[1964]
Autograph: Zürich StA, E II 347, 306-308 (Siegelspur)
Im Sinne der Gnadengabe Gottes durch Jesus Christus hat a Lasco Bullingers Freundschaft
erstrebt und schätzt seine Einfachheit und Sanftmut, beides Eigenschaften, die für die Bewahrung
der reinen Lehre und gegenüber Andersdenkenden wichtig sind; aber auch wenn bedauerlicherweise
manche berühmten Zeitgenossen die Spaltung der Kirche fördern, bleiben diese
trotzdem Brüder, von denen sich die [Zürcher Kirche] an und für sich nur in der Abendmahlsfeier
unterscheidet. Deshalb wäre es gut, wenn die [Zürcher Kirche] die erlittenen Beleidigungen
nicht vergilt. Bullingers Buch gegen Cochläus [,,Ad Ioannis Cochlei De canonicae
scripturae et catholicae ecclesiae authoritate libellum ... responsio"]wird bei Cochläus nicht
viel ausrichten, denn dieser ist mehr am Urteil seiner Anhänger als an Gotteserkenntnis
interessiert, aber a Lasco ist das Buch auch für die Wiederherstellung der noch reformbedürftigen
Kirchen dienlich. Auch beim Abt von Aduard [Johannes Reekamp], mit dem a Lasco
gut bekannt ist, wird Bullinger kaum etwas bewirken können, da [Reekamp], der an sich
keineswegs ein schlechter Mensch ist, sich bestimmt keiner Gefahr aussetzen will; bisher hat
er mit a Lasco noch nicht über Bullingers Ratschlag [gemeint ist der Brief oben Nr. 1934]
gesprochen. A Lasco hat seine "Epitome" [s. oben Nr. 1933, Anm. 17] an Albert [Hardenberg;
Rizaeus]geschickt, mit der Bitte um Weitergabe an Bucer in Straßburg. Sobald Bucer
diese gelesen hat, wird [Hardenberg] sie nach Zürich weiterbefördern; dieses [Werk] hat a
Lasco für die Pastoren [in Friesland]verfasst, aber noch keinem von ihnen zu lesen gegeben,
weil er zunächst das Urteil der Doktoren darüber abwarten will; er möchte keinesfalls Urheber
eines den Konsens der Kirchen störenden Dogmas werden; obwohl er weiß, dass die
Meinungen der Kirchen voneinander abweichen, duldet er gerne, von allen ermahnt und
korrigiert zu werden, um Zwietracht möglichst zu vermeiden; Bullinger wird in der [,,Epitome"]
a Lascos Auffassung über den Sündenfall und die Wiederherstellung des Menschen zur
Kenntnis nehmen können, will aber bereits hier einiges dazu schreiben. Die Kraft der göttlichen
Verheißung (nämlich der Verheißung, dass der Same [des Weibes]der Schlange den Kopf
zertreten wird (s. Gen 3, 15]) ist keineswegs weniger wirksam in uns Menschen als die Folgen
der Übertretung von Adam; denn wenn diese Übertretung den Tod aller Menschen (auch
derer, die nicht auf gleicher Weise gesündigt haben) erwirkte, spürte die Schlange ebenfalls -
nämlich sobald als Gottes Wohlwollen den Menschen gegenüber sich in der Verheißung offenbarte
-, wie ihr allmählich der Kopf zertreten wurde; es folgt, dass, auch wenn wir als Kinder
des Todes und des Zornes [Eph 2, 1-7] zur Welt kommen, wir gleichzeitig durch die in der
Verheißung erwiesene Güte Gottes an Adam als Gläubige -pro fidelibus -angesehen werden,
allerdings nur unter der Bedingung, dass wir nicht Gottes Gnade wissentlich verachten; in
diesem Fall sind wir von Gottes Verheißung ausgeschlossen, nicht teilhaft an der Erlösung
Christi -der unsere Sünden auf sich genommen und diese gesühnt hat - und mit dem Teufel
und dessen willigen Nachfolgern zur Hölle bestimmt; die Wirksamkeit der Erlösung kommt
also der Menschheit schon seit Adams Annahme der Verheißung Gottes (und nicht erst seit
Christus) zugute, genauso wie die Wirksamkeit der Übertretung von Adam schon von Anfang
an in der Sterblichkeit der Menschheit spürbar wurde; wir Menschen sind also von Geburt an
Kinder des Zornes und des Todes, gleichzeitig aber auch Kinder Gottes, vorausgesetzt - wie
schon betont -, dass wir uns nicht willentlich Gott widersetzen, also nicht die durch den
Priester Christus erworbenen Wohltaten verachten. Dies lehrt a Lasco in Übereinstimmung,
wie er meint, mit der ganzen Heiligen Schrift, wenn man die biblischen Stellen zu diesem
Thema richtig zusammenbringt; solch eine Auffassung verherrlicht Christus und beseitigt viele
Schwierigkeiten und Zweifel oder Bedenken, die sich in der Kirche finden lassen; doch möchte
a Lasco zunächst das Urteil der Doktoren abwarten; auch Bullingers freimütige Meinung undbriefe_vol_14_352 arpa
die seiner Kollegen erbittet er, besonders nachdem diese die ["Epitome"]durch [Hardenberg]
erhalten haben werden; Zwinglis Lehre scheint ebenfalls, wenn auch nicht unverhüllt, auf
solch eine Auffassung hinzudeuten, so dass a Lasco vermutet, dass seine Meinung der Zürcher
Kirche nicht ganz fremd sein wird; doch soll Bullinger unterdessen das hier Geschriebene nur
Kollegen [nicht Laien] zu lesen geben. Zu seiner persönlichen Lage: Als a Lascos älterer
Bruder [Hieronymus]erfuhr, dass a Lasco seine Lebensweise geändert und geheiratet hatte,
wollte er nicht, dass a Lasco sich jemandem verpflichtete; er hoffte nämlich, dass a Lasco den
Seinen [in Polen] doch noch dienen könnte; daher hat sich a Lasco zu Lebzeiten des Bruders
niemandem verpflichtet; nach dessen Tod bot er den Seinen seine Dienste an; dem König
Polens [Sigismund I.] wurde ausgerichtet, dass a Lasco willig war, dem Evangelium [in
Polen] zu dienen; bald darauf aber berief ihn die verwitwete Landesherrin [Gräfin Anna von
Ostfriesland] in den Dienst ihrer Kirche; er nahm unter der Bedingung an, im Falle einer
Berufung durch den [polnischen] König sein Amt niederlegen zu dürfen; dem König ließ er
dies durch seine Freunde mitteilen; diese missverstanden ihn aber und erlangten vom Monarchen
einen Brief in dem a Lasco zur Rückkehr in sein früheres Leben mit Aussicht auf ein
Bischofsamt, aber nicht im Dienste der Kirche, eingeladen wurde; worauf a Lasco absagte;
kaum aber hatte er mit seiner Arbeit [in Friesland]begonnen, wurde er bald als Täufer, bald
als Sakramentierer verleumdet und verdächtigt, wogegen die Landesherrin ihn zwar zu schützen
wusste; daraufhin wurde er von den Mönchen angegriffen; als diese wiederum durch die
Landesherrin zum Schweigen gezwungen wurden, gelang es den Gegnern, a Lasco beim Hof
von Brabant als Unruhestifter und Eidbrüchigen anzuklagen, wogegen sich a Lasco gegenüber
der Landesherrin und den Ständen erfolgreich verteidigen konnte, so dass man ihn behalten
wollte; doch weiß a Lasco, dass seine Gegner nichts unversucht lassen werden, um ihn zu
vertreiben; diese ärgern sich, getadelt und zur Ordnung gezwungen zu werden und vertragen
keine [Kirchen]zucht; die a Lasco mit Hilfe der Landesherrin einzuführen versucht; außerdem
mangelt es auch nicht an falschen Brüdern, die Gemeinschaft nur vortäuschen und dabei
Verwirrung stiften; diese Prüfungen sind für a Lasco ein sicherer Beweis dafür, dass er Diener
Christi ist; sollte aber seinem Kampf kein Erfolg beschieden sein, wird er wohl sein Amt
niederlegen; er stellt alles Gott anheim. Dieser möge [die Zürcher und ihn] durch den Heiligen
Geist stärken; a Lasco empfiehlt sich [Bullingers]Kollegen an.
[Gedruckt: Scrinium antiquarium sive miscellanea Groningana nova ad historiam reformationis praecipue spectantia, hg. v. Daniel Gerdes, Bd. IV/1, Groningen-Bremen 1754, S. 449-457, Nr. 67; Johannes a Lasco, Opera tam edita quam inedita, hg. v. Abraham Kuyper, Bd. II, Amsterdam-Den Haag 1866, S. 585-589, Nr. 23; Teildruck und zusammenfassende Teilübersetzung: Jürgens, a Lasco 158f.]