Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1314]

Johannes Haab an
Bullinger
Rheineck,
6. Oktober 1539

Autograph: Zürich StA, E II 338, 1378 (Siegel) Ungedruckt

Der Bericht Bullingers über den englischen König [Heinrich VIII.]bestätigt sein Mißtrauen, das er seit dessen mutwilliger Scheidung [von Katharina von Aragonien]hegt; freut sich aber über die Fortschritte der Reformation andernorts. Vernimmt aus Italien, daß die Türken dem Kaiser [Karl V.] Castelnuovo entrissen und unter der Besatzung grausam gewütet hätten; nun planten sie, über das gegenüberliegende Loreto gegen Rom zu ziehen. Konnte Bürgermeister [Diethelm] Röist wegen der Weinlese, die ertragreich ausgefallen ist, nicht schreiben. Bat Heinrich Tuggener um die Beschaffung des [1535 gedruckten] deutsch-lateinischen Neuen Testaments, mit dem er sich Grundkenntnisse in Latein erwerben möchte; bittet Bullinger um Hilfe, falls Michael [Schwyzer?]keine mehr feil hat. Pfarrer [Johannes Keller]freut sich über Bullingers Gruß; Grüße.

Erwirdiger, wolgelerter, insunders günstiger, lieber herr und bruder, üch sige zufor die gnad gottes, darzu min früntlich gruß und guttwillig dienst etc:.

Üwer schriben 1 han ich sontag, den 5. octobriß enpfanngenn und darin dess künigs von Enngenlandts gemütt 3 , alß ich in alltzit hab geschetzt, verstandenn 4 . Dann daß gefarlich 5 scheiden sinner erschtenn husfrowen 6 mir so übel an im a gefallen, daß ich nie getruwt 7 , dass er b ein hertzliche liebe zum wordt gottes gehaptt habe. Es muß aber also 8 zugan, daß abfäl und ferfolgungen beschähend, uff daß die glöibigen bewärdt 9 werdind und lernind

a in der Vorlage in.
b er über der Zeile nachgetragen.
1 Nicht erhalten.
2 Heinrich VIII.
3 Gesinnung.
4 Zum Erlaß des traditionalistischen Sechs-Artikel-Gesetzes in England vgl. oben Nr. 1308, 29-42 mit Anm. 12.
5 mutwillige, willkürliche.
6 Ehefrau. —Zur Scheidung Heinrichs VIII. von Katharina von Aragonien - gegen das Kirchenrecht - im Jahre 1533 vgl. Clifford S. L. Davies, Henry VIII of England, in: OER II 227-233, hier: 228f.
7 darauf vertraut habe.
8 so.
9 geprüft.


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uff keinen mentschen truwen c , sunder allein uff gott sähenn, gott gäb 10 , mann falle binden, fornenn oder näbend sich ab. Daß aber daß euangelion anderschwo zunimpt, hör ich gernn, beger auch, daß dieselben im glouben wol gegründt 11 sigind; wirtt sy gott nütt 12 bald wider sinckenn lassenn etc.

Nüwer zitung 13 : Ist einer 14 , so die kouffmanßgütter uss Italien d in Tütschland fergett 15 by mir zu Rinneg gesinn 16 , der mir anzeigt, daß er innertt 8 tagenn zu Meilland gesin. Da sigind sinnem herren 17 , by demm er dient, glouplich brieff komenn, daß der Türg demm keiser 18 ein fast 19 stark und gutt schloss, genannt Castelneuff 20 , ist ein paß 21 und beschluss 22 an demm selben ortt dess meerß, mit gewaldt habe angenommenn 23 , doch mit grossem verlurst sinnes folks, dan die Spannger 24 und landtzknecht, im zusatz daselbs gelägen e , träffenliche, grosse wer gethann; aber die file dess geschützes und dess folks, so der Turg da geheptt, habe inen den schaden gethann. Und nach eroberrung des schloss, waß er nach überrig funden, daß nüdt zu dott geschlagen, habe er innen die nasen und oren lassenn abhouwenn und sy in den galeenn hinweg gefürtt. Er, der Dürg, lasse auch gedacht 25 schloss gantz fest und stark buwenn und sige entlich der meinung 26 , uff künfftigen früling den nächsten 27 uff Maria de Loreta 28 , dadannen uff Romm zuzezühen und vonn demm bapst ein suberren applaß 29 ze empfahenn. Dan so er das schloss und pass inhabe, möge 30 mann imm nüdt wol immer werenn. Es lige auch gerichtz gegen Loreten zu, über mer ze rechnenn 31 , und sol söliche eroberung innertt zweigen manettenn beschähen sin. Und wiewol der bapst söliche straff mit sinnem gesind 32 fast wol verdient, sind doch fil frommer unnschuldiger !üdt, so darinn liden müssend, wol ze erbarmen. Gott geb innenn und unß allen gnad zu waremm rüwen 33 und rächter besserung, so wirdt er die und ander straffen vonn unß nemen etc.

Grüssen min herren und f schwager, her burgermeister Röistenn 34 , von minentwägen fast. Sagend im auch, daß er nütt zürnn, daß ich g im nütt auch

c vor truwen gestrichenes truwind.
d in der Vorlage Italiam. e daselbs gelagen am Rande nachgetragen.
f vor und gestrichenes fast.
g ich fehlt in der Vorlage.
10 gleichviel. 11 verankert.
12 nicht.
13 Nachricht.
14 Unbekannt.
15 führt.
16 gewesen.
17 Unbekannt.
18 Karl V.
19 sehr.
20 Castelnuovo (Hercegnovi, Montenegro).
21 Durchgang, Meerenge.
22 Sperre.
23 Zur Erstürmung der Festung Castelnuovo durch Cheireddin Barbarossa am 10. August 1539 s. Hammer-Purgstall III 216— 218.
24 Spanier.
25 genanntes.
26 sei festen Willens.
27 direkt.
28 Loreto (Provinz Ancona, Italien).
29 [ironisch:] einen hübschen Ablaß.
30 könne.
31 Es liege ja gegenüber von Loreto, über das Meer gesehen.
32 Anhang.
33 Reue.
34 Über die Verwandtschaft Haabs mit Diethelm Röist ist nichts weiter bekannt.


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geschriben habe; sig der herpst 35 die ursach, dan fil mer win, dan 36 jemand gemeindtt, uss gnaden gottes werde, darzu amin Buchberg 37 gutt, aber anderschwo sige er demm Zürichwin fast nach gefrünnt 38 etc.

Ich han minem schaffner Heiny Dugginer 39 geschriben, mir ein nüw testamentt h da i daß latin und tütsch k näbend einanderren , getrukt sige, wie sy dan for jaren zu Zürich getrukt wordenn sind, ze schiken 40 ; dan ich vermeinte allerbascht 41 ein anfang dess latins daruß ze überkomen 42 ; daß zu lernen dan ich daß l fast begirig bin. Ist min pit an üch, in wellind, ob 43 filicht Michel 44 keine mer hette, imm anderswo umb daß geltt darum m helffen; dan mich fast darnach belangett 45 etc.

Üwer gruß, den in minem bredicannten 46 gethann, fröwtt in fast wol. Ladt üch ouch fast wider grüssen und früntlichen dank sagenn. Min hußfrow 47 und ich grüssend üch und üwer husfolk n fast etc. Grüssend mir M. Löwen 48 , herren bropst 49 und ander mine herren und fründ.

Datum in il, Rineg, mentag, denn 6. octobriß im 39.

Üwer altzit getrüwer fründ und brüder

Hanss Hab, burger Zürich.

[Adresse auf der Rückseite:] Demm erwirdigen, wolgelertenn herren Meister Heinrichen Bullinger, predicantenn im münster zu Zürich o , minem p günstigen, liebenn herren und bruder.

h in der Vorlage testamett.
i da über der Zeile nachgetragen.
k in der Vorlage tüsch.
l dan ich daß am Rande nachgetragen.
m darum am Rande nachgetragen.
n husfolk korrigiert aus husfok.
o zu Zürich über der Zeile nachgetragen.
p minem fehlt in der Vorlage.
35 die Weinlese.
36 als.
37 Buchberg, westlich von Rheineck gelegen.
38 komme er dem Zürcher Wein gleich.
39 Heinrich Tuggener (Tugginer), gest. nach 1569, stammte aus einem Geschlecht aus Riesbach (Zürich), das seit zwei Generationen in der Stadt verbürgert war; 1538 wurde ihm das Bürgerrecht erneuert. Tuggener war Stadtknecht. Er soll
fünfmal verheiratet gewesen sein. — Lit.: B. Amiet und St. Pinösch, Geschichte der Solothurner Familie Tugginer, in: Jahrbuch für solothurnische Geschichte 10, 1937, S. 1-183, hier: 13-16; Zürich ZB, Ms E 59, S. 162.
40 Das lateinisch-deutsche Neue Testament war 1535 bei Christoph Froschauer erschienen; s. BZD C 235.
41 am besten.
42 bekommen.
43 wenn.
44 Wohl Michael Schwyzer.
45 denn ich wünschte mir das sehr.
46 Johannes Keller.
47 Katharina, geb. Locher.
48 Leo Jud.
49 Felix Frey (vgl. oben Nr. 1265, Anm. 41).