Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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BULLINGER AN
MARX ROSEN
Kappel,
5. Februar 1525

Abschrift 2 : Zürich StA, E II 441, 380-389 9 1/2 S. 4°, sehr gut erhalten Ungedruckt

Bullinger gibt eine Zusammenfassung der evangelischen Botschaft, gefolgt von einer in paränetischer Form gehaltenen Abhandlung über die Christenpflichten, besonders im Ehestand.

1 Marx Rosen stammte wahrscheinlich aus Frauenfeld (Kt. Thurgau), wie u. a. die am Schluß des Briefes ihm aufgetragenen Grüße an Schultheß Rüplin, Sigmund [Rüplin] und [Hans] Mörikofer in Frauenfeld (ihre Lebensdaten s. unten Anm. 161-163) zeigen. Über seine Person ließ sich nichts ermitteln, doch war die Familie Rosen um diese Zeit in Frauenfeld bekannt: ein Rosen besaß 1514/15 ein Haus «im Gassli». Er starb wohl noch 1515, da in den Steuerbüchern der Jahre 1515-1526 des «Rosen seligen frow» aufgeführt ist; von 1527 an erscheint ihr Name nicht mehr (Bürgerarchiv Frauenfeld, Steuerbücher 1514-1530, Theke 15.17; freundliche Mitteilung von Dr. V. Jacobi, Adjunktin des Staatsarchivs des Kantons Thurgau). Wie man aus den Einleitungsworten von Bullingers Brief entnehmen kann, hielt sich Marx Rosen um die Jahreswende 1524/25 in Kappel auf, wo Schüler aus Frauenfeld nachgewiesen sind (s. HBAC 453). Die lobenden Worte lassen auf einen Schüler in jüngeren Jahren schließen, mit dem Bullinger freundschaftlich verbunden, ja dem er sogar zu Dank verpflichtet war. Rosen muß kurz vor (oder nach) der Heirat gestanden, über ein gewisses Vermögen verfügt und gute Beziehungen zu angesehenen Persönlichkeiten in Frauenfeld gehabt haben, vor allem zur Familie des Abtes Wolfgang Joner (Rüplin; s. oben S. 48 f, Anm. 4). Abt Joner selbst stand in enger Verbindung zu seiner thurgauischen Heimat. Er war Visitator und Seelsorger des Zisterzienserinnenklosters Tänikon, was die Möglichkeit einer reformatorischen Einflußnahme auf das Kloster eröffnete. Bald zeigten sich denn auch gewisse Auflösungserscheinungen. 1523/24 sollen insgesamt drei Nonnen Kappeler Mönche geheiratet haben (Knittel 52-56). Im Rahmen dieser Beziehungen zwischen Kappel und dem Thurgau sind denn auch die Bemühungen Bullingers um Rosen zu sehen. Rosen stand der Reformation zweifellos positiv gegenüber. Von seinem weiteren Schicksal oder einer späteren Verbindung mit Bullinger ist nichts bekannt. Sicher ist jedenfalls, daß Marx Rosen nicht Hofmeister des Klosters Königsfelden (s. unten Anm. 166) war, wie mehrfach behauptet wurde (s. Zürich ZB, Msc S 222, 13b; Heß I 32: «Marx Hofmann»; Pestalozzi 54; Staedtke 271). Dieser Fehler ist auf zwei weitere Irrtümer zurückzuführen: 1. Am Schluß der vorliegenden Kopie des Briefes steht ein von Bullingers eigener Hand stammendes Titelblatt (den Text s. in Anm. d), welches als Titelblatt zu dem vorliegenden Schreiben betrachtet wurde. Auf diesem Titelblatt erscheint der Hofmeister des Klosters Königsfelden als Adressat, woraus die fälschliche Gleichsetzung mit Marx Rosen entsprang. 2. In seinem am 24. Februar 1528 an Anna Adlischwyler gerichteten Schreiben «Von wyblicher zucht» (s. unten Nr. 27) entschuldigt sich Bullinger dafür, daß ein guter Teil seines Schreibens wegen Zeitmangel nichts anderes als eine Abschrift seiner vor anderthalb Jahren dem Hofmeister des Klosters zugeschickten Schrift, nämlich einer Auslegung des 128. Psalmes sei; diese macht tatsächlich fast die Hälfte jenes Schreibens aus. Ungeachtet dessen, daß diese Bemerkung Bullingers eine recht zuverlässige Datierung der nach Königsfelden geschickten Schrift auf die zweite Hälfte 1526 erlaubt, nahm man gerade auf Grund von Bullingers Hinweis an, daß diese Schrift mit dem Brief an Rosen identisch sei; dieser wurde somit als «Hofmeister» wiederum bestätigt (vgl. Staedtke 291). — Tatsache dagegen ist: 1. daß das Titelblatt am Schluß nicht zu diesem Brief an Rosen gehört, 2. daß die von Bullinger in seinem Schreiben «Von wyblicher zucht» übernommene Schrift mit diesem Brief an Rosen nicht identisch ist, sondern es sich vielmehr um jenes Werk handelt, von dem hier nur das Titelblatt am Ende des Briefes steht, und 3. daß der Hofmeister des Klosters Königsfelden nicht Marx Rosen, sondern Bendicht Mattstetter (s. unten Anm. 167) war. — Allerdings bestehen zwischen den beiden Schriften gewisse Zusammenhänge. Beide behandeln das Problem der Ehe (der Brief an Rosen freilich nicht ausschließlich). Am Schluß dieses Briefes wird Ps 128 wörtlich zitiert, die dem Hofmeister zugeschickte Schrift hingegen ist eine Auslegung desselben Psalmes, wie bereits das Titelblatt ankündigt. Bei diesem einzigen uns zur Verfügung stehenden Manuskript handelt es sich also wahrscheinlich um ein Exemplar,


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Dem ersamen frommen Marxen Rosen sye «gnad und frid von gott dem vatter und unserem heiland Jesu Christo» [Tit 1,4].

Nach dem und du dich by uns erlich, redlich und christenlich hast gehalten 3 , besunders in trüw und dienstbargheit gegen jedem und allen, allermeist aber gen mir, hab ich nitt mögen lassen 4 dan ich schribe dir ettwas, daruss du besserung und nutz empfahen möchtest, also das din dienst gen mir nitt umbelhonet blibend.

«Uffs erst dancke ich gott durch Jesum Christum» [Röm 1,8], das er dich zum teil uss siner gnad und grundlosen barmherzigheit in erckantnuss hat ingefürt sines göttlichen worts, also das din nichtigheit von Adam angeboren 5 erckenst und dorumb alein Christum suchst, «welchen uns gott hatt fürgestelt 6 zum gnaden stuol» [Röm 3,25], fürsprecher, versönung 7 , erlöser, grechtigheit, hieland [!]und wysheit 8 . «Denn es ist das wollgefallen gottes gesin 9 , das in imm 10 allein alle völle whonen sölt und alles durch inn 11 versönet wurde zuo imm selbs, es sy uff erden oder in hymel, darmitt» — wie Paulus spricht -, «das er frid macht durch das blut an sinem krütz durch sich selbs» [Kol 1,19 f].

Und warlichen so sind wir uss uns «von natur nüt anders dan kinder des zorns» [Eph 2,3], daruss aber gottes unergrüntliche barmherzigheit erglastet 12 : «Dan wir nu uss genad selig werdend durch den glouben, und dasselb nitt uss uns, es ist gottes gab, nitt us den werchen, uff das sich neimandt [!] rüme» [Eph 2, 8f]. Die werch sind aber wir schuldig zuo thuon 13 , ja 14 die ||381 uns gott durch den glouben und schrifft leert, nitt selbs erdichte 15 werch, die dan nie wol Sauli erschussend 16 : 1. Reg. 15. [1 Sam 15,1 ff]. Solomon spricht darvon Proverb. 3: «Vertrüw 17 dem herren uss gantzem dinem hertzen und verlass dich nitt uff din fürsichtigheit 18 . In allen dinen wegen halt inn im hertzen, und er wirts wol machen» [Spr 3,5f]. Sich, das sind christenliche werch: alle ding imm glouben

1f das ursprünglich je eine Abschrift der beiden Eheschriften enthielt; die erste von einem ungenannten Helfer Bullingers, die zweite von ihm selbst. Der Text der zweiten Schrift ist dann möglicherweise im Zusammenhang mit der Arbeit an der Abschrift für Anna Adlischwyler abhanden gekommen, so daß nur noch das Titelblatt übrigblieb. Der Text der Schrift, die freilich kein Brief, sondern eine umfangreiche Auslegung von Ps 128 ist, blieb in Bullingers oben erwähntem Schreiben vom 24. Februar 1528 erhalten.
2 Der Abschreiber war möglicherweise ein Schüler Bullingers in Kappel; seine Handschrift weist viel Ähnlichkeit mit der von Nr. 16 auf. Die Abschrift entstand entweder zur Zeit der Abfassung oder vielleicht erst 1526, nach der Entstehung von Bullingers Auslegung von Ps 128; im ersteren Fall muß das von Bullingers Hand stammende Titelblatt jener Auslegung erst nachträglich zum Manuskript hinzugefügt worden sein (s. auch oben Anm. 1).
3 verhalten, benommen (SI II 1226).
4 unterlassen, daß ... (SI III 1396).
5 Vgl. Gen 3,19; 1 Kor 15,47.
6 hingestellt.
7 Vgl. 1 Joh 2, 1f.
8 Vgl. 1 Kor 1, 30.
9 gewesen.
10 ihm.
11 ihn.
12 erglänzt, hervorleuchtet (SI II 650f; Grimm III 825).
13 Vgl. Eph 2,10; Jak 2,14ff.
14 nämlich (SI III 2).
15 erfundene (SI XII 391ff).
16 zu Gutem gereichen, zum Wohl dienen (SI VIII 1392).
17 vertraue.
18 Voraussicht, Umsicht, Klugheit (SI VII 267f).


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thuon, alles imm übergeben und inn lassen walten, darbin [!]19 ander lieben und anderen thuon was wir wöltend 20 , das man uns thet [Mt 7,12]; Roma. 12 [9ff]und 13 [8ff]; ouch 1. loan. 3 [11ff]. «Gebenedyet sy ouch gott und der vatter Jesu Christi» [2 Kor 1,3], der dich also erlüchtet hat, daß du erckennen kanst, wie alle ding gott in allen würckt [1 Kor 12,6]. Wan als 21 der prophet spricht, so ist sinen 22 der tag, sinen ist die nacht [Ps 74,16] und er verwandlet zyt und die alter 23 ; und Paulus: «Es ist ein herr, ein gott und vatter unser aller, der da ist über uns all und durch uns allen und in uns allen» [Eph 4,5f]. Welches, so es kundt gesin ist dem fromen Hiob, kont er gar wol gedult haben; dan er wust, das sin kranckgheit a und armuot von gott was 24 . Ouch David, do er sprach: «Ist es gefellig dem herrenn, so komb ich wider in min rych. Ist es aber sach 25 , daß er spricht: du gefalst mir nüt, so bin ich bereit» [2 Sam 15,25f]. Also leer 26 , min lieber bruder Marx, gott, dinem herren dancken und alles heimstellen 27 , gott, dinem vatter ||382 wol vertrüwen in allen sachen und in hertzlich bitten. Des du aber, gott sye gelopt, ein guoten anhab 28 hast gegen mir erzügt 29 in dem du din handel 30 alein gott dem herren zuoschript 31 . Du sichst je jetzundan 32 schimbarlich 33 und häll, wie dich gott on 34 din ratschlag 35 , thuon und verdienen 36 in er 37 und guot 38 gesetzt hat. Welchs er dorumb gethon hat, das du imm lartest 39 vertrüwen und des imm zuo dancken. Wann also 40 hat er je und je die kinder von Israhel durch guothet 41 zuo imm gezogen. Dorumb soltu dich nu fin 42 in handel schicken 43 , gott vor ougen haben und im vertrüwen, wan er ouch nitt alein den lib 44 und die eer, sunder ouch alles guot gibt.
a ck übergeschrieben.
19 dabei.
20 wollten.
21 Denn wie.
22 sein.
23 Vgl. Ps 74,17; Am 5,8.
24 Vgl. Hi 2,10.
25 Ist es aber der Fall, tritt der Fall ein, ... (SI VII 112).
26 lerne (SI III 1368).
27 anheimstellen (SI XI 177).
28 Anfang (SI II 866). 29 gegen mich bezeugt, an den Tag gelegt (vgl. Grimm III 1082f).
30 Angelegenheit, Sache (SI II 1397).
31 zuschreibst, beilegst, beimißt (SI IX 1527).
32 jetzt dann, von nun an (SI I 630).
33 deutlich, klar (SI VIII 816. 818).
34 ohne.
35 Beratschlagung, consultatio (SI VI 1563ff; IX 240).
36 Zutun und Verdienst.
37 Ehre (SI I 389ff).
38 Reichtum. — «Reichtum und Ehre» im AT häufig als Ausdruck für das von Gott geschenkte Wohlergehen eines Frommen (vgl. 1 Kön 3,13 u. ö.).
39 lerntest (SI III 1368).
40 Denn so.
41 Wohltaten (SI XIII 2026f).
42 trefflich, recht (SI I 835f).
43 entsprechend verhalten (SI VIII 507); der Sinn des Ganzen ist wohl: du sollst dich nun richtig verhalten, richtig handeln.
44 Leib.


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Es stat geschriben Ioan. am 10 [28], das die schäfflin Christi Christo niemandt wirt uss der hand rouben; deshalben er sich ouch ein hyrten nemmet 45 [Joh 10,11]. Daruss nu klar ist, das wir gott dem herren die seel vertrüwen 46 mussend, und nu dem also ist, wer wolt dan nitt den lib können oder wellen 47 gott übergeben? Den er sich aber erbüt 48 , wie er sölle von imm erhalten werden, wann wir je gottes wort habend durch den propheten usgesprochen Psal. 36. [Ps 37,3-5. 7.25]: «Hoff uff den herren und thuo guts, blib im land und mere dich 49 im glouben. Hab din lust am herren, der wirt dir geben, was din hertz lust 56 Befil dem herren dine weg und hoff uff inn, er wirts wol machen. Halt dem herren still und lass inn mitt dir machen. Ich bin je jung gewesen und alt worden, und hab noch nie gesechen den grechten ||383 verlassen oder sinen samen umb brot gan».

Sich, lieber bruoder, das sind die wort gottes; mögend gar nüt felen 51 . Hastu nu glouben in sine obgemelte 52 wort, wol dir und du solt gott teglichen bitten, daß er gnad mitt dir thüye 53 , das du inen mögest glouben. Nitt minder ists 54 , die versuochung kumpt, und also hert, daß du meinst, du müssest verderben, verharr du aber stiff 55 im glouben. Wann wen du glöubig bist, «mach 56 sich gott selber nitt lougnen» [2 Tim 2,13]; er mus halten was er hat zuo gesagt. Wir lesend, das er versuocht hat den frommen Abraham 57 , Isaac 58 , Jacob 59 , und Hiob . Abrahae liess er nemen sin schöne husfrowen 61 Saram 62 , berufft in 63 uss sinem vatter land 64 , gab im nütisterminder 65 nitt eines fusbreits zuo besitzung 66 [Apg 7,5]. Hiob nam gott lib und guot 67 . Nu sy aber standhaft blibend im glouben, wurdendt sy okt verlassen und kamend zuo grosser rychtumb 68 . Also soltu nach dem gebott gottes werchen 69 ernstlich, den es geschriben stat: «Im schweis dines angsichts wirst essen dines brot» [Gen 3,19], und lass gott walten. Lass im die sorg und nun du an dich das werck oder die arbeit und lis im Evang. Mathei das 6. und Luce 12. cap. [Mt 6,25ff; Lk 12,22ff]. Lass dir ouch

45 nennt (SI IV 747f).
46 anvertrauen.
47 wollen.
48 anerbietet, erbietet, erzeigt (SI IV 1869f).
49 nimm zu (SI IV 371).
50 gelüstet, verlangt (SI III 1477).
51 an Genauigkeit oder Richtigkeit mangeln (SI I 768).
52 obgemeldete, oben genannte.
53 tue.
54 Nicht zu leugnen ist (SI IV 321).
55 beständig, fest (SI X 1427ff).
56 mag, kann.
57 Vgl. Gen 22,1ff.
58 Vgl. Gen 26,1ff.
59 Vgl. Gen 32,24ff.
60 Vgl. Hi 1, 16 ff.
61 Ehefrau.
62 Vgl. Gen 12,10; 20,1ff.
63 ihn.
64 Vgl. Gen 12, 1 ff.
65 nichtsdestoweniger (SI XIII 1985).
66 Vgl. auch Hebr 11,9.
67 Vgl. Hi 1,16-2,8.
68 Vgl. Gen 13,2; 24,1; 26,13f; 30,43; Hi 42,10ff.
69 werken, arbeiten.


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Jacob, den heiligen ertz vatter nitt uss dinem hertz kummen, welcher, ob er wol in Mesopotamia, Syrie nitt einer hand breit hatt, ward er doch rych uss gott und siner arbeit: Genes. 29 [1 ff; 30,25 ff]70 .

So hab ich gesprochen, das du eer und gut habist überckummen und das dorumb geschriben stat Gene. 1 ||384 und 2: «Und gott gesegnet sy und sprach zuo inen: Sind 71 fruchtbar und merend üch und füllend die erden» etc. [Gen 1,28]. «Der man wirt vatter und mutter verlassen und sinem wib anhangen, und werdendt sin zwei ein fleisch» [Gen 2,24]. Daruss du mercken solt, wie du den eelichen stand verbringen und wie du din wib halten söllest, also dast 72 in eer und gout [!] blibest.

Am ersten wirt der eelich stand recht verbracht, wann man kinder zu eeren gottes darvon zücht 73 , von welchem nu nitt stat ist zuo reden 74 , so man sust 75 wol wüst, was zuo der eelichen pflicht höret 76 . Das du aber allwegen 77 das wort gottes vor dir habest, so nim für dich und lys das 7. cap. der ersten zun Cor. Wie man aber müsse und sölle die kind uffzüchen, hast im letsten buch Mose: Deutro. 7 [6,20ff].

Zum anderen solt 78 din wib halten wie din eigen fleisch. Dorumb Paulus spricht: «Ir man, liebend üwere wyb, glych wie ouch Christus geliebet hat die gmeind und hat sich selbs für sy geben, uff das er sy helgete» 79 etc. [Eph 5,25f]. «Also söllend ouch die menner iren wyber lieben als ir eignen lib. Wer sin lib liebet, der liebet sich selbs. Den jemandt hat nie sin eigen fleisch gehasset, sunder ernerets und pflegt sin 80 , glich wie ouch der herr die gmeind» etc., Ephe. 5 [28 f]. Also spricht ouch Petrus: «Ir menner, whonend by inen mitt vernufft und gebt dem wybischen als dem schwechsten werchzüg 81 ||385 sine eer, als ouch mitterben der gnad des lebens, uff daß üwere gebet nitt verhinderet werdent» [1 Petr 3,7]. Sichstu nu, daß es nitt mus mitt bochen 82 , kriegen 83 , schlahen

70 Zu diesem ganzen Abschnitt vgl. die Predigt von Martin Luther, «Vom ehelichen Leben», 1522, WA X/2 303, 8ff, bes. 303, 13-17: «Sihe an Jacob den heyligen ertzvatter, der hatte doch gar nichts ynn Syria und hüttet nur der schaff und überkam gutter, das er vier weyber erneeret mit grossem gesind und kindern und dennoch gnug hatte. Szo wart Abraham und Isaac und Lot auch reych unnd viel heyligen mehr ym allten testament.» — Bullinger hatte Luthers Hauptschriften noch vor 1523 gelesen (s. HBD 6, 4-7; 7, 16-18; Staedtke 46-48). Obwohl er nirgends darüber berichtet, hat er die oben zitierte Lutherschrift, die in Basel bereits im November 1522 nachgedruckt wurde (s. WA X/2 267), wie auch Luthers Auslegung von 1 Kor 7 (WA XII 88ff; s. unten Anm. 104) zweifellos gut gekannt und, wie das Zitat zeigt, schon bei dieser seiner ersten Schrift über Ehefragen in Gebrauch gehabt (zwei weitere Eheschriften Bullingers s. unten Nr.24 und 26).
71 seid.
72 daß du.
73 erzieht.
74 nicht der Ort, die Zeit oder Gelegenheit ist, zu ... (SI XI 1692; aus Zwingli mehrfach belegt); hier eher: nicht nötig.
75 sonst.
76 gehört (SI II 1572f).
77 allewege, immer, jederzeit, stets.
78 sollst.
79 heiligte (SI II 1152); «um sie zu heiligen».
80 pflegt es, wartet es, sorgt dafür (SI V 1224).
81 Werkzeug.
82 Pochen, Poltern, Lärmen, Schelten (SI IV 970).
83 Streiten, Zanken (SI III 797f).


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zuogan 84 , und des heb dich verwegen 85 ; wo zangg ist und hader, do ist ouch ghein guots. Das aber vil sprechend: ich wil die min meisteren mitt knütlen 86 sind narren und wüssend nienerumb nüts 87 ; söltend stockfisch für wyber haben, dan die selbigen sind vil knütles nötig 88 .

Siche, das ist nu die meinung gottes, dorumb er dich in den eelichen stand berüfft hat, ja daß du inn vor ougen habist, imm vertrüwist, in suochist, im danckist, lieblich 89 , früntlich und christenlich by dinem wyb whonist, kinder zühist etc. Sich, min bruoder und geliebter gottes, heist das nüt: in eer und guot gesetzt? O, danck im nacht und tag, wann 90 du imm nitt gnugsamlich dancken magst 91 ! Eere sye imm alein 92 ! Ja, sprich ich abermals, du solt die gegeben gnad nitt verschupfen 93 , sunder in dem willen gottes leben. Dorumb wirt dir nu hie am aller notwendigosten werden, das du sin ewig göttlich wort nitt verlässest, sunder, so dir gott die gnad thon hatt, das du lesen kanst, ein Testament 94 kouffest, daruss man den willen gottes erckennet, und das selbig imm hus mit den ||386 dinen zuo siner zyt übist. Magst wol besehen 95 , was ungmach denen volget, so das wort nitt annemend, und was glücks denen vorstends ist 96 , die sich des worts haltend 97 : Levitici 26 [3 ff], Deutro. 28 [1ff]. Es stat geschriben: «Verflücht sye, wer nitt alle wort disers gsetzts uffrichtet 98 , das er darnach thüye 99 . Und alles volck soll sagen: Amen». Deutero. 27 [26].

Hüt 100 , das din ee nitt brechest 101 ; wan grösserer diebstal uff erd nitt ist, sittundmal 102 du dinem eichen gmahel 103 iren eigen fleisch 104 entwendst, das dan grosse sünd vor gott ist und je und je herten 105 glich gestrafft an lib und seel, ouch (wie wol es jetzund, leider, gott erbarmbs, gering geachtet wirt 106 ) mitt

84 zugehen.
85 davon halte dich fern (Lexer III 297).
86 Plagen, Mißhandeln, Schlagen (SI III 769).
87 überhaupt um nichts, überhaupt nichts davon (SI I 229; IV 761f).
88 bedürfen viel (SI IV 861).
89 friedlich (SI III 992).
90 denn.
91 kannst (SI IV 107).
92 Vgl. Dtn 32,3.
93 verstoßen, verwerfen, zurückweisen (SI VIII 1084ff).
94 Bullinger meint sicherlich Luthers auch von ihm benutztes «Septembertestament» von 1522, das zu dieser Zeit bereits in zahlreichen Nachdrucken erhältlich war. In Zürich selbst erschien es 1524 in drei Ausgaben (WADB II 201ff, Bibliographie Nr. 53. 54. 55; Hausammann 55f mit weiterer Lit.).
95 sehen, erblicken, untersuchen (SI VII 580f).
96 bevorsteht (SI XI 682f).
97 daran festhalten, sich danach richten (SI II 1225f; dasselbe wörtlich bei Zwingli).
98 in Kraft erhält, aufrecht erhält, hält.
99 tue.
100 Hüte dich! (SI II 1793f).
101 Vgl. Ex 20,14.
102 weil, sintemal (SI IV 147; VII 1447f).
103 Ehegemahl(in).
104 Siehe Gen 2,24; 1 Kor 7,4. — Vgl. Martin Luther, Das siebente Kapitel S. Pauli zu den Corinthern, 1523, WA XII 101, 21-23: «Da her man sihet, wie der ehebruch der grössist raub und diebstal ist auff erden. Denn er gibt dahyn den lebendigen leyb, der nicht seyn ist...»
105 hart (SI II 1643).
106 Zur uneinheitlichen und eher milden Bestrafung des Ehebruchs in Zürich vor den unter dem Einfluß der Reformation zustande gekommenen Satzungen s. Köhler, Ehegericht I 109-111.


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dem schwert gericht 107 . Es stat geschriben: «Verflücht sye, der da beschlafft die husfrowen sines nechsten. Und alles volck soll sagen: Amen». Deutro. 27, [20.22 108 .

Du solt niemandt zuo vil abnemmen, sunder alein din lidlon 109 empfahen, wann ghein unrechtes gout trüyen 110 mag und ist ein haller 111 mitt friden der gwüssne 112 in gott besser den ghein schiff nobel 113 jemer werde. Was ists, ob es glich ander thünd? Soltu dorumb sömliches 114 ouch thuon? Schlechlich [!]115 ist obgemeltes innemmen 116 ein gottlosse thuss 117 , wan alle die, so das vollbringend, sind verzwifflet an gott, wellend in fürkumen 118 und rych werden, es sye gott lieb oder leid. Sy sehend darzuo 119, ||387 es stat geschriben: «Du solt nitt zweierlei gwicht in dinem sack, kleines und grosses, haben; und in dinem huss soll b nitt zweierley mes 120 , gross und cklein [!], sin. Du solt ein völlig und recht 121 mes haben, uff das din leben lang were 122 uff dem land, das dir der herr, din gott, geben wirt. Den wer sölchs thuot, ist gott, dinem herren, ein grewel, wie alle, die übels thuond». Deutero. 25 [13-16].

Frömbd herren und usslendig 123 krieg soltu vor allen dingen wie tödtlich gifft miden; wann was jomer 124 und grossen hertzen leids, gottlose 125 und kranckheit drus entspringe, sehend wir leider in unseren eilenden verblenten 126 kriegstropfen 127 . Es stat geschriben: «Verflücht sye, wer geschenckt nimpt, das er die

b soll doppelt, das erste gestrichen.
107 gerichtet. — Die Todesstrafe im Mosaischen Gesetz: Lev 20,10. — In der von der Obrigkeit erlassenen Zürcherischen Ehegerichtsordnung vom 10. Mai 1525 wurde ebenfalls eine «herte straff» für Ehebrecher verlangt und sogar auf die Steinigung im AT hingewiesen; das Maß der leiblichen Strafe wollte man freilich dem Urteil der Obrigkeit anheimstellen (Z IV 186, 22-187, 2). Die «Ordnung und satzung» vom 15. Dezember 1526 sah dann auch außer dem «großen Bann» noch eine obrigkeitliche Strafe vor, die sich von drei Tagen Gefängnis bis zur Ausweisung aus Stadt und Landschaft erstrecken konnte, bei hartnäckigster Rückfälligkeit sogar bis zum Tod durch Ertränken (Köhler, Ehegericht I 111f).
108 An der angegebenen Stelle ist jedoch nicht von der Frau des «Nächsten» die Rede, sondern nur von den Frauen der nächsten Verwandten.
109 Arbeitslohn (SI III 1288).
110 gedeihen.
111 Heller (SI II 1130f).
112 des Gewissens.
113 Eine ursprünglich englische Goldmünze, die auch in anderen Ländern nachgeschlagen wurde (SI III 634; Lexer II 98; Grimm IX 90).
114 Solches, Derartiges (SI VII 906f).
115 schlechtlich, schlechthin, schlechterdings (SI IX 67ff).
116 In-Besitz-Nehmen (SI IV 741f).
117 Schelmerei, Täuschung, Betrug (Lexer II 1589).
118 wollen ihm zuvorkommen (SI III 278).
119 sollen zusehen, sehen, (darum) besorgt sein (SI VII 583f).
120 Maß (SI IV 450).
121 volles und richtiges.
122 währe.
123 ausländisch, außer Landes (SI III 1300).
124 Jammer (SI III 41f).
125 Gottlosigkeit (SI III 1429).
126 verblendeten (SI V 109).
127 armselige, dumme Menschen («Tropf»: Lexer II 1525), die in den Krieg ziehen, das Kriegshandwerk treiben. — Zur Ablehnung von «Reislaufen», Söldnerdienst und Pensionswesen, als einer grundsätzlichen Haltung der zwinglischen Reformation vgl. u. a. Z I 70ff. 155ff; III 97ff. 584ff.


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seel des unschuldigen bluots schlecht 128 . Und alles volck soll sagen: Amen». Deutro. 27 [25].

Du solt dich ouch in gheinem weg partyen 129 . Lass disen luterisch und ehenen 130 zuinglisch sin, und bis 131 du ein christ 132 . Lass jederman machen; du must ouch alle ding nitt verantworten. Bis schidlich 133 und red allwegen zuo allen sachen das best. Bis früntlich gegen jederman, wann dir wol ze wüssen ist, wie din gwerb stat 134 . Uss den gassen und win kempffen 135 entstat selten guots, 1. Timoth. 6 [3 ff].

Vermid unzytlichs 136 fressen und suffen, zuo trincken, schlaff trünck. Gelust dich aber nei was 137 das duo 138 bi dinem wyb und bi den dinen. Im monat gang enist 139 zum win; daß dir huld 140 machest und behaltest, setz dich zur erbergheit 141 und zuo den dinen. Bis wacker, züchtig, frölich und underdienstig 142 . Es ||388 stat geschriben: «Suffend üch nitt voll wins, doruss ein unordlich 143 wesen volgt» etc, Ephes. 5 [18]. Spilen und böse gsellschafft soltu wie din verderpnus 144 flühen 145 , schwerren 146 und kostliche 147 kleidung miden, unzüchtige wort nienan 148 in din mund nemmen. Wan hie nitt gnugsam 149 mag usgesprochen 150 werden, wie bös schedlich ding spilen ist und böse gsellschafft, ouch wie es so verlumbdet 151 machet. So soll unsere red ja ja sin und nein nein [Mt 5,37]. So bedarf es ouch gheiner syden 152 nitt; wann wir bedeckt sind, ists gnuog. «Nüt bringend wir in die welt» [1 Tim 6,7], «nackend müssend wir hinuss» [Hi 1,21]. Heb das din zuo samen 153 und heb huss 154 , wie eim frommen man zuo stat 155 . Es stat geschriben: «Huorery aber und alle unreinigheit soll nitt under üch genempt 156 werden» etc, besich Ephes. 5 [3].

128 schlage, töte.
129 für oder wider jemanden Partei ergreifen (SI IV 1624).
130 jenen (SI I 265f).
131 sei.
132 Diese Stelle zeigt, wie bewußt der junge Bullinger sich und andere vor jeglicher konfessionellen Enge zu bewahren suchte (s. Staedtke 51, wo dieser Satz zitiert wird).
133 versöhnlich (SI VIII 272f).
134 wie deine Lage ist, wie es um dich steht.
135 Gassen- und Weinkämpfen, Wirtshausstreitigkeiten.
136 unangemessenes (Grimm XI/III 2283).
137 irgendetwas (SI IV 808).
138 tue.
139 einmal (SI I 276f).
140 Wohlwollen, Gunst (SI II 1191).
141 die ehrbare Gesellschaft, die Vornehmen, der bessere Teil der Gesellschaft (SI I 396).
142 dienstwillig, dienstfertig (SI XIII 778).
143 unordentliches, unartiges, unsauberes (SI I 438f).
144 Verderbnis.
145 fliehen (SI I 1182).
146 Fluchen (SI IX 2101ff).
147 kostspielige, teure, prunkende (SI III 551f).
148 nie (SI IV 761f). 149 genug (SI IV 700).
150 dargelegt (SI X 779).
151 verschrien, verrufen (SI III 1273).
152 Seide.
153 Halte dein Vermögen, dein Hab und Gut zusammen, geh damit sparsam um (SI II 923).
154 sei sparsam, führe sparsamen Haushalt (SI II 880).
155 gebührt, sich ziemt (SI XI 749f). 156 genannt.


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Und daß ich min schriben nu fürhin 157 ende, so thuo als eim christen zuo stat; halt dich des göttlichen worts, welchs dich rychlich in allen dingen grecht 158 fürren kan, und für ein erbars, christenlichs, gotsförchtigs leben, also das du nach disem leben ewige ruow besitzest. Amen. Nun dis min kurze instruction zum besten an, wann sy in grosser ummuos [!]159 ilends 160 geschriben ist. Grütz mir hernn schultheis Rüplin 161 , Sigmunden 162 , Mörickovernn 163 , den praedicanten 164 und ander brüder in Christo, und «die gnad gottes sy mitt dir» [1 Tim 6,21].

Von Kappel, des 5. tags hornung 1525 c .

Heimrych Bullinger,

din williger diener.

c 25 verschmiert, vielleicht aus 23 korrigiert.
157 von nun an, demnächst (SI II 1346).
158 richtig (SI VI 228).
159 Mangel an Muße; Geschäfte, Mühe (SI IV 497f).
160 in Eile.
161 Hans Joner (genannt Rüplin), geb. 1470, aus vornehmer Frauenfelder Familie, Bruder des Abtes Wolfgang Joner (s. oben S. 481, Anm. 4), Dreirat 1506, Schultheiß 1512-1524 jedes zweite Jahr (LL XV 536f; HBLS V 744). Obwohl sich die Familie Rüplin in Frauenfeld der Reformation gegenüber eher ablehnend verhielt (s. Knittel 233. 240), scheint Bullinger Hans Joner als einen Freund der evangelischen Sache betrachtet zu haben. Ob er ihn auch persönlich kannte, läßt sich nicht feststellen.
162 Sicherlich Sigmund Rüplin, ein Bruder von Hans (s. oben Anm. 161) und Wolfgang Joner (s. oben S. 48 f, Anm. 4). In den Reformationsjahren war er Amtmann der Abtei Reichenau in Frauenfeld, wie später sein Sohn Job (Knittel 233; LL XV 537; HBLS V 744). An ihn wandte sich Zürich im März 1529 wegen der vom Abt von Reichenau verlangten Besoldung des Pfarrers von Steckborn im Thurgau (Knittel 206. 338); der Ton des Schreibens läßt vermuten, daß man ihn in Zürich zu den Freunden zählte. Ob ihn Bullinger persönlich gekannt hat, läßt sich nicht ermitteln.
163 Sicherlich Hans Mörikofer, gest. vor 1548, aus einer alten Frauenfelder Familie; erwähnt bereits vor 1501, Schultheiß 1528, am 23. Juni 1529 von Zürich im Alleingang zum Stellvertreter des Landvogtes und zum Landammann im Thurgau ernannt, ein entschiedener Freund und Förderer der Reformation. Mit den thurgauischen Truppen nahm er an der Schlacht am Gubel teil, wurde gefangengenommen und bis zum Friedensschluß in Luzern festgehalten. Bis zu seinem Tode war er wieder Schultheiß (s. Knittel 240. 262ff. 268ff. 310ff; HBLS V 124). — Ob ihn Bullinger persönlich gekannt hat, läßt sich nicht ermitteln.
164 Von der Geistlichkeit der Stadt Frauenfeld (denn Bullinger hat wahrscheinlich diese im Auge) kommen zu dieser Zeit vor allem folgende Personen in Frage: der Winterthurer Morandus Schmid, Helfer zu St. Johann in Kurzdorf-Frauenfeld, mit dem sich die Tagsatzung in Luzern bereits 1525 beschäftigen mußte, weil er «von seiner Religion abgestanden ist», und der darum 1526 vom Landvogt vertrieben, jedoch am 20. März 1529 von Zürich auf Wunsch der Frauenfelder als ihr Prediger wieder zurückgeschickt wurde (Knittel 66. 240); der Frauenfelder Humanist Petrus Dasypodius (Hasenfratz), gest. 1559, zuerst Kaplan der St. Michaelspfründe in Frauenfeld, 1527-1530 Schulmeister in Zürich, danach wieder Schulmeister und Prediger in Frauenfeld, seit 1533 Schulleiter zu St. Peter in Straßburg (s. Knittel 235. 343f; HBLS II 670f; weitere Lit. Schl. 3610-3614. 6068. 6609. 53810. 53811). In Frage kämen möglicherweise noch der Kaplan Peter Kraft (Knittel 234), Peter Graf (Sulzberger 1f), Kaplan Kaspar Lehringer (Knittel 234; Sulzberger 1), Kaplan Albrecht Siegrist (ebenda), Kaplan Hans Sonnenmann (Knittel 235) und Georg Funsting (Sulzberger 1), die alle um 1528 amteten, deren Amtsbeginn jedoch unbekannt ist. Der 1528 so entschieden reformatorisch wirkende Magister Heinrich Fehr kommt nicht in Betracht, weil er die Kaplanei der Michaelspfründe erst nach Petrus Dasypodius übernahm, d. h. etwa 1527, nicht schon 1524, wie man früher annahm (s. Knittel 235. 344).


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||389 Psalm 127 [Ps 128]:

«Vol dem, der den herren fürchtet und uff sinen wegen gadt! Du wirst dich neeren diner henden arbeit; wol dir, du hasts guot! Din wib wirt sin wie ein fruchtbar winstock an den wenden in dinem huse, dine kinder wie die öl zwy 165 umb dinen tysch her. Sich, also wirt gesegnet der man, der den herren fürchtet. Der herr wirt dich segnen uss Syon, das du sehest das glück Hierusalem din leben lang und sehest diner kinder kinder. Fryd über Israel!» d

d Zum Schluß steht ein Titelblatt mit folgender Überschrift von Bullingers Hand (S. 390): Vom eelichen leben, wie es gott so wolgfellig, wie eelüt söllend mitt einanderen leben und wie sy söllind die kind recht und zu gottes forcht erzühen. Über den 127. [128.] Psalmen. Gen Künigsfelden 166 , herren hoffmeister 167 . Jesus. «Das ist min lieber son, in dem ich versönet bin; imm sind gehörig!» 168 [Mt 17,5.]
165 Ölzweige.
166 Das 1311 gegründete Frauenkloster Königsfelden war ein Doppelkloster vom Orden der heiligen Klara und des heiligen Franz, stand seit 1415 unter Berner Oberhoheit und wurde nach der Auflösung 1528 bernisches Oberamt; seit 1803 im Kt. Aargau (s. Theodor von Liebenau, Geschichte des Klosters Königsfelden, in: Katholische Schweizer-Blätter für Kirchengeschichte, hg. im historischen Theil der Katholischen Schweizerblätter für christliche Wissenschaft und Kunst, Jg. 10, 1868; HBLS IV 524f).
167 Bendicht Mattstetter, gest. 1542, aus einem burgerlichen Geschlecht der Stadt Bern, 1517 im Großen Rat. Am 1. April 1524 wurde er zum Hofmeister (Verwalter) des Klosters Königsfelden gewählt und erscheint als solcher auch in den Akten der darauffolgenden Jahre (ABernerRef 377. 516. 698 u. ö.). Das Kloster wurde am 28. Februar 1528 aufgelöst. Mattstetter blieb wahrscheinlich bis Juni 1529 in seinem Amte: am 17. Juli wurden seine treuen Dienste, nämlich daß er «den hof zu Küngsvelden etlich jar verwaltet», lobend erwähnt und ihm zwei Tage später «für alle ansprach sins verwalten diensts» 20 Gulden ausbezahlt (ABernerRef 2432-2434). Am 16. September 1529 wurde er als Gesandter zur neuen Beschwörung des Bundes nach Freiburg geschickt (ABernerRef 2521), am 10. Januar 1532 zur Synode verordnet (ABernerRef 3277). Er wurde 1534 Landvogt im Oberhasle, 1536 Stiftsschaffner in Bern, 1542 Landvogt in Thorberg. — Bullingers Beziehungen zu Königsfelden trugen sicherlich zur allmählichen Entvölkerung und Selbstauflösung des Klosters bei (s. Staedtke 271). Seine an Mattstetter adressierte Psalmenauslegung ist in der zweiten Hälfte von 1526 entstanden, «anderthalb Jahre» vor seinem Schreiben vom 24. Februar 1528, wie er dort selbst angibt (s. unten S. 166,22); der Text der Schrift, d. h. die Fortsetzung zum hier mitgeteilten Titelblatt, befindet sich ebenfalls in jenem Schreiben (zur ganzen Frage s. oben Anm. 1). Mattstetter scheint gegenüber der Reformation bereits damals aufgeschlossen gewesen zu sein. Ob er Bullinger persönlich kannte, ist nicht erwiesen; wahrscheinlich begegneten sie sich an der Berner Disputation im Januar 1528. Als erster wies von Liebenau, aaO, auf die Verbindung zwischen Mattstetter und Bullinger hin. — Lit.: von Liebenau, aaO, S. 121f; LL XII 570; HBLS V 53.
168 Höret auf ihn! (SI II 1579).