Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1705]

Bullinger an
Joachim Vadian
Zürich,
19. Dezember 1542

Autograph a : St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 34 (VBS V), 160f (Siegelspur)

Froschauer wird ihm die bisher gedruckten Teile der [,,Biblia sacrosancta"]zusenden; Bullinger lässt Vadian vertraulich wissen, welche Teile Leo [Jud], welche Bibliander übersetzt hat, und hat Froschauer von der Anwesenheit des Boten [Alexius?] Knoblauch Mitteilung gemacht. Vadian hat die Niederlage [gegen die Türken] in Ungarn schon früher vorausgesagt, und Bullinger fühlt sich in die Zeit Jeremias versetzt; noch schlimmer lauten die Nachrichten, die Zunftmeister Hans Wegmann aus Nürnberg mitgebracht hat. Das Urteil des Reichskammergerichts [betreffend die Rekusation?] ist offenkundiges Unrecht; die Geduld [der Protestanten] verwundert Bullinger. Sieht in [König Ferdinand und Kaiser Karl V.] -angesichts der Schäden, die Deutschland und das Reich erleiden - eher eine "Pest des Vaterlandes" als "Väter des Vaterlandes". Sendet den Katalog[?], der auch im Rat verlesen wurde, zurück. Wie schon Zwingli befürchtet hat, ist in der Eidgenossenschaft durch das blutige Geschäft der Pensionenherren die Freiheit und die Seele käuflich geworden; niemand steht dagegen auf doch Gottes Gericht naht. Die Vögte von Locarno, Lugano und Mendrisio sehen sich durch [den Statthalter von Mailand]Markgraf [Alfonso d'Avalos] von Vasto bedroht und haben um Munition gebeten; Zürich hat den Brief nach Luzern [an die katholischen Orte] geschickt, denn sie sind es, die fremde Fürsten provozieren; Bullinger glaubt nicht, dass die Eidgenossenschaft einem Angriff standhalten könnten. Wenn Papst [Paul III.]klug ist, wird er sich am Konzil die Vollmacht zur Verfolgung seiner Gegner geben lassen; aus Italien wird berichtet, Kardinal [Gasparo] Contarini sei vergiftet worden; vielleicht wird [Jacopo] Sadoleto an seiner Stelle das Konzil eröffnen. Zu Vadians Frage nach den italienischen [Flüchtlingen]: Im August kam der Kapuziner Hieronymus nach Zürich, der in Neapel Bullingers Schriften gelesen hatte, und disputierte während seines fast einmonatigen Aufenthalts mit ihm über den Glauben; da ihm die Churer keine Stelle verschaffen konnten, kehrte er [nach Italien]zurück. Darauf traf der gelehrte Celio Secondo [Curione]ein, der sich nach ebendiesem Hieronymus erkundigte und sich ebenfalls als Vertriebener zu erkennen gab; ihn empfahl Bullinger den Bernern, die ihn an die Schule in Lausanne beriefen - zuvor hatte er in Pavia, Venedig, Mailand und Lucca gelehrt. Inzwischen traf Bernardino [Ochino] aus Siena ein, eine beeindruckende Persönlichkeit, der mit Unterstützung von Ascanio Colonna geflohen war und während seines zweitägigen Aufenthalts berichtete, wie er vom Papst als Prediger nach Genua, Florenz und Genua entsandt, dann wegen seiner [evangelischen] Predigt nach Rom zitiert worden war; aufgrund von Warnungen floh er von Florenz aus und lebt jetzt in Genf von wo er seine Predigten gedruckt in Italien verbreiten will -Bullinger übersendet einen Band mit zehn Predigten [GBG 236], die sich Vadian von Kaufleuten übersetzen lassen kann. Nach einem Monat kehrte Celio [Curione] zurück, der seine Familie aus Italien holen wollte und sich von Bullinger eine Empfehlung an die [Herzogin] von Ferrara [Renata von Frankreich] mitgeben ließ; Bullinger rief die Fürstin zur Unterstützung der Verfolgten auf und schenkte ihr seinen Matthäuskommentar. Kurz darauf kam Peter Martyr [Vermigli], vorher Abt in Neapel und Prior in Lucca, begleitet von Paulus [Lacisius], einem Kenner der alten Sprachen; Bullinger legt ein Schreiben Vermiglis aus Basel [Nr. 1674] zur Ansicht bei; dieser lehrt nun in Straßburg. Bucer ist auf Einladung des [Erz-]Bischofs von Köln [Hermann von Wied] am 20. November [richtig: 2. Dezember] [aus Straßburg]abgereist und wird vielleicht Osnabrück, Paderborn und andere Städte reformieren. Celio [Curione] kam mit Frau und Kindern aus

a Mit Randbemerkungen v. späterer Hand.


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Italien zurück, berichtete Erschreckendes über die Verfolgungen und brachte einen Brief der Fürstin von Ferrara mit [Nr. 1683]. Ein Diener Colonnas, den Bullinger nach Genf weiterwies, überbrachte Ochino Geld und bat bei der Rückkehr um ein Schreiben Bullingers

an seinen Herrn, einen Feind des Papstes; um den 6. Dezember gab ihm Bullinger einen Brief und seinen Matthäuskommentar mit. In der Annahme, Vadian wisse Bescheid, schrieb er bisher nichts über diese Vorgänge; fühlt sich seinen vielen Geschäften kaum gewachsen; Gruß. Fügt einen weiteren Brief als Zeugnis des Glaubens der italienischen Flüchtlinge bei; über die Hure Babylon [d. h. das Papsttum] wird Gottes Gericht ergehen. Kann u. a. wegen Kopfschmerzen nur kurz über den Basler Korandruck berichten: Johannes Oporin hat den von Theodor [Bibliander] aufgrund einer arabischen und zweier lateinischer Handschriften edierten Koran samt Begleitschriften gedruckt, um den türkischen Glauben zu widerlegen - die mühevolle Arbeit ließ Bibliander für mehrere Wochen erkranken -, doch wurde der Basler Rat durch gewisse "Esel" zum Einschreiten veranlasst, worauf Oporin trotz Fürsprache von [Oswald] Myconius, Markus [Bertschi], [Johannes] Gast und [Martin Borrhaus] inhaftiert und der Koran beschlagnahmt wurde; in einem Brief [WA Briefwechsel 3802], den Vadian noch erhalten soll, setzte sich Luther für die Freigabe ein, und auch die Zürcher haben nach Basel geschrieben [Nr. 1703], doch der Ausgang der Sache ist offen; der Teufel mag es nicht, wenn er angegriffen wird. Ob Vadian das übersandte Reislaufinandat [BZD C 317] erhalten hat? Gruß; entschuldigt sein flüchtiges Schreiben.

[Gedruckt: Vadian BW VI 181-186, Nr. 1271; Teildruck b : CO XI 478-482, Nr. 441.]