Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1968]

Bullinger an
Matthias Erb
Zürich,
3. September 1544

Autograph: Basel UB, Ms. Ki. Ar. 25c, Nr. 67 (bzw. 65, f. 87r.-v.) (Siegelspur) Ungedruckt

Hat Erbs frommen, pflichteifrigen Brief [Nr. 1953]erhalten; segnet Erb. Teilt mit, dass bereits Johannes Fries das 12. Buch seines Matthäuskommentars ins Deutsche übersetzte, und schickt ein Exemplar, doch stellt er es Erb frei, eine lateinische Ausgabe drucken zu lassen, was sicher auch [Christoph] Froschauer billigen wird. Ein Student [Diethelm Keller] übersetzte Bullingers "Apodixis" [,,Der alte Glaube"] vom Deutschen ins Lateinische, von der sich ein Exemplar bei Hans Vogler [d.J.]befindet. Hörte, dass Erb in andere Kirchen berufen werde, wünscht sich aber, dass Erb in seiner Kirche bleibe; andererseits sähe er ihn auch gerne bei sich in der Eidgenossenschaft; erbittet Nachricht über sein Vorhaben. Grüße; [Konrad] Pellikan lobte die brüderliche Liebe der [Elsässer] zu [den Zürchern]. Der junge, begabte Gerold Meyer [d.J.], Sohn von Gerold Meyer [d.Ä.], dem Zwingli seine Schrift "Quo pacto ingenui adolescentes formandi sint"gewidmet hatte, würde gern [in Reichenweier]als Stadtschreiber ausgebildet werden; Bullinger bittet Erb, sich bei [Oswald Fürstenlob], der auch schon Hans Vogler [als Lehrling]annahm, für Meyer zu verwenden; dieser lebt zur Zeit bei seinem Verwandten Johannes Escher, dem Unterschreiber von Zürich; Grüße.

Gratiam et vitae innocentiam a domino.

Accepi literas 1 tuas et legi cum voluptate, Erbi charissime, cum quod pietatem spirant, tum quod testantur, quali in me sis animo praeditus, mei Platter kann es demnach erst auf Fronfasten Crucis 1544 angetreten haben; s. Theophil Burckhardt-Biedermann, Geschichte des Gymnasiums zu Basel, Basel 1889, S. 240f (Anm. 1 zu S. 35); Platter, aaO, S. 176f (Anm. zuS. 130).

7 Platter weigerte sich, den für das Schulmeisteramt verlangten Magistergrad zu erwerben; s. Platter, aaO, S. 132.
8 Oberster Deputat war zu diesem Zeitpunkt
Hans Rudolf Frey; s. Platter, aaO, S. 130; HBBW IX 33, Anm. 4.
9 Magister Markus Hopper, Schulmeister auf Burg von 1541 bis 1544; s. Platter, aaO. S. 176f (Anm. zu S. 130); Amerbach, Korr. VI 429f.
10 D.h. die Vertreter der Universität.
1 Oben Nr. 1953.


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amantissimo studiosissimoque. Dominus, qui charitas est, 2 complectatur et te et benefaciat tibi. Amen.

Praevertit te in vertenda parte libri 12. in Matth. a d. Ioannes Frisius 3 4 , qui id operis perficiendi suscepit, quod tu eras pietatis gratia promovendae suscepturus. Eius exemplum ad te hic mitto. Video autem in utroque eiusdem spiritus consonantiam. Utinam multo cum fructu legatur a multis! Liberum autem sit tibi, si ita studiosis conducere videtur, separatim Latina imprimendi. 5 Non male consulet Froschouerus 6 , opinor, quod ad eruditionem multorum pertinere videtur.

Vertit modo studiosus quidam 7 e Germanico in Latinum Apodixim, 8 quod fides Christiana mox ab orbe condito 9 incoeperit atque ad nostra usque tempora b duravit. Nam eam Germanice scripsi ante septennium. 10 Exemplum dedi Voglero 11 meo, apud quem invenies.

Audio te vocari ad alias ecclesias curandas; 12 an vero tu illam sis deserturus, quam nunc spiritu Christi et verbo veritatis gubernas, nescio. Quid si ad nos in Helvetios revocareris, 13 si omnino eo in loco haerere nolis, in quo nunc es? Vellem te manere in ecclesia, in qua nunc es; sed rursus cuperem te esse nostrum, ubi discedere instituisti. Fac sciam animi tui sententiam.

Salutant te fratres omnes, imprimis Megander 14 . Salutabis tu fratres omnes, imprimis Regium 15 . 87v. || Dominus Pellicanus 16 multis praedicavit nobis vestram erga nos fidem et charitatem. Pro quibus magnas vobis agimus gratias orantes dominum Iesum, ut confirmet vos in omni bono 17 . Orate pro nobis dominum. Vale una cum omnibus tuis.

Tiguri, 3. septembris anno 1544.

H. Bullingerus tuus.

a in Matth. am Rande nachgetragen.
b ad nostra usque tempora am Rande nachgetragen.
2 1Joh 4, 8.
3 Johannes Fries.
4 Johannes Fries' deutsche Übersetzung; s. oben Nr. 1953, Anm. 9.
5 Matthias Erb gab daraufhin im Jahr 1545 einen lateinischen Auszug heraus; s. oben Nr. 1953, Anm. 9.
6 Christoph Froschauer.
7 Diethelm Keller.
8 griech. greek der Nachweis, die Darlegung, der Beweis. - Siehe ferner oben Nr. 1959, Anm. 13.
9 Von Orosius geprägter Ausdruck (Historiarum, 1, 1, 1, MPL XXXI 672) in Anlehnung an den Titel von Livius' Geschichte
"Ab urbe condita"; danach bei Calvin, Institutio IV 1, 17.
10 Siehe HBBW VII, Nr. 958 mit Anm. 1.
11 Hans Vogler d.J.
12 Darüber ist nichts Näheres bekannt. Bullinger erfuhr wahrscheinlich durch Pellikan davon; s. unten Z. 23f.
13 Erb war etwa zwischen 1528 und Juni 1536 Prädikant im bernischen Entfelden bei Aarau; s. Beat Rudolf Jenny, Bullingers Briefwechsel mit dem Elsässer Reformator Matthias Erb (1539-1571), in: HBGesA II 65-75.
14 Kaspar Megander.
15 Nikolaus König (Regius).
16 Konrad Pellikan; s. oben Nr. 1953 mit Anm. 14.
17 Vgl. 2Thess 2, 16.


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Es ist hie ein gottsförchtiger, geschickter und wolzogner iüngling, Gerold Meyer 18 , generis patritii, eines gar allten, eerlichen und gewaltigen in Zürych geschlächt. Sin vatter ist der Geroldus Meyer 19 xin 20 und zu Cappel an der Schlacht 21 pliben, dem der Zwyngli zugeschriben hatt das büchli Quo formandi adolescentes ingenui 22 . Der hätte ein lust td üwerm stattschryber 23 , so were es ouch der eerenfrüntschafft gar angenäm. Dorumb ist min gantz früntlich pitt, ir wöllind wärben an 24 gemelten h. stattschriber, daß er inn, nach dem und Vogler 25 von imm Georgii zücht, 26 annemme. Es wird inn nitt gerüwen. Dann er gar ein eerlicher, wolhabender jüngling ist und noch vast 27 iung 28 . Jetzund ist der jüngling by sinem schwager 29 , juncker Hansen Aescher 30 , underschriber der statt Zürych. Lassend mich ein gute antwurt wüssen.
18 Gerold Meyer von Knonau d.J. (15. März 1528-1569); s. Genealogisches Handbuch zur Schweizer Geschichte 3, Zürich 1908-1916, S. 183, Nr. 19.
19 Gerold Meyer von Knonau d.Ä.
20 gewesen.
21 Gemeint ist der zweite Kappelerkrieg von 1531.
22 Zwinglis Schrift "Quo pacto ingenui adolescentes formandi sint" von 1523; s. Z II 526-551; Z V 427-542.
23 Oswald Fürstenlob; s. Alexandra Renggli, Das Familienbuch Hans Voglers des Älteren und des Jüngeren aus dem St. Galler Rheintal. Ein Zeugnis häuslichen Schriftgebrauchs am Ende des 15. Jahrhunderts, Basel 2010, S. 162. Fürstenlob war vermutlich alteingesessen und nachweislich Stadtschreiber von Reichenweier in der Zeit vom 23. November 1539 bis 1549 (s. Andreas Hund, Die Reichenweirer Neubürger in der Zeit von 1506 bis 1549, in: ZGO, NF 28, 1913, S. 567-608, bes. 581), wirkte als Schreiber aber offenbar auch noch später, wie Bullingers spätere Grüße in den Briefen an Erb nahelegen. Fürstenlob zählte als Beamter Graf Georgs von Württemberg; ihm und dem württembergischen Kanzler Sigismund Stier widmete Erb die Ausgabe des zwölften Kapitels von Bullingers Matthäuskommentar (s. HBGesA I 86, Anm. 113). Er war wohl verwandt mit Elisäus und Helias Fürstenlob, die ebenfalls aus Reichenweier stammten; s. deren Immatrikulationen 1573 in Wittenberg und 1575 in Tübingen
sowie 1580 in Tübingen (Wittenberg, Matrikel II 239; Tübingen, Matrikel I 540, Nr. 88; 582, Nr. 43). Von ihm ist ein Brief an Rudolf Gwalther und Hans Vogler vom 13. September 1546 überliefert (Zürich, SIA E II 346, 102-104).
24 Sich bittend wenden (an).
25 Hans Vogler d.J. (Sohn des Ammanns) war 1543-45 Schreiberlehrling bei Oswald Fürstenlob in Reichenweier; s. HBBW X 49, Anm. 43.
26 nachdem Vogler d.J. ihn am Georgstag (23. April)[1545] verläßt.
27 sehr.
28 Er war zu diesem Zeitpunkt etwa 16 Jahre alt.
29 Ehemann der Schwester.
30 Johannes (Hans) Escher (vom Luchs), geb. 25. Februar 1508, gest. 24. Februar 1564, ältester Sohn von Heinrich Escher (1486-1531) und Elisabeth Röist (1488-1537); trat früh in den Staatsdienst (Rechenkanzlei); heiratete Anna im Grüth von Schaffhausen (gest. 1531), wurde 1532 Achtzehner und Ratsherr, heiratete in zweiter Ehe 1532 Margaretha Meyer von Knonau (1505-1549); wurde 1538 Vogt in Lugano, gab dann seine Ratsstelle auf, um 1542 Unter- und 1545 Stadtschreiber als Nachfolger Werner Beyels zu werden. Bis zu seinem Tod stand er der städtischen Kanzlei vor. 1552 war er Gesandter an König Heinrich II. von Frankreich, 1558 an Kaiser Ferdinand I. auf den Augsburger Reichstag; 1552 ging er eine dritte Ehe ein. - Lit.: Carl Keller-Escher, Promptuarium


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Wil ich verdienen c , wo ich kan; ouch umb dem stattschryber, den grüssend mir etc.

[Ohne Adresse.]