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Autograph a : Zürich StA, E II 367, 17-25 (Siegelspur) Regest: Köhler, Hessen und die Schweiz 473, Nr. 32
Die in Bullingers Matthäuskommentar geäußerte Kritik an jenen, die eine Doppelehe unter
Umständen für zulässig halten, hat ihn enttäuscht, denn der von ihm bisher geschätzte Bullinger
gerät in Widerspruch zu dem, was er sonst vertritt, wenn er eine Begründung aus Gottes
Gesetz und aus der Einsetzung der Ehe verlangt und behauptet, Christus und die Apostel
hätten eine den [alttestamentlichen] Vätern gewährte Dispens aufgehoben; Lening sieht sich
genötigt, in einem freundschaftlichen Brief die Gegenmeinung zu erläutern und Bullinger die
Unhaltbarkeit seiner Argumente aufzuzeigen. Die Befürworter der Digamie gehen davon aus,
dass das unveränderliche Gesetz Gottes von uns wie schon von den Vätern Vollkommenheit
verlangt. Angesichts dessen sind nach Gottes Urteil selbst die guten Werke der Heiligen sündhaft.
Was als Übertretung zu gelten hat und was als gutes Werk, bemisst sich einzig an Mose
und dem Dekalog. Christus und die Apostel haben uns keine neuen Gebote auferlegt, sondern
auf Mose verwiesen. Die Väter und wir sind gleichermaßen Teil von Gottes Volk und Kirche;
was ihnen erlaubt war, kann uns niemand ohne Gottes ausdrückliches Gebot verbieten. Gott
hat die Ehe im Paradies um der Gemeinschaft und der Nachkommenschaft willen gestiftet, und
auf dieses Ideal sollen wir uns ausrichten. Der Bericht darüber ist aber kein Gebot; nach dem
Sündenfall und dem Hereinbrechen der Konkupiszenz dient die Ehe auch zur Vermeidung von
Unzucht und ist allein aufgrund des mosaischen Gesetzes zu beurteilen. Digamie ist dort nicht
nur nicht verboten, sondern z. B. in Dtn 21 [10-17] vorausgesetzt; weder die Propheten noch
die Apostel tadeln sie, und auch Paulus befiehlt die Einehe nur den Bischöfen und Diakonen.
Christus und die Apostel haben in allem auf Vollkommenheit gedrängt, wollten aber nie den
Schwachen ein durch Gott gewährtes Mittel rauben. Viele können den Forderungen [der
Bergpredigt] nicht genügen und sind doch Christen, wenn sie glauben und nach Besserung
streben; wie könnten wir dies gerade an diesem einen Punkt in Frage stellen? Christus und dieBriefe_Vol_13-035 arpa
Apostel haben sich dies nicht angemaßt, doch einige ihrer Aussagen wurden zu Unrecht auf
die Digamie bezogen, und Unverständige haben das Evangelium zu einem neuen Gesetz gemacht.
Sowohl die Apostel als auch Papst Gregor [III.] haben bei Neubekehrten Doppelehen
toleriert, ohne dies als vorübergehende Ausnahme zu deklarieren. Schon bei den Alten war
neben anderen Gründen menschliche Schwachheit im Spiel, und auch später hätte durch
Polygamie oft Schändlicheres vermieden werden können; sollte damit nicht auch heute Schwachen
geholfen werden können? Gedacht ist nur an Einzelfälle, die durch eine ordentliche
Dispens ohne Gefahr des Missbrauchs geregelt werden können. Der sonst strenge Ambrosius
hat das Vorgehen von Valentinian [I.] nicht getadelt, und Chronisten wie [Burchard von]
Ursberg berichten über Könige und Kaiser, die trotz Digamie und Scheidung als Christen
galten; ohne die Tyrannei des Papsttums und der Tradition wäre wohl öfter zu diesem Mittel
gegriffen worden. All diese Argumente stehen im Einklang mit dem, was Bullinger selbst in
,,De testamento", in seinen Dialogen gegen die Täufer und [in der Vorrede zum Matthäuskommentar]
lehrt; zu Recht kritisiert er die Täufer, wenn sie nur jene als Christen anerkennen,
die Gottes Gebote vollkommen erfüllen. Zu Bullingers Argumenten: Wie die von ihm kritisierten
Täufer missachtet er den Zusammenhang, wenn er Mt 19(8]auf die Digamie bezieht;
Lenin g billigt dagegen Zwinglis Auslegung, der bestritt, dass Gott sie verboten hat; auch
Bullinger kann kein Verbot beibringen. Zwar gab Gott Adam nur eine Frau, anderen aber
mehrere; die biblischen Aussagen über die Ehe gelten für sie alle. Ob jemand Christ ist,
bemisst sich nicht am Gesetz, wie Bullinger den Täufern zu Recht entgegenhält, doch hier
argumentiert er wie diese. Er wird nie belegen können, dass die Digamie den Vätern nur
vorübergehend zugestanden wurde. Es gibt auch keinen Grund, warum dieses Mittel den
Schwachen nicht mehr gewährt werden sollte, hat Christus doch auch die Übertretung des
Sabbatgebots gerechtfertigt. Wie sollten Doppelehen für Paulus undenkbar gewesen sein,
wenn er die Einehe [nur]den Bischöfen und Diakonen vorschrieb? Zwar hat Christus die Ehe
auf ihren ursprünglichen Sinn zurückgeführt, doch wie in anderen Dingen gilt auch hier, was
Bullinger gegen den Rigorismus der Täufer schreibt. Warum nimmt er an, wir könnten gerade
in diesem Punkt mäßiger und vollkommener leben als die Väter? Zwar sollen Christen nach
Vollkommenheit streben, doch die von Gott gewährten Heilmittel für ihre Schwächen darf
ihnen niemand nehmen. Paulus spricht in iKor 7(2]nicht von Digamie, und was er in Röm 7
[1-3]für die Frauen anordnet, überträgt Bullinger willkürlich auf die Männer. Anders als
Paulus unterstellt Bullinger Digamisten eine fleischliche Gesinnung. Er verweist auf die von
Ambrosius und Augustin angeführte Begründung für die mehrfachen Ehen der Väter, verkennt
jedoch, dass es weitere legitime Gründe dafür gab, und bezieht Mal 2 [10-16]fälschlicherweise
auf diese Frage. Der eifernde Tadel, mit dem er schließt, kann nicht die Schwäche seiner
Argumente verdecken. Besser hätte er wie andere zu diesem Thema geschwiegen; Lening
möchte ihn durch diesen privaten Brief dazu veranlassen, seine Haltung zu überdenken und
auch jene als Christen anzuerkennen, die nicht den höchsten Grad an Vollkommenheit erreichen.
Hofft auf eine offenherzige Antwort. Gruß.
Gratiam et pacem a deo patre et domino nostro Jesu Christo".
Exhibuerunt mihi nuper, charissime Bullingere, quidam fratres tuos in Mattheum commentarios' obnixe rogantes, uti in 19. capite legerem tuam sententiam contra adsertores et defensores digamiç; 2 sciebant enim te semper a me magnifieri. Legi atque diligenter expendi tua argumenta, sed non
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citra stomachum ac dolorem, quum animadverterem te (quem hactenus plurimum amavi, suspexi et colui) eo loci tibi ipsi non parum dissimilem, quinetiam contrarium et tanto tuo nomine non perinde, ut antea solitus es, respondentem. Et si quid eiusmodi votis proficitur, optarim te eiusmodi ulcus aut prorsus non attigisse aut fortioribus et probatioribus medicamentis aggressum esse. Quod idem mecum optant et te in hoc argumento satis imbecillem iudicant plerique fratres eruditi tibi studiosi et digamiae parum propicii. Putas digamiae adsertores non habere firmius argumentum quam exempla aliquot patrum nihil in hac re probantia. Exigis argumenta e lege dei et ex prima coniugii origine deducta etc. 3 Vis patres veteres habuisse divinam dispensationem in sua polygamia, hanc autem esse apud christianos per Christum et apostolos prorsus sublatam et abrogatam etc., quae fusius ibidem in hoc argumento adducis. Ad quae partim pro mea erga c te observantia, partim ex amore veritatis et conscientia cogor tibi scribere et, quantum in familiari epistola fieri potest, breviter indicare fundamenta, argumenta et scripturas, quibus digamiae adsertores nituntur eamque hodie in certis necessariis casibus licitam volunt, deinde tuorum argumentorum imbecillitatem, quibus digamiam aggressus es, tibi ob oculos ponere bona spe te, hominem eruditum et christianum, quicquid id est, boni consulturum et, posteaquam omnia perlegeris atque intellexeris, digamiae etsi non omnino propitium, non tamen prorsus adeo iniquum futurum. Precor itaque per Christum, velis affectibus ablegatis cum maturo iuditio legere et expendere, quae hic subiiciam.
Digamiae adsertores istis potissimum fundamentis nituntur:
Primum, esse unicum, aeternum, incommutabilem deum ab initio usque ad finem mundi, patrum aeque d ac nostrum, nostrum non minus quam patrum. Hunc aeternum et incommutabilem deum habere etiam non nisi unicam, aeternam et incommutabilem ac irrevocabilem legem ab initio usque ad finem mundi. Quae lex (quantum substantiam ac nucleum attinet) nunquam non ab hominibus eadem exigat, nempe omnimodam perfectionem et plenam ad imaginem dei reformationem.
Iuxta hanc legem non solum manifestas transgressiones, verumetiam omnium sanctorum opera quantumvis bona apud deum ipsiusque tribunal pro peccatis censeri. Sunt enim omnes inutiles servi, ut Christus eos fateri iussit; 4 peccaverunt omnes et egent gloria dei [Röm 3, 23].
Quantum vero hominum et ecclesiae iudicium attinet, nihil esse pro peccato et legis transgressione atque illicitum habendum, quod deus non expressis verbis in Mose et decalogo 5 prohibuerit atque damnant, nihil approbandum proque bono opere habendum, quod ibidem non sit expresse approbatum et admissum.
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||18 Christum eiusque apostolos non esse novos legislatores nihilque docuisse aut precepisse, quod non antea sit in Mose et decalogo comprehensum. Eoque nos semper ab eis remitti ad Mosen, legem et decalogum. 6 Legem esse per Mosen datam, gratiam et veritatem per Christum exhibitam. Paulum ut non de virginibus, ita neque de aliis in lege non expresse comprehensis neque novum preceptum neque prohibitionem domini habuisse. 8 Et quamvis fidele det consilium et ad perfectionem passim omnes cohortetur, nemini tamen laqueum iniicere 9 , quando quisque suum habeat donum 10 .
Nos esse una cum veteribus eosque nobiscum eundem populum dei, eandem ecclesiam, habere eundem Christum, unam fidem, unum baptisma, unicum aeternum testamentum, unam eandemque legem, easdem promissiones et eandem viam salvandi. 11 Et quicquid veteres sua in Christum fide non fraudant, hoc nec nobis nostram posse eripere fidem. Item, quicquid veteribus ob fidem in Christum concessum neque pro peccato imputatum (quantum hominum et ecclesiae iudicium attinet), hoc nobis quoque permissum, nullius neque angeli neque hominis authoritate 12 citra expressum dei mandatum posse eripi et pro manifesta divine legis prevaricatione imputani.
Matrimonium sane a deo in paradiso optime inter marem et faeminam institutum 13 causa societatis et prolis eumque optime facere, qui (caeteris paribus) e iuxta hanc institutionem vixerit, eius matrimonium deo maxime probari, ab omnibus laudari omnesque coniugatos ad eundem scopum esse mittendos et cohortandos.
Non tamen concedendum, ut quivis pro suo libito ex verbis Adae et nuda recitatione faciat legem divinam, ex oratione indicativa imperativum. Neque permittendum, uti humanum genus post Adae lapsum, posteaquam inordinata concupiscentia 14 irrepserit, iuxta primam matrimonii institutionem in statu omnimodae innocentiae, sed potius iuxta scriptam Mosi legem et decalogum censeatur et iudicetur; alioqui non solum digamos, sed etiam omnes monogamos, qui suas uxores - praeter causam societatis et prolis - etiam fornicationis vitandae ergo cognoscunt f , 15 damnatum iri. Nam haec causa matrimonii in paradiso nondum erat, siquidem inordinata concupiscentia necdum irrepserat.
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Digamiam porro post Adae lapsum nusquam neque prohibitam neque damnatam, sed a deo ceu remedium humane imbecillitati fuisse semper concessam argumento infallibili esse non exempla patrum modo, verumetiam Mosaicas leges Deut. 21 [10-17] et alibi. Quae indiscriminatim citra ullam exceptionem omnibus Iudeis sanciant, quemadmodum se gerere debeant erga g virginem a se constupratam, erga captivam et erga duarum uxorum liberos in dividunda hereditate. Fuisse etiam tum ante legem patriarcharum tempore tum sub lege tum sub herbescente evangelio digamos atque polygamos neque a deo neque a prophetis neque ab apostolis eius facti erga h unquam vel reprehensos vel damnatos. Quum tamen prophetae et apostoli nullum peccatum, etiam occulta et apud pias aures retinenda vicia et scelera soleant intacta preterire. Et quinam potuisse Paulo tantum oblivionis obrepsisse, ut, quum toties nullius non sceleris et delicti, quod nos caelorum regno privet, meminerit, digamiam iam tum sibi ob oculos obversantern etiam non percelluerit? Certe apostolos non adeo oscitantes et negligentes habendos, ut, si digamiam deinceps perinde ac alia publica et occulta crimina illicitam, ||19 damnosam et damnatam censuerint, eius non adeo expresse atque aliorum mentionem fecerint. Paulum saltem aeque i facile dicturum fuisse: "Sit quivis christianus deinceps unius uxoris maritus", atque dixit idque non semel: "Sit episcopus unius uxoris maritus."16 Eique hoc peculiare preceptum ad episcopos et diaconos supervacaneo excidisse neque opus fuisse eo toties repetito, si digamia iam pridem per Christum et apostolos apud omnes christianos in universum fuisset abrogata et citra ullam exceptionem prohibita atque damnata.
Christum sane et Paulum non solum Matthei 19. et 1. Cor. 7., verumetiam Matt. 5. 6. 7., Luc. 6. et alibi nos evehere et transmittere ad summum perfectionis gradum non in uno tantum divortii aut digamiae articulo, verum in omnibus quoque articulis, qui in iam citatis capitibus comprehenduntur. Ad quem scopum etiam nobis perpetuo sit tum suspiciendum tum collimandum aliique omnes excitandi et remittendi. Non tamen inde consequi eos novas nobis leges sanxisse, paternam legem vel abrogasse vel sustulisse vel immutasse, tantum abesse, ut irnbecillibus christianis (qui tam sublimem perfectionis scopum nequeunt contingere) remedia a celesti patre veteribus concessa voluerint denegare et eripere. Neque enim hoc ipsorum functionis fuisse. Quando Christus non novus legislator, non severus exactor, sed gratiç conciliator, immo gratiç plenus fuerit apostolique non litterae, sed spiritus ministri extiterint. 17
Fuisse semper hodieque reperiri multos, qui perfectionem paradisi et divinae legis Matt. 5. 6. 7., Luc. 6. etc. a Christo expressam nequeunt assequi existentes ac manentes imbecilles ac imperfecti christiani, obnoxii philautiae
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18 , iracundiae 19 et concupiscentiae 20 , habentes proprios servos propriaque bona, 21 pensiones recipientes, non omnia relinquentes, suum in iudicio repetentes, 22 suas uxores preter causam prolis ob fornicationem vitandam cognoscentes etc. In hisce et consimilibus humanae infirmitatis casibus et nevis nos probe posse dispensare, divinam indulgentiam et conniventiam agnoscere, eos christianos relinquere, modo in Christum credant, sua vitia agnoscant, ad perfectiora sibi semper conandum statuant eoque indesinenter pro virili contendant. Iam quum digamia nusquam expresse sit prohibita fueritque ante legem, sub lege, sub exortu evangelii in usu, patres christianos esse permiserit, fidem illis non abstulerit, cur non agnoscamus et fateamur eam hodie quoque christiano imbecilli in certis iisque necessariis casibus licitam atque permissam? Qua authoritate denegabimus digamum posse esse et permanere christianum, modo in Christum credat inque christiana vita proficere subinde pergat? Cur non hic quoque agnosceremus divinam dispensationem perinde ac in aliis casibus? Cur similibus morbis non permitteremus similia remedia?
Quicquid deus in sua lege ac decalogo non expressis verbis preceperit vel prohibuerit, commendarit vel reprehenderit, hoc in nullius hominis esse authoritate (quantum ad conscientiam et salutem pertinet) vel precipere vel prohibere, approbare vel damnare, multo minus quam Christo et apostolis id licuit, qui ut sui officii id non esse agnovere, ita sibi nequaquam arrogarunt. Quod vero digamia apud christianos tantopere hactenus fuerit damnata, prohibita et illicita habita, promanasse et accidisse partim ex verbis Christi Matt. 19 [4-6. 8f] et Pauli 1. Cor. 7 [2] parum sobrie intellectis et contra suam naturam in digamiam detortis, cuius tamen ibidem ne unico quidem iota fiat mentio, partim ex eorum ignorantia et hallucinatione, qui k ex Christo novum legislatorem, ex evangelio perfectionis ||20 legem, ex nobis et veteribus duos diversos populos, duas ecclesias et duo testamenta fecerunt, quum luce clarius citra omnem controversiam constet Christum cum plenitudine paternae gratiae venisse ut salvatorem, ut medicum, ut opitulatorem 23 et condonatorem, non ut tyrannum et exactorem severiorem, quam pater in sua lege fuerit, sed qui linum fumigans non foret extincturus neque conquassatum calamum porro confracturus 24 neque ecclesiam suam oneraturus, 25 sed liberaturus, exoneraturus et relevaturus.
Constare neque inficias iri posse non solum apostolos suo tempore digamos ex gentibus et Iudeis baptisasse ac christianismo inaugurasse, verumetiam
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papam Gregorium 26 tempore Bonifacii 27 cum Germanis digamis ad fidem conversis dispensasse. 28 Quum vero citra divinum verbum nulla humana valeat dispensatio, utrosque aut verbum dei, iuxta quod egerint, habuisse aut contra legem et verbum dei, quod absit, dispensasse et homines seduxisse. Quum vero solidam veramque utrique praedicarint paenitentiam et remissionem peccatorum per nomen Iesu (cui doctrinae indissolubiliter innexum est declinare a malo et facere bonum), eos apud recenter conversos tam non concessuros permissurosque fuisse digamiam, quam non tolerarunt, condonarunt ac permiserunt adulterium. homicidium, veneficium, fornicationem, molliciem etc., si illam perinde atque haec scelera deinceps illicitam, prohibendarn damnandamque statuissent. Aut saltem eos dicturos fuisse (quod tamen nusquam reperitur) digamos tum conversos propter presentem conditionem et necessitatem esse tolerandos, digamiam autem deinceps nulli christianorum permittendam.
Extitisse apud veteres non unam eandernque, sed varias causas digamiae, Abrahamo Sarae sterilitatem, 29 Iacobo Labanis dolum, amorem Rachelis, sororum emulationern plures iunxisse, 30 Gedeoni 31 Helkanae 32 Davidi 33 et cetens procul dubio alias causas polygamiae fuisse neque quenquam eorum prorsus concupiscentiae et humanae infirmitatis in suo facto exortem et immunem fuisse. Caeterum apud christianos nunquam non extitisse aliquos pari imbecillitati et imperfectioni obnoxios. quibus per digamiam quivisset consuli et mederi ad multa adulteria, fornicationes et reliqua id genus vicia praecavenda et prescindenda, si eadem lux evangelii tunc temporis tam clare luxisset, ut hodie nobis illuxit. Quum itaque hodie non minus sit imbecillitatis in christianismo ut olim quid ni liceat illi in inevitabilibus casibus per
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digamiam mederi et succurri in illis presertim viris, apud quos alioqui fidem in Christum et vitae emendationem in aliis articulis queamus deprehendere?
Adsertores digamiae nunquam ne cogitasse quidem eam ceu communem legem inducendam omnibusque indiscriminatim permittendam, vicissim tamen se aegre laturos eam citra expressum dei verbum ex humana ignorantia, praesumptione et temeritate sic in universum damnari atque tolli, ut neque possit neque liceat cuiquam per ordinatam dispensationem in certis necessariis casibus concedi, quum per eam queat multis christianis consuli, qui alioqui per eius denegationem in alia prohibita vicia cadere permittuntur, ne dicam impelluntur. Neque vero communem eius abusum tam anxie metuendum, quando nec apud priscos adeo vulgaris fuerit neque sit omnium cibus. Neque pravorum abusum ||21 tanti faciendum, ut propterea bonis sua remedia a deo concessa velimus denegare et auferre. Eos etiam, quorum interesset in hoc negocio dispensare, bene provisuros et cauturos, ne abusuris et pravis hominibus in hoc frena laxentur.
Nusquam legi de Ambrosio, tam severo episcopo et tanto celibatus et virginitatis estimatore, quod Valentinianum 34 imperatorem ob suam digamiam et legem 35 unquam reprehenderit et excommunicarit, quum tamen non sit veritus Theodosium corripere et anathemate ferire propter facinus in Tessalonicenses designatum. 36 In Chronico autem Urspergensis 37 aliisque chronographis aliquot regum et imperatorum reperiri exempla, qui partim digamia, partim divortio sunt usi neque tamen eam ob rem christiano nomine exuti aut anathemate percussi. 38 Ex quo detur coniici multo plures humanae imbecillitati digarniae remedio consulturos fuisse, si ipsam rem et veritatem liquidius perspexissent neque tam impense paparum tyrannidi, superstitioni et traditionibus obnoxii fuissent.
Habes, charissime Bullingere, fundamenta, causas et potissima argumenta, quibus digamiae defensores nituntur voluntque eam hodie quoque in certis casibus posse admitti. Tu vero tua in confutatione horum prorsus nihil attigisti, tantum abest, ut ca potuenis obruere; neque enim hoc tibi cum decoro
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licuisset, quando eorum bona pars ex tuis ipsius libellis sit desumpta. Quod ipse agnosces et fateri cogeris, si memineris tui libelli De unico eterno testamento, 39 tuorum item dialogorum contra anabaptistas, 40 ut ibidem tractes hunc locum: "Mutuum date nihil inde sperantes" [Lk 6, 35], 41 quale discrimen facias inter legem et peccatum, ut tres preceptorum divinorum grados facias 42 neque permittas hominem christianum iuxta legem (iuxta hanc enim omnes peccati convinci), sed iuxta gratiam et fidem censeri. Item, si recorderis huius tuae sententiae: Christum suam ecclesiam non onerasse etc. 43 Quae omnia tantum apud me habent ponderis atque vigoris pro digamia, quantum penes te et me habent firmamenti contra anabaptistarum errorem. Et sunt sane eiusmodi argumenta penes me tam solida tamque fortia, ut, etiam si velim in favorem monogamie (quam summe exosculor) ea subvertere, id me bona conscientia effecturum diffidam. Nihil enim possumus contra conscientiam et veritatem. 44 Nam si voluero hominem ex lege in statu innocentiae nostris mentibus insculpta 45 et a Christo Matt. 5. 6. 7. 19., Luc. 6. declarata iudicare, erunt mihi perinde ac anabaptistis mox omnes homines pro non christianis habendi atque damnandi, qui eiusmodi summum perfectionis gradum nondum sunt assecuti. Cogor ex Christo severiorem legislatorem facere, quam pater caelestis et Moses fuerunt. Ubi autem scripture, ubi verbum dei, ubi fundamenta infallibilia, quibus tuto nitar? Sin autem constituero (quod quidem veritate victus nequeo detrectare) Christo et apostolis suam functionem non esse eripiendam, ministros gratiae et spiritus, non litterae eos faciendos, 46 si contendam christianum non iuxta legem (quae iam olim data neminem non peccati reum constituit), sed iuxta euangelion, ||22 gratiam, spiritum et fidem censendum, iam cogor, velim nolim, 47 fidelem digamum sinere esse christianum, tametsi hac parte aliquatenus imperfectum, aeque ac tu et ego omnesque pii eos pro christianis habemus atque defendimus, qui iuxta suam in Christum fidem etiamdum philautiae, concupiscentiae, iracundiae et consimilibus morbis non parum sunt obnoxii, qui non sua omnia in egenos erogant, qui mutuum cum spe retributionis dant, propria possident, iuditio sua repetunt etc.
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Sed desinam, ne sim nimius, tua nunc tela contra digamiam expensurus eorumque imbecillitatem indicaturus. Primum facis ex verbis Christi Matt. 19 [4-6. 8f] generalem canonem ad digamiam proculcandam. 48 Hic tantundem efficis, quantum anabaptistae cum hoc dicto: "Mutuum date nihil inde sperantes"49 non rite intellecto. Accipe itaque tua ipsius verba: "Error" (inquis) "est, immo heresis quaedam, verbis non intellectis aut non rite intellectis, non collatis aliis locis scripturae nec expensis circumstantiis mordicus herere."50 Haec ipse. Quae si velis observare, desines verba Christi in Iudeorum immeritum et perversum divortium prolata in immeritam et licitam digamiam torquere, desines christianos digamos ex hisce verbis (,,ab initio non erat sic"51 ) censere. Zvinglius noster oculatissimus nihil tale ex Christi verbis potuit elicere. Cuius annotationibus in eundem locum 52 non gravatim subscribo. Quem etiam constat, dum viveret, negasse digamiam divina lege prohibitam et damnatam esse. 53 Tu vis nos debere digamiam ex dei lege eque prima coniugii institutione stabilire. 54 Id superius est factum legesque indicatae, quibus evincatur digamiam perinde ac divortium a domino per Mosen concessam et indultam, non iussam aut preceptam. Tuum erit legem proferre, quae eam abrogarit et damnant. Verba Christi sic torta, sed iuxta interpretationem Zvinglii non genuino sensui restituta id non efficient.
Dicis deum primevam suam legem facto quoque et praxi confirmasse, dum uni viro unam conderet et adiungeret uxorem. Duosque, non plures, debere esse in carnem unam, et propter fornicationem vitandam unumquemque debere habere suam uxorem, non suas etc. 55 Queso, num non deus aeque Abrahamo, Iacobo, Davidi, Ioas 56 , Helkanae etc. suas plures iunxerit dederitque
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uxores atque Adae suam unicam Evam? An non iidem patres, quin et recens conversi ad christianismum digami cum qualibet secunda sua uxore fuerunt eadem caro atque cum prima? An Pauli verba non aeque omnes concernunt? Si non fuere a deo coniuncti et una caro, iam non fuere vera matrimonia. Verum scriptura diversum docet et dicit deum Davidi dedisse uxores domini sui. 57 Ad hec verba Gen. 2., Matt. 19., 1. Cor. 7. aeque ad omnes pertinent.
Ceterum, quantum primam matrimonii institutionem et Christi verba Matth. 19. attinet, tuis ipsius verbis tibi respondeo: "Quum Christi verba, quae Matth. 5. et Lucae 6., quinetiam Matth. 19. et alibi scribuntur, ad legem pertinent, non patiemur, ut vos anabaptistae christianos ||23 ex his aestimetis" (agnosce tua verba). "Nam si quis nos lege metiri velit, reperiemur omnes ex aequo et peccatores esse et damnati, Rom. 3 [23]: 'Omnes peccaverunt et egent gloria dei.' Quae ista gloria, quam deus in nobis desyderat? Nimirum ut simus sancti, puri et sine omni labe, quemadmodum deus est, qui nos ad imaginem suam creavit. Quandoquidem ergo nihil sumus quam caro et infinitis peccatis obnoxii, desyderat deus hanc in nobis gloriam. Christianus ergo non aestimandus erit ex lege, sed ex fide et gratia" etc. 58 Quae et multa alia fusius in tuis dialogis pertractata si cum tua declamatione in digamiam contuleris, ipse, velis nous, 59 fateri cogeris inter se ex diametro dissidere.
Iam cuperem audire, quibusnam scripturis queas probare et ad oculum demonstrare 60 (nam incertos et detortos locos non admittimus) digamiam certis l et peculiariter nominatis patribus a deo speciali dispensatione suo saeculo fuisse permissam, apud christianos vero prorsus in universum et abrogatam et damnatam. Hoc ad Grecas kalendas 61 efficies, nisi prius ex Christo novum legislatorem severumque exactorem feceris, scripturas superius citatas impugnaveris, quinetiam tua ipsius verba revocaveris atque retractaveris.
Quas vero poteris adducere rationes, quamobrem digamia veteribus remedii vice in necessitate a deo concessa, hodie christianis simili necessitate constrictis eademque infirmitate laborantibus non aeque sit ac illis permittenda? Si copiosiorem continentiae spiritum iactaveris, experientia contrarium evincet. Quis porro citra impudentiam et temeritatem hoc Christo asscripserit: eum digamiae remedium apud christianos citra omnem necessitatis exceptionem sustulisse, quem constat cum discipulis in necessitate etiam in sabbati violatione dispensasse ac Davidem de manducatione panum propositionis ob necessitatem excusasse? 62 Ubi illud eius dictum manebit: sabbatum propter hominem institutum, non hominem propter sabbatum conditum?
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63 Ubi illud: filium hominis etiam sabbati (procul dubio etiam matrimonii) esse dominum? 64
Vis sanctissimo apostolo Paulo non venisse in mentem futuros aliquando, qui uni viro unquam sint plures uxores copulaturi. 65 Quid ergo causae fuit, ut episcopis et diaconibus peculiariter iniunxerit eos debere esse unius uxoris maritos? 66
Contendis Christum, verum Messiam, suo in mundum adventu omnia restituisse, primam coniugii institutionem in regno suo et doctrina revocasse ac renovasse omnibusque suis cultoribus unice sequendam proposuisse, 67 quod ipsi sane tecum non gravatim concedimus et fatemur; sed addimus hoc ab eo factum non in uno tantum matrimonii casu, sed etiam in omnibus aliis articulis summam a nobis perfectionem postulantibus, idque in eo intellectu admittimus, quem ipse in tuis contra anabaptistas dialogis nobis in manum tradis.
||24 Arbitraris unius uxorculae consortium christiano, hoc est temperanti marito, posse sufficere. 68 Qui fit, ut christianos hoc uno in articulo et non aeque in aliis quoque articulis tam temperantes facias? Queso, sola ne digamiae abdicatio christianum et temperantem efficit? An non David, Abraham, Iacob, Helkana etc. christiani et temperantes fuerunt? Anabaptistae sane non modo in monogamia, verumetiam in omnibus aliis articulis summam perfectionem postulantibus volunt nos esse eiusmodi christianos et temperantes, atqui spiritum (quo solo id ipsum in nobis perficitur) nequeunt nobis conferre. Preterea, quam christiani simus in hoc et aliis casibus temperantes, ipsa experientia palam clamitat.
Fatemur sane tecum omnem christianum ad summum perfectionis gradum atque ad innocentiae statum esse omnibus modis subvehendum. Nolumus privilegia omnibus esse communia neque per ea primam matrimonii legem abrogamus. Vicissim non permittemus privilegia et remedia humane imbecillitati semper concessa per humanam praesumptionem, superstitionem, temeritatem et constitutionem nobis eripi et tanquam illicita damnari.
Adducis contra digamiam locum Pauli 1. Cor. 7 [2]: "Unusquisque habeat suam uxorem", 69 et facis ex oratione indefinita singularem exciusivam. Quod ut tibi una cum aliis qui eadem oberrant chorda, liceat m , ipsi videritis; equidem non ausim mihi tantum permittere. Paulus sane eo loci ne unico quidem iota digamiae meminit; quare immerito huc torquetur. Aeque prevaricaris, dum eius verba Rhom. 7 [1-3], quae per similitudinem 70 de muliere n legi alligatae et sub viri dominio constitutae infert, detorques in maritum, 71 '
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quasi vero mulieri sit par ius et dominium in maritum, quale est marito in uxorem.
Censes digamos esse homines, qui spiritu ceperint, nunc carne velint consumari. 72 Utinam tui Helvetii una cum nostris et nobis essemus tales carnales christiani, quales David, Abraham, Iacob, Helkana etc. fuere! Paulus sane nos permitteret esse christianos et spirituales neque tam procaciter pro carnalibus estimaret.
Indicas ex Ambrosio et Augustino causas, quare veteribus plures uxores sint permissae 73 , quae ut sint solide et verae, quantum attinet ad tribum Iuda, cui factae erant promissiones de venturo Messia, 74 in alias tamen tribus non perinde competent, quibus alias digamiae causas easque licitas et honestas permittamus oportet, si non debeant prevaricationis coangui. Vis enim Malachiam cap. 2 [10-16] de hoc propriissime et simplicissime disseruisse, 75 quod surdo et caeco facile persuaseris, qui eum Malachiae locum neque legerunt neque audierunt unquam.
Tandem tuam declamatiunculam finiturus exacerbaris, stomacharis et tantum non minitaris omnes pios adhortans ab isto infaelici dogmate et monstrificis aborsibus sibi caveant. 76 Quae omnia equidem lubens tuo christiano zelo ac puritatis amori ascribo atque boni consulo, tametsi suboleat humani nonnihil etiam tibi accidisse. Prodiisti in publicum cum tua sententia; non licet temere regredi neque ita facile tuorum argumentorum imbecillitatem et inconsistentiam apud emunctae naris 77 lectores poteris o dissimulare.
||25 Vides, quanto consultius fuisset hanc Camarinam abs te non esse motam, 78 quemadmodum non parum multi alii viri cum docti tum pii non citra prudens consilium pregnantissimasque causas ab ea hactenus abstinuere, etiamsi essent digamiae infensissimi. Equidem sane, tametsi factum infectum reddi nequeat, 79 non potui tamen omittere, quin privatus privatim, amicus amico 80 haec perscriberem, non quidem animo contendendi aut publicitus ecclesiarum dissidium excitandi, sed ut tibi darem occasionem de hoc negocio paulo accuratius et sobrius cogitandi, deliberandi atque tractandi, ne oleum camino addatur, 81 ne innocentes temere damnentur, ne res
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propemodum consopita denuo perperam suscitetur. Non amo logomachias neque tamen potui abs p te ita provocatus meam et meorum sententiam subticere, cuius me nondum puduit neque pudescet, nisi melioribus argumentis et scripturis, quam hactenus auditum est, ab ea abducar. Errare possum, hereticus esse nob. 82 Tu proinde, si melius quid habes, candidus imparti, si non, his utere mecum. Non, ut uterque digami reddamur, sed ne eam citra solidiora fundamenta in aliis christianis temere damnemus, quin potius infirmum in fide suscipiarnus eumque, etiamsi sit digamus, propter suam in Christum fidem non minus pro christiano et fratre habeamus quam eos, qui in Christum credentes nunquam tamen summum perfectionis gradum Matt. 5. 6. 7., Luc. 6. etc. ostensum queunt conscendere.
Habes, charissime Bullingere, ab amico Lenyngo amicam epistolam, sed citra adulationem candidam, citra dentem liberam. Tu, spero, omnia aequi ac boni consules neque gravaberis pari candore et libertate respondere et, quantum apud te profecerit, indicare. 83
Bene vale in Christo et saluta diligenter meo nomine omnes tuos symmistas mihi tum fotos tum incognitos.
Datae e Milsungen, opidulo Hessiae, 16. ianuarii anno 1543.
Tibi addictissimus
Ioannes Lenyngus, verbi divini
minister in Hessia.
[Adresse auf der Rückseite:] Preclarae eruditionis atque pietatis viro d. Henrico Bullingero, Tigurinae ecclesiae episcopo, suo in Christo q charissimo fratri. Ad manus proprias.
[Deutsche Erstfassung des Briefs: r ]
Gnade und fridde von gott, dem vater, und unserm herren Christo Jesu.
Ich bin ungefere 84 komen uber dein Commentarios in Mattheum, 85 meyn lieber Bullingere, da haben mir etliche bruder angezeigt und zu lesen vorgehalten im 19. capitel deyn meynunge und confutation widder die digamey oder poligamey. 86 Wilches, nach dem ich mit vleis verlesen und bewogen, mir nit geringen unmuth und befrembdunge bracht hat, dieweil ich dich (den
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ich allewege 87 hoch geachtet, thewer und wert gehalten) des orts dir selbst so gar unenlich 88 befunden. Wullt, du hettest dißen schwern 89 antweders gar nit angeruret oder mit krefftigern, bewertern t und bestendigern artzneyen zu heilen vorgenomen. Dann auch vil gelerten, so dir vast 90 gunstig und geneigt, der digamey aber ungeneigt, achten dich inn diser materi nit allein zu schwach, sonder auch dir selbst zu widder. Du meynest, man hab keyne u krefftiger argument, die digamey zu billichen und zu verfechten, dann die exempel der altveter 91 , die doch nicht 92 konnen beweren 93 , wo nit gewisse gottliche gesatze vorhanden. 95 Die patriarchen haben zu irer digamey gottliche dispensation gehabt, wilche nun durch Christum und Paulum seyen uffgehaben etc. Hiruff zwinget mich zum teil die liebe und hochschetzunge zu deyner wirde, zum teil meyn gewissen und lieb zur warheit, dir, so vil in eyner fruntlichen epistel uffs kurtzest mag gescheen, zu antworten und zum ersten die rechten grunde und argumenta, daruff die yhenen (so da digamiam inn unvermeidlichen nottfellen durch eyn ordenliche dispensation billichen) bawen, anzuzeigen v und darnach deyne waffen, darmit du solchen bawe vermeynest zu sturtzen, abzuleynen w 96 guter hoffnunge, du werdest nach disem meynem fruntlichem bericht disem handel (den du gleich andern gelerten billich hettest lassen beruhen, dieweil er vast gestillet) hinforter, wo nit gar genedig, doch etwas geneigter seyn und dich nit weiter inlassen x , darvon zum nachteil und zur trennunge der kirchen zu handlen.
||26v. Grunde, argument und schrifft, daruff die yhenen bawen, die digamiam heut so wol als bey den alten inn etlichen unvermeidlichen nottfellen billichen und durch ordenlich dispensation zulassen.
Es sey eyn eyniger 97 , ewiger, unwandelbarer gott von anfang der welt, der alten so wol als der unsern, der unsern so wol als der alten. Derselbige eynige, unwandelbare gott hab auch nur ein eyniges, ewiges, unwandelbares, unwidderrufflichs gesatze von anfang bis zum ende der welt, wilches ye und allwege von den menschen (so vil die substant[!] und kern des gesatzes belangt) eynerley, nemlich alle volnkomenheit, erfordert.
Nach solchem gesatze werden nit alleyn öffentliche ubertretunge, sonder auch aller heiligen gutten werck vor gott und seynem urteil als sunde und mangel erfunden 98 . Dann sie seynt alle unnutze knecht, haben alle gesundiget und manglen des preises, den gott an yhn haben soll [Röm 3, 23].
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So vil aber der menschen und der kirchen urteil betreffe, sey nichts fur sunde zu achten, das gott nit austruckliche durch Mosen verpotten und geunbillicht 100 , nichts zu billichen und zu loben, das alda nit auch austrucklich gebillichet und zugelassen sey.
Christus und seyne apostel seyen keyne newe gesatzgeber, haben auch nye nichts gepotten, das nit vormals imm gesatze der natur und inn Mose begriffen 101 sey. Sie weisen uns auch allenthalben uff Mosen und die zehen gepott 102 . Das Gesatze sey durch Mosen geben, die gnade und warheit sey durch Christum entstanden. 103 Paulus hab von der jungfrawschafft (on zweifel auch von der digamey) keyn gepott noch verpott des herren, geb wol davon seyn trewen rath. 104 Wolle niemant keynen strick an hals legen, 105 nach dem eyn yeder seyne gabe hab, eyner sunst, der ander so. 106
Wir seyen mit den alten und die alten mit uns eyn volck gottes, eyn gemeyn und kirche, haben eynen Christum, eynen glauben, eynen tauff, eyn eynig, ewig testament, eyn gesatze, eynerley verheissunge und wege zur selikeit. 107 Und was den alten iren glauben inn Christum nit hab genomen, das werde yhn uns auch nit konnen nemen. Was den alten jres glaubens halben zugelassen und nit zur sunde zugerechnet sey, dass sey uns auch zugelassen und hab keyn mensch noch engel 108 macht uffzuheben und fur sunde zuzerechnen.
||27r. Der ehestant sey im paradiße recht und wol verordnet 109 zwischen zweyen der gehulff und frucht halben alleyn, und wer sich solcher insatzunge und ordnunge am nehesten konn gehalten, der thue am besten, des ehe sey auch gott am gefelligste und loblichste, da hin auch alle menschen uffs vleissigst seyen zu weisen.
Man musse aber aus den worten Adams und aus eyner schlechten 110 rede und recitation keyn gepott gottes machen, das menschlich geschlecht nach Adams fall und nach unordenlicher fleischlicher begirden inreissunge 111 nit nach der ehe ersten insatzunge im stant der unschult, sonder nach dem gesatze Mosi und decalogo richten, sunst wurden nit alleyn die digami, sonder auch alle monogami, so ire weiber, umb unkeuscheit und horerey zu vermeiden, 112 erkennen, verdampt. Dann solche ursach war im paradise nit, dieweil unordenliche begirde noch nit ingerissen ware.
Das aber die digamey im gesatz Mosi nit verpotten noch verdampt, sonder von gott als eyn artzney menschlicher schwacheit und blodikeit 113 zugelassen y , sey klar zu beweisen und zuschliessen aus den gesatzen Mosi Deut.
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21 [10-17] von dem, der eyne im krick 114 gefangen zur ehe woll nemen, item wen eyner zwey eheweiber hab, wie der sich in der erbteilunge gegen die kinder solt halten etc. So seyen vorm gesatze zur zeit der patriarchen, unterm gesatze und hernach unterm evangelio digami gewesen, weder von gott noch den propheten noch aposteln yemals gestrafft 115 oder verdampt. Die doch keyne sunde und gottliches gesatzes ubertretunge pflegen zu übersehen.
Man lese vom David, er sey gewesen eyn man nach gottes hertze, 116 hab recht gethon vor den augen des herren, sey von gotts gepotten nye abgewichen, ausgenomen in der that mit Uriae weib. 117 Desgleichen vom Joas, das er hab vor gott recht gethon beym leben Joiada des priesters, dere yhm doch selbst zwey weiber hatt gegeben. 118
Man dorff die apostel so hinlessig und und eynfaltig nit halten, das sie nit die digamey so austruckliche (dieweil sie vor iren augen dazumal bey juden und heiden im brauch war) als 119 andere offentliche und heimliche laster solten verpotten und verdampt haben. Es wurde ja uffs wenigst Paulus ||27v. gesagt haben: "Eyn yeder christ sey hinforter 120 eynes weibs man", so er doch mehr dann eynst gesagt: "Eyn bischoff sey eynes weibs man"121 wilches besondere gepott ihm zwar on nott 122 22 were gewesen, wo die digamey gereid zuvorn 123 durch Christum und die apostel bey allen Christen uffgehaben und ins gemeyn bey yederman on eynichen auszug 124 verpoten solt gewesen seyn.
Es weiße 125 uns Christus und Paulus nit alleyn Matt. 19. und 1. Cor. 7., sonder auch Matth. 5. 6. 7. und anderswo mehr uffs volnkomenest nit alleyn inn eynem, sonder auch inn allen stucken, so inn obgedochten capiteln gemeldet werden, nach wilchen wir auch allwege pflichtig seyen zu streben und yederman darzu anzuhalten. Sie machen aber darumb keyn newe gesatze, verendern auch nit, noch heben uff gottlichs gesatze. Darzu nemen sie nit hinweg den armen schwachen christen (so da die volnkomenheit nit konnen erreichen) die remedia und artzney, die der himlischer vater den alten nachgelassen habe, dann solchs auch nit ires ampts gewesen sey. So erfordern ja ye und allwege gleich kranckheite gleiche remedia.
Es seyen allwege und werden allwege vil erfunden 126 , die die volnkomenheit des paradises und gottliches gesatzes, Matt. 5. 6. 7. 19., Luc. 6. und anderswo angezeigt, nit erreichen, sonder bleyben und seyn schwach, unvolnkomene christen, seyen beladen mit eygner liebe, 127 mit begirlikeit, 128
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mit zorn z , 129 besitzen eygen gutter, 130 haben leibeygen knecht, leyhen uff gewinst, 131 geben nit yederman, der sie bittet, 132 lassen nit den mantel zum rock faren, 133 fordern das ire vor gericht, 134 erkennen ire eyntzige weiber nit alleyn von wegen der frucht, wilchs alleyn im paradise eyn wesentliche ursach der ehe gewesen, sonder auch die unkeuscheit zu bussen 135 . Inn disen und vilen der gleichen menschlichen feelen 136 kon man wol dispensiren, gottliche nachlassunge und gnade ersehen, fil christen lassen seyn und bleiben, so vern 137 sie in Christum glauben, ire gebresten erkennen, nach der volnkomenheit zu streben sich pflichtig achten und nach verlauhener 138 gnade und vermogen darzu anhalten. Nach dem nun die digamey nirgent austrucklich ||28r. verpoten, vorm gesatz, unterm gesatze, unterm evangelio, bey den glaubigen so wol als bey unglaubigen im brauch sey gewesen, den glauben nimant benomen, warumb sie dann heut eyn glaubiger nit auch inn nottfellen moge brauchen und gleichwol christe bleiben. Warumb man alhie nit auch so wol konne gottliche dispensation, nachlassunge und gnade als in oberzelten feelen ersehen?
Was gott in seynem gesatze und zehen gepotten nit mit klaren, hellen worten gepiette oder verpiette, lobe oder verdamme (so vil die selikeit und das gewissen belangt), das hab auch keyn mensch macht zu gepieten, verpieten oder verdammen, vil weniger dann 139 Christus und seyne apostel, die sich dessen nye under nomen haben. 140
Das aber bey den christen die digamey so gar 141 uffgehaben, unbillich und unchristlich geacht, sey aus unverstant der wort Christi Matth. 19 [4-6. 8f] und Pauli 1. Cor. 7 [2] etc. komen, wilche man widder die digamey gezogen, so sie doch an gemelten orten ire mit keynem wort gedencken.
Es sey auch da her geflossen, das man imm unverstant aus Christo eynen newen gesatzgeber, aus dem evangelio eyn newes gesatze, aus uns und den alten zwey volker, zwa kirchen, zwey testament gemacht habe.
Christus sey ja komen mit volle 142 gottlicher gnaden als eyn heilandt, artzt und helffer, 143 nit als eyn tyrann, der da wol strenger dann seyn vater seyn, sonder als dere das glommernde daacht nit ausleschen 144 und seyne kirche nit hab wollen beschweren, 145 sonder vil mehr erleichtern und erlosen.
Es haben nit alleyn die apostel zu iren zeiten digamos getaufft und lassen also bleiben, sonder auch zun zeiten Bonfacii der bapst Gregorius mit den
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teutschen digamis dispensirt. 146 Nun gelte widder gottes gepott keynes menschen dispensation. So wenig nun als die apostel und Bonifacius den ehebruch, hurerey, knabenschenderey etc. haben hinforter geduldet und nachgelassen bey denen, so sie durch rechschaffne predig der bus 147 und vergebunge der sunden im namen Christi bekort 148 , zum glauben bracht und getaufft haben, also wenig hetten sie auch digamiam geduldet und nachgelassen, ||28v. wo sie itzgemelten und deregleichen lastern gleich geschatzt, geunbillicht und gleichmessig hinforter uffgehaben und verdampt soll seyn gewesen. Oder hetten ye uffs minst 149 gesagt, den selbigen digamis solts dazurzeit umb gegenwertiger gelegenheit und nott willen gegonnet, aber hinforter beyn christen niemants mehr zugelassen seyn.
Es haben bey den christen sich allzeit solche nottfelle und ursachen als 150 bey den alten zugetragen, denen man mit der digamey hett mogen helffen und ratthen, vil ehebruchs, hurerey, lastere und unrath zu verhutten. Es seyen auch bey den alten nit eynerley ursach der digamey vorhanden: beym Abraham die unfruchtbarkeit Sarae, 151 beym Jacob der betrug Labans, die lieb zur Rachel, die emulation beyder schwester, 152 beym David, 153 Gedeon, 154 Helkana, 155 Joas 156 etc. vil andere.
Nach dem nun das klare licht gottlicher warheit an tag sey komen, so moge die digamey noch heutt inn nottfellen (deren sich dann taglich vil wie bey den alten zutragen) durch eyn ordenliche dispensation zugelassen werden denen, bey wilchen man darbeneben 157 inn andern stucken eyn recht gottseliges leben und besserunge spuret.
Man wolle keyn allgemeyn gesatze und zulassunge aus der digamey machen; es sey auch nit zu dulden, das sie so gar on allen gottlichen befelch, on allen auszug, von menschen ins gemeyn bey allen christen soll uffgehaben seyn, die weil man vilen guthertzigen darmit rathen und helfen konne, die sunst durch ire uffhebunge und wegerunge 158 zu vilen sunden und lastern verursacht werden. Es sey auch das gemeyne innreissen und mißbrauch so vast 159 nit zu besorgen, wie auch vor zeiten solchs nit gescheen, dann es ey nit yedermans speiße. 160 Und ob schon etliche hirin mutwilliglich geparen 161 , ire urteil und lohn krigen wurden. Das konne den guthertzigen ire von gott zugelassne artzney und freyheit nit nemen. Die auch hirin zu dispensirn hetten, wurden wol eyn insehens thun, 162 das dem mutwillen und fleischlichem vornemen gestewret 163 und geweret wurde.
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|| 29r. Imm abbate Urspergensi 164 und andern chroniken erfinden sich etlicher christlicher keiser und konige exempel, die digami gewesen und drumb von keynem rechtschaffen bischoffe gestrafft seyen worden. 165 Man lese auch nirgent, das der ernsthafftig und eyferig Ambrosius ye Valentinianum seyner digamey halben gestrafft hab, der doch den Theodosium seyner uberfarunge halben 166 so hefftiglich strafft und verbannet. 167
Dises seynt, meyn theurer Bullinger, die schrifft 168 grunde, argumenta und ursache, daruff dann bawen die yhenigen, die zu disser zeit digamiam inn unvermeidlichen nottfellen durch eyn ordenlich dispensation zulessig achten.
Nun hastu inn deyner confutation dere grunde keynen angerurt, ich geschweige, das du sie hettest sollen umbstossen; dann sie des mehrernteils aus deynen eygnen buchern seynt genomen. Wilchs du selbst must bekennen, wenn du dich erinnerst deynes buchleyns Vom eynigen, ewigen testament, 169 item deyner dialogen widder die widdertauffer, 170 wie du daselbst handelst den locum: "Mutuum date nihil inde sperantes" [Lk 6, 35], 171 was du fur eyn underscheit zwischen dem gesatze und der sunden, und wie du drey grados gottlicher gepott machest 172 und wilt nit, das man die christen nach dem gesatze (dann nach dem gesatze seyen wir allzumal sunder 173 ), sonder nach der gnade und glauben schetzen 174 und erkennen soll. 175 Wilche alle deyne grunde und argumenta eben so vil krafft bey mir haben fur die digamey, als sie haben widder der widdertauffer meynunge. Und seynt zwar alle vorerzelten grunde und argumenta bey mir unuberwintlich; ob ich yhn schon gern der monogamia zuguth und der digamia zuwidder etwas woll abbrechen, so weis ichs mit gutem gewissen nit zuthun. Dann wil ich aus dem gesatz, wie es im stant der unschult den menschen ingeschriben, 176 von Christo Matth. 5. 6. 7., Luc. 6. etc. erkleret aa , den menschen urteilen, so mus ich mit den widdertauffern alle menschen, die solche volkomenheit nit erreichen, verdammen und als unchristen urteilen. Ich mus aus Christo eynen strengern gesatzgeber, dann der vater und Moses gewesen, machen. Wo hab ich aber schrifft, wo grunde?
||29v. Wil ich aber Christo und den aposteln ire ampt lassen, diener des geistes und nit des buchstabens machen, 177 wil ich den christen nit nach dem gesatze (das schon vor langest gegeben, jederman under die sunde hat geschlossen
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178 ), sonder nach der gnaden und geiste schetzen und richten, so mus ich ja den glaubigen digamum so wol lassen eynen christen (wie wol dises fals etwas unvolnkomen) bleiben, als wol du und ich zwar auch widder die widdertauffer die fur christen verantworten und verteidigen, die beneben irem glauben in Christum noch mit begirlikeit und zorn beladen, uff genisse 179 leyhen. eygen guter besitzen, das ire vor gericht fordern etc.
Nun, damit ichs nit zu lang mach, wil ich deyn confutation vornemen, dir deyne schwachen grunde anzuzeigen.
Du nimbst dir vor den spruch Christi Matt. 19 [8]: "Von anfang ware es nit also", 180 digamiam bey den christen darmit uffzuheben und verdammen, unangesehen, wo von Christus des orts 181 handelt, uff waserley 182 frag er antwort. Und wan du ab alleyn unsers meisters Zwinglii annotationes des orts 183 ansiehest, so wirstu mit disen ausgezwackten 184 gezwungnen 185 worten contra digamiam so vil erhalten 186 so vil etlich gelerten zu unsern zeiten mit den blossen ausgezwackten worten "hoc est corpus meum" [Mt 26, 26 par.] haben konnen widder alle andere schrifft erhalten, das der ware ac leib Christi leiblich im brot sey. Wie wan ad ich dier noch lebendige leuth kunth darthun, die aus Zwinglii munt gehort, man konn mit gottes wort digamiam nit verdammen. 187
Du wilt keyn gnugen 188 han an der veter exempel, dringest uff gottliche gesatze; 189 das hastu droben gehort. Das du aber aus den worten Adams im paradise, aus eyner oration indicativa eyn imperativum wilt machen 190 und ae die digamey dardurch verwerfen, wirt dir felen 191
Sag du mir aber, hat gott nit dem Abraham, dem Jacob, dem David, Joas, Helkana, Gedeon etc. ire vil weiber so wol zugesellet und gegeben als dem Adam die eynigen 192 Evam? Oder seynt dise heiligen veter nit so wol mit irem af zweiten weib eyn fleisch gewesen als mit irem ersten? Seynt sie nit eyn fleisch, so seynts keyn ehe, sonder hurerey gewesen. Aber die schrifft sagt, gott hab David die weiber seynes herren in seynen schos gegeben. 193 So gestehet sie auch, das es eheweiber und nit concubin gewesen seyen.
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Sag an, ob die wort im paradise Gen. 2., Matt. 19., 1. Cor. 7. nit so wol die altveter angehen als uns, nit so wol die digamos zun aposteln zeiten als uns. ag
||30r. Wo mit wiltu aber beweisen, das die alten besondere gottliche dispensation zu irer digamey gehabt, die beyn christen sey uffgehaben? Es lest sich wol sagen, aber am beweisen wirts dir weit felen, du wollest dann nit allein aus Christo eynen newen gesatz geber, eynen strengen exactor machen und die obangezogen 194 schrifft widderfechten, sonder auch deyne eygen wort widderruffen, da du sagst, Christus hab die kirche nit wollen beschweren. 195
Warumb sollen aber die alten zu irer schwacheit und nottorfft gottliche dispensation gehabt und wir in gleichem fall nit auch haben? Wie solt Christus digamiam (so da nirgent vormals mit austrucklichen worten verdampt noch verpotten) uffgehaben han, der doch mit seynen jungem des sabaths und mit dem David der schaubrot halben inn noten widder offentliche verpott und gepott dispensirt und sie entschuldiget, 196 saget, der sabath sey umbs menschen und nit der mensch ah umbs sabaths willen gemacht? 197
Du wilt, Paulus habe nie gedacht, das yemals wurden uffstehen, die eynem vil weiber solten geben. 198 Was hat dann Paulum verursacht, den bischoffen und diaken 199 vornemlich solchs zuverpieten? 200
Du wilt, Christus, der ware Messias, hab alle dinge inn seynen orsprung widderbracht; 201 das gestehen wir auch, doch von der digamey nit alleyn, sonder auch in allen andern artickeln Matt. 5. 6. 7., Luc. 6. gemeldet, und in dem verstandt 202 , den du selbst in dinen dialogis widder die widdertauffer darthust.
Du meynest, die geselschafft eynes weibs konne eynem christen, das ist: eynem messigen 203 man, gnug seyn. 204 Warumb machstu die christen inn andern stucken nit auch so messig? Seynt Abraham, David etc. nit auch christen, das ist: messige menner, gewesen? Warumb siehestu nit, das die erfarunge das widderspil 205 leret? Die widdertauffer wollen uns nit alleyn in der digamey, sonder auch in allen andern gepotten und stucken solche messige christen haben und machen, konnen uns aber den geist darzu nit geben. So leret die erfarunge, wie messige christen wir seyen.
Wir sagen mit dir, man sol yederman uff die volnkomenheit und erste insatzunge in allen stucken weisen, ||30v. wollen nit die privilegia yederman
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zueygnen ins gemeyn noch die gottlich, geschriben gesatze, durch Mosen gegeben, durch die privilegia uffheben. Wir wollen uns aber auch die privilegia, von gott je und allwege nachgelassen, durch menschen guttduncke1 206 und eygen gepott nit ai nemen lassen.
Du zeuchst Paulum 1. Cor. 7 [2] an 207 widder die digamey: "Eyn yeder hab seyn eynzige weib", 208 machst aus eyner oration indefinita exciusivam oder singularem orationem, wuchs so eynem gelerten man nit gepuret. Man weis wol, wo von Paulus des orts handelt; lese deynen Zwinglium. 209 Gleiches fals zeuchstu auch an 210 Paulum Rom. 7 [1-3] uff den man, 211 so er doch des orts vom weib nur sagt, es sey ans gesatz gebunden, so lange der man lebe, et non econverso. 212
Du achtest die digamos als die im geist ak angefangen, im fleisch nun wollen volenden. 213 Wir gonten dir wol, soltests auch selbst wunschen, das deyne Schweytzer solche fleischliche leuth weren, als Abraham, Jacob, David und andere konige und richter seynt gewesen. Und o das gott wolt. es weren vil solcher digami, als dise gewesen seynt; Paulus wurde sie wol geistlich lassen bleiben und nit als 214 du fur fleischlich achten.
Du zeigest aus Ambrosio und Augustino an die ursach, warumb den alten vil weiber zugelassen. 215 Die las ich nun gelten beym geschlecht Juda, dem die verheissunge vom kunfftigen Messia war gescheen. 216 Beyn andern stemmen 217 aber werden die ursache keyn stat haben; man konn sunst Gedeon, Helkana etc. in irer digamey nit entschuldigen. Du zeuchst auch an Malachiam 2. cap. [10-16] contra digamiam. 218 Das mag gelten bey blinden und tauben, die Malachiam nie gelesen noch gehort haben.
Am ende deyner confutation wirstu beynahe erbittert widder die verteydinger der digamey, trawest 219 und zurnest, warnest jederman fur dem "infaelici dogmate al " und "monstrificis aborsibus", 220 wilchs ich alles deynem christlichem eyffer und liebe zur erbarkeit zumesse und fur gut halt, kan aber zwar nit vermeynen, das du hirin nit habest etwas menschlichs ingemengt. Du bist eraus im truck, 221 kannst nit wol widderkeren und wirdest schwerlich deyne eygen widderwertikeit 222 und ungeschicklicheit konnen verbergen bey den scharffsinnigen lesern deyner geschrifften. Du hettest
Briefe_Vol_13-057 | arpa |
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billich ||31r. an dich gehalten und den hundt lassen schlaffen, 223 wie vil andere hochgelerten zu diser zeit aus großwichtigen ursachen haben gethon, die doch der digamey so widder seynt als du immer magst seyn. Hettest auch wol zu mir oder etlichen andern, die dir wol bekant und diser sache bezichtiget seynt, 224 vorher geschriben, guten bericht begert und nit so unzeitlich imm truck erausgfaren, darus dann wol zertrennunge der kirchen kont erfolgen. Dann ich zwar trage keyn schewe 225 diser meynunge, weis auch nit darvon zu weichen, ich werde dann mit bessern schrifften, grunden und argumenten darvon gewisen. Hastu nun bessere grunde und mich lieb, so schreib sie mir; 226 wo nit, so folge mir, nit das wir digami werden, sonder das wir sie nit verwerfen noch verdammen, wir haben dann bessern grunth dann noch gehort 227 , und lassen die schwachen digamos so wol christen bleiben, als wir die lassen christen bleyben, die noch nit erreichen den hohen gradum gottliches gesatzes Matt. 5. 6. 7., Luc. 6. etc.