Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1775]

Johannes Gast an
Bullinger
[Basel],
24./26. August 1543

Autograph: Zürich StA, E II 366, 167 (ohne Siegel) Ungedruckt

Hat die Bücher [Vesalius' "Fabrica" und "Epitome"] mit dem von Bullinger übersandten Geld bezahlt und dankt ihm dafür, dass er ihm den für die Bibel geschuldeten Gulden schenkt, möchte sich aber dafür erkenntlich zeigen. Bittet um Rücksendung der Nachrichten, die Bullinger auch seinen Amtsbrüdern und Vadian mitteilen kann. Bericht aus Mainz über den Aufmarsch der kaiserlichen Truppen gegen Jülich; die protestantischen Gesandten folgen dem Kaiser, der sie nicht empfangen wollte und der wegen der Sperrung des Rheins durch Herzog [Wilhelm] von Jülich nicht direkt nach Brabant ziehen kann; Breda, das Graf [Renatus] von Nassau gehört, wurde [von den Gegnern des Kaisers] eingenommen; die protestantischen Fürsten, darunter Landgraf [Philipp], rüsten zum Krieg. Gast will die illustrationen [zu Vesalius' "Epitome"]für Bullinger ordnen. Cellarius [Martin Borrhaus], der eine theologische

66 Gemeint ist die Schlacht von Kappel vom 11. Oktober 1531 im Zweiten Kappelerkrieg, in der Lavater die Zürcher Hauptmacht befehligte.
67 Lavater wurde nach der Niederlage in Kappel am 9. November 1531 als Hauptmann abgesetzt und musste sich nach dem
Krieg einer Untersuchung stellen, die ihn aber entlastete; vgl. Stucki, aaO, S. 120-132.
1 Das Tagesdatum des Nachtrags (unten Z. 49) muss verschrieben sein.


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Professur anstrebt, hat Thesen vorgelegt; Bullinger soll sie sich von Myconius zur Beurteilung schicken lassen; vor allem [Wolfgang Wissenburg] ist unzufrieden. Bullinger war wohl zu beschäftigt, um zum Problem der bettelnden Schüler Stellung zu nehmen. [Nachtrag:] Zwei Franzosen [Jacques Reynaud und Philibert...], die um des Evangeliums willen hierher kamen, sind den Kaiserlichen in die Hände gefallen und werden in Breisach festgehalten; Straßburg und Basel bemühen sich um ihre Freilassung.

S. in domino, doctissime et humanissime Bullingere.

Pecuniam, quam misisti, accepi solvique libros, quos emeramus tibi. 2 Quod autem non vis, ut aureum, quem tibi debeo pro biblico opere, 3 dem bibliopolis, gratias tibi ago, sed ea conditione, ut postmodum oblata occasione rependere liceat; nam nolo tibi hac in re molestus esse et te plus aequo gravare.

Nova illa, quae mitto, 4 si iam a legisti et b communicasti reliquis fratribus, remitte c ; poteris etiam d. Vadiano communicare.

Scripsit etiam quidam 5 e Moguntia ad me hiis verbis de caesaris 6 copiis: "Dem keyser sindt zwo groß buchsen 7 zersprungen, die er hat lassen abschiessen. Ist mit vil schiffen uff dem Rhin fur Menzs gefaren, 8 mit korn, mell, ochsen, buckel 9 , schantz körben 10 fur gefaren, ja mit aller kriegs rüstung zu belegeren und zsturmen, nit anders im gmeit ghan 11 dann die Julcher ußzumachen 12 . Hat der protestierenden legaten 13 zu Mentzs im schlos nit wellen hören, ist hinweg gefaren; sy ziehen im aber noch 14 . Er hat wellen den Rhin hinab mit seim zeug und schiffen. Was ist beschehen? Der von Jülch 15 hat den Rhin ingeschlossen under Bonn, der bischofflichen stat, do er dann schlösser hat in eim closter im Rhin ligende 16 mit drey blockheuseren 17 vornen, da der Rhin her louft, hynden mit zweyen; hat also uff denn keyser gewartet. Dann der keyser meynt, er wolte glat den Rhin ab ins Probant 18 ; das hat im gefelet 19 . Zucht widerumb heruff die Mosel ins Lutzelburgisch

a Kann auch als non gelesen werden, was jedoch keinen Sinn ergibt.
b Vor et ein gestrichenes Wort.
c Vor remitte ein gestrichener Wortanfang.
2 Die Rede ist von Vesalius' "Fabrica" und "Epitome"; vgl. zuletzt oben Nr. 1767, 1-8. 17f.
3 D. h. für die "Biblia sacrosancta"(BZD C 319f); vgl. ebd., Z. 6.
4 Die von Gast zurückgeforderte Briefbeilage ist nicht mehr vorhanden.
5 Unbekannt (zu denken ist eventuell an Mathias Limberger aus Frankfurt, der mit Gast in brieflicher Verbindung stand).
6 Karl V.
7 Geschütze.
8 In Mainz hielt sich der Kaiser vom 7.-12. August auf; s. Stälin 577.
9 Pickel, Spitzhacken.
10 Geflechte zur Befestigung von Schanzwerken.
11 im Sinne gehabt.
12 die Jülicher zu vernichten.
13 Zur Gesandtschaft des schmalkaldischen Bundes an den Kaiser s. oben Nr. 1773, 20f.
14 nach.
15 Herzog Wilhelm von Jülich.
16 Gedacht ist vielleicht an die Klosterinsel Rolandswerth (heute Nonnenwerth), die allerdings oberhalb von Bonn liegt und nicht in der beschriebenen Weise befestigt war (für freundliche Hinweise danken wir Frau Dr. Heike Preuß, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf).
17 Bollwerken.
18 Brabant.
19 ist ihm nicht gelungen.


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landt; dan der hertzog hat ouch den Westerwald verhuwen 20 , das hindurch nit kan kommen; muß wit umb ziehen ins Probant ||167v. mit grossen kosten, alle sine munition zu roß und wagen hinweg furen. Breda die statt und schloß ist gewonnen, 21 welches des graven von Nassaw 22 ist, der das Utrich bistumb hat wellen bschirmen und das sin verlieren. 23 Nit witer ist mir zu wissen dann allein, es rusten sich alle fursten der protestierenden. Landtgraff 24 hat sin volck 25 uffgemanet; weist niemants, was er im sin hatt. Gott gebe unß friden."

Duas d has figuras ego tibi proximo tabellione mittam ordinatas et compactas; nam nemo facile eas corpori humano adiunget, nisi prius vident formam illarum. 26

Cellarius 27 articulos 28 quosdam nostris proposuit excutiendos; nam venatur lectionem theologicam. Scribe Myconio e , ut eas ad vos mittat et vestrum iudicium exploret. Nostri odio habent hominem, praecipue Lupus 29 ; doctor timet, ne doctor ille praeficiatur et omnia praecipitanter nostri f agant. Est profecto doctus et pius homo. 30

De mendicantibus scholasticis 31 minim, quod nihil rescripseris; sed negotiis tuis id tribuo.

Die Bartholomei 1543.

Tuus Gastius ex

animo.

d Über dem Beginn des Absatzes verschriebenes, gestrichenes Duas.
e Myconio über gestrichenem illi.
f nostri über der Zeile nachgetragen.
20 durch einen Verhau gesperrt.
21 Zu diesem Gerücht vgl. oben Nr. 1772, 11-13.
22 Renatus von Nassau (René de Chalon), geb. 1519 als Sohn von Graf Heinrich III. von Nassau und von Claude de Chalon, war seit 1530 erster nassauischer Fürst (Prinz) von Oranien. 1538 erbte er die niederländischen Besitzungen seines Vaters, darunter auch Breda, und wurde 1540 Statthalter von Holland, Friesland, Seeland und Utrecht. Im geldrischen Erbfolgekrieg befehligte er niederländische Truppen und erhielt nach dem Sieg des Kaisers auch die Statthalterschaft über Geldern. Er fiel 1544 bei der Belagerung von Saint-Dizier. — Lit.: Ulrich Schuppener, René (Renatus) von Chalon, Graf von Nassau, Prinz von Oranien, und die Belagerung von Monschau 1543, in: Nassauische Annalen 110, 1999, S. 9-42; Abraham Jacob van der Aa, Biographisch
woordenboek der Nederlanden [...], Bd. 3, Haarlem 1858, S. 309-311; Friedrich Otto, in: NDB XXVIII 202f.
23 Wohl im Sinne von: dabei riskierend, das Seine zu verlieren.
24 Philipp von Hessen.
25 seine Truppen.
26 Gast bezieht sich zweifellos auf jene Illustrationen zur "Epitome"von Vesalius, die ausgeschnitten und auf eine männliche und eine weibliche Figur aufgeklebt werden konnten; vgl. J. B. deC. M. Saunders und Charles D. O'Malley, The Illustrations from the Works of Andreas Vesalius of Brussels, Cleveland/New York 1950, S. 220-227.
27 Martin Borrhaus; vgl. oben Nr. 1759, 26-34.
28 Nicht erhalten.
29 Wolfgang Wissenburg.
30 Ob von Borrhaus oder von Wissenburg die Rede ist, wird nicht ganz klar; Gast stand beiden kritisch gegenüber (vgl. Gast, Tagebuch 63 bzw. 64f), weshalb die Aussage ironisch gemeint sein könnte.
31 Vgl. oben Nr. 1767, 11-15.


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Duo Ga11i 32 , doctissimi viri, a caesareanis capti sunt, a nobili quodam, 33 qui ab Argentina illos secutus est, ductique sunt Brisacum illicque in vinculis detinentur. Quid cum illis acturi, dominus novit. Ob evangelii veritatem ad nos e Gallia venerunt et iam ob evangelium capti sunt. Mirabilis dominus in operibus suis. Argentinensium senatus et noster laborant sedulo, ut dimittantur, adiectis minis. 34

16. g augusti.

[Ohne Adresse.]