen Straßburg schreib und den predicanten von Straßburg an früntlich empfelch gab, || mitt d. Luthern zu handlen 63 ; das ander mal, alls man ein besonder fründtliche geschrift imm von Basel zugesendt hatt 64 . So hatt man mitt schwerer müy, kosten und arbeit in diser sach 5 tagleistungen besucht, vier zu Basel und eine zu Aarow, all in vergangnem 36. jar 65 . Wir wüßend ao nitt, was wir nach witer söltend thun oder was man uns wyter hette mögen anfordern.
Hie bittend wir aber üch, ir wöllend uns diß unser anmutten nitt verargen und uns verdenken 66 , samm 67 wir understandint, üwer bischoff und visitatores oder provinciales zusin. Gott kendt unser hertz, und ir söllend üch zu uns gheins andren versähen, dann das wir begärend, üwere brüder zusin und mittdiener des herren Jesu und siner gmeind. Was wir nun hie an üch muttend, beschicht allein, das wir wol eins und untzertrent, wir und unsere kilchen, blybind und ye länger ye stiffer und getruwer an ap ein andren werdint. Und was wir an üch begärend, habend wir an üch bißhar gctrüwlich aq gehalten. Ist an dem schyn 68 , das, do unser lieb brüder von Basel ar , d[ominus] Gryneus und Myconius, imm augusto des vergangnen 36. jars har gen Zürich kamind und gestelte artikel von Straßburg fürtrugend 69 , weder ein eersame obergheit der statt Zürich weder wir, die diener amin wort, nützid woltind beschließlichs 70 antwurten hinder und one wüßen und bewilligen der kylchen zu Bernn, ouch andren, so mitt uns ein gemeine confeßion gestelt habend. Ersuchend die gschriften, so damalen an üch geschriben sind 71 , so werdent ir es finden. Der glichen hatt man jetzund ouch nach dem schmalkaldischen bericht gehandlet und nützid besonders antworten wöllen, biß as man d. Luthers geschrift empfienge 72 . Wir könnend ouch nitt gedänken, das disere unsere anmutung einer eersamen oberkeit zu Bernn möge zu wider sin, dann sy uns innet jars frist under iro statt secret zugeschriben und
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von uns geforderet hatt, das wir jetzund nützid at vernüwerend 73 . Hierumb habend ir hie des briefs copy au 74 . Wenn man dann die abscheid zu Basel des 4. februarii und 27. martii imm 36. jar ußgangen besichtiget, vermögend sy ouch nüt anders und lutend häll, das ein ortt one das ander nützid beschlieslichs handlen sölle, was gestelte confeßion, die zu meeren oder minderen, betrift 75 .
|| 112 Sömlichs alles aber schribend wir nitt der meinung, das wir unser ding allein haben und von yederman teilen wellind, oder andre kilche av zu schupfen 76 und uns von allen andern kilchen zutrennen, sonder dahin reicht all unser fürnemmen aw , das wir nitt getrent und von anderen geschupft werdint. Wir habend ein mal die warheit bekendt; nun ist es an dem, das wir stiff darby belybind und wartind, ob uns yemans wölle unser confeßion widerlegen und eins beßeren berichten. Diewyl das nitt beschicht, bedarf man nitt wyter dann einfalt by erkandter warheit ston. Es bedarf gheiner anderer confeßionen, keiner anderer fürschribungen, die wyl dise nitt umbkert 77 ist ax . Ein mal ist die confeßion darumb gemacht, wo wir unsers gloubens anzogen 78 wurdint, das wir denn diß confeßion fürtrügind. Was kan man jetz einfalters und beßers antworten allen denen, die uns antziehend, dann: Wir habend ay ein confeßion; da wellind az wir hören, was unrächt und unwarhaft darin ist. Laßend hierneben yederman sin besonder eigen ding verantwurten; diß confeßio aber ist aller kilchen gemein ba . Wyter söllen wir billich mitt allen denen zufriden sin, die mitt uns zufriden sind und uns umb unser confeßion nitt verschupfend. Unseren kilchen hatt nach nützid gebrosten 79 . Diewyl uns dann gott fridens beradt, söllend wir uns nitt selbs unruw machen, sonders inn friden stan und warten, wer uns welle beßers leren.
Also vil habend wir dißmals inn brüderlicher liebe mit üch alls den liebsten brüdern wellen handlen. Bittend, ir wellinds zu güt ufnemmen und uns lieb haben, ouch für uns und unsere kilchen bitten, das uns gott nach sinem
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willen in wolstand der warheit mitt einigheit beware und sich aller siner kilchen vätterlich erbarme, durch Jesum Christum, unsern herren.
Datum Zürich, 28. novembris 1537.
Predicanten, läser der heyligen gschrifft bb
diaconi und diener der kylchenn
Zürych all gemeinlich, üwere in dem
herrenn geliepte brüder und mittdiener.
[Ohne Adresse.]