Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2004]

Johannes Gast an
Bullinger
Basel,
4. Oktober 1544

Autograph: Zürich StA, E II 366, 243 (Siegelspur) Ungedruckt

Bullinger hat zweifellos die beiden Bücher [,,Ein kurtze Replica Auff die langen Antwort Heyntzen Bullingers" und "Replica brevis"] von Cochläus; [Cochläus] wütet nicht von sich selbst aus, sondern wurde von den Ingolstädtern angestiftet, die sonst niemand anderen haben, um das Evangelium zu bekämpfen; der an der Grenze lauernde Türke wird sie die Kraft des Evangeliums lehren. Empfiehlt den jungen, frommen und gelehrten Erasmus [Cornier], der Lehrer in Mömpelgard war; von ihm wird Bullinger die Quelle für die Zwietracht unter den Brüdern erfahren; der [dortige]Hofprediger [Johannes Engelmann]ist lutherisch gesinnt und folgt in allem ganz dem [Grafen Christoph von Mömpelgard]. Wenn doch Theodor [Bibliander] etwas gegen [Andreas] Osiander schriebe! Schickt bald den Bücherkatalog.

S[alutem] in domino.

Coclaeum duos libros contra te scripsisse 1 absque dubio nosti et habes etiam. Insanit omnino senex avarus 2 , sed non ex se ipso. Ingolstadiani 3 ,

9 Ober- und Unterwallis.
10 Damit meint Bullinger keine bildliche Darstellung, sondern die schriftliche Beschreibung des Ober- und Unterwallis in der "Cosmographia"aufS. ccclv-ccclxv. - Erst in der von Münster 1545 besorgten Ausgabe der "Geographia"des Ptolemäus und in einem zweiblättrigen Sonderdruck erschienen die zwei Karten des Ober- und Unterwallis; s. Hieronymus, Petri, Nr. 196 und Nr. 208a, mit Abb. der Karten auf S. 580-583.
11 Gemeint ist Münsters Beschreibung der Kriege zwischen Burgund und der Eidgenossenschaft zwischen 1474 und 1477 (sog. Burgunderkriege) auf S. lxxxvij-xci und cclxxxvi-ccxc seiner "Cosmographia".
12 Augst (Kt. Basel-Land).
13 Siehe Münsters "Cosmographia", S. cclvi-cclviij (mit zwei Abbildungen).
1 Die deutsche und lateinische Fassung der Gegenantwort von Cochläus auf Bullingers Schrift; s. oben Nr. 1999 und Anm. 12. -Bullinger, der nur eines der Bücher (s. unten Nr. 2014, 1), wohl die deutsche Fassung, beanspruchte, hatte schon Exemplare der lateinischen Fassung: Eines davon möglicherweise schon vor dem 28. September 1544 (s. oben Nr. 1997 mit Anm. 1); ein anderes höchstwahrscheinlich kurz nach dem 1. Oktober 1544 durch den aus Frankfurt zurückkehrenden Froschauer (s. oben Nr. 2001 mit Anm. 22); ein weiteres begleitete Bartholomäus' Brief an Bullinger (s. oben Nr. 1999, 33f).
2 senex avarus: Vermutlich eine Anspielung auf Plautus, Aulularia, Argumentum I 1.
3 In Ingolstadt waren beide Invektiven Cochläus' gedruckt worden.


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quum neminem habeant, qui evangelium Christi oppugnet, alios subornant. Dominus illis ignoscat ac meliorem mentem concedat. Turcam 4 in confiniis vigilantem habent, qui, quid evangelii virtus sit, docebit. 5

Commendo tibi Erasmum 6 illum, doctum iuvenem et pium, qui ludimagistrum egit in Mümpelgart 7 , a quo, dissidii fons inter fratres unde fluat, percipies. Aulicus contionator 8 ceremoniis externis addictus omnino ac lutherizat ad insaniam usque, et quicquid princeps 9 vult, annuit, ne illum offendat; imo in multis seduci principem, ut audio. Vale.

4 Sultan Suleiman I.
5 Wie sich Gast dies vorstellt, bleibt unbestimmt. -Am 5. September 1544 übermitelte Melanchthon in seinen Briefen die Nachricht über einen evangelischen Prediger [...], der "durch klare Unterscheidung von Kirche und Staat den Respekt des türkischen Pascha ... erworben"haben soll; s. MBW, Regesten IV 123, Nr. 3675.
6 Erasmus Cornier (Corneille, Cornille), aus der Bourgogne, Bruder des Lausanner Schulmeisters Jean Cornelius. Cornier wirkte als Schulmeister von Mömpelgard von 1541 bis 1544, anschließend in Neuenburg, ab Anfang 1546 am Genfer Collège de Rive bis zu seinem Tod im April 1550. Im Juli 1544 wurde er auf Betreibung der lutherischen Partei Mömpelgards in Blamont (Dép. Doubs) eingekerkert; s. Corr. des réformateurs IX 304; Les Lettres a Jean Calvin de la Collection Sarrau, hg. v. Rodolphe Peter und Jean Rott, Paris 1972. -Cahiers de la revue d'histoire et de philosophie religieuses 43, S. 34, Anm. 3 (mit weiterer Lit.).
7 Mömpelgard (Montbéliard).
8 Eigentlicher Hofprediger bzw. Prediger der deutschen Pfarrei in Mömpelgard von Sommer 1544 bis März 1545 war Pantaleon Blasius (geb. um 1520, gest. nach 1559); s. Bopp 64, Nr. 432; Marie-Joseph Bopp, Die evangelischen Gemeinden und Hohen Schulen in Elsaß und Lothringen von der Reformation bis zur Gegenwart, Neustadt a. d. Aisch 1963. -Genealogie und Landesgeschichte 5, S. 488; Corr. des réformateurs IX 336 mit Anm. 5. 364f. 376. 383; Jean Rott, in: NDBA IV 245f. Zur Zeit dieses Briefes aber kam Blasius mit Pierre Toussain noch bestens aus (s. die folgende
Anm.), so dass hier nur vom Schlosskaplan Johann(es) Engelmann (gest. 1562 oder 1569), deretwa im Mai 1543 seine Stelle als Geistlicher an der Seite des Grafen Christoph von Mömpelgard antrat, die Rede sein kann. Engelmann stammte aus Wasserburg am Inn (Bayern); war von 1535 bis 1541 Pfarrer in Großingersheim (Baden-Württemberg); dann Diakon in Schwäbisch Hall als Mitarbeiter von Johannes Brenz; von 1542/43 bis 1553 Hofprediger von Graf Christoph von Mömpelgard, zugleich Hofkaplan von 1542 bis 1546, von 1553 bis 1558, Konsistorialrat und Hofprediger in Stuttgart. Engelmann trat als schroffer Gegner der Zwinglianer auf und wirkte im Sinne Schnepfs; s. Corr. des réformateurs VIII 408 mit Anm. 2. 462-465; IX 336 mit Anm. 6; 364-366; Deetjen, 32f; John Viénot, Histoire de la réforme dans le pays de Montbéliard, Bd. 1, Paris 1900, S. 101-116 und passim; Zeugnisse ebd., Bd. 2 passim; Gustav Hoffmann, Reformation im Bezirk Besigheim, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 38, 1934, S. 163f; Walter Bernhardt, Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten, 1520-1629, Stuttgart 1972. - Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B, Forschungen 70, S. 259. -Wir danken Herrn Andreas Butz M. A., Landeskirchliches Archiv Stuttgart, für freundliche Auskunft.
9 Graf Christoph von Mömpelgard, seit 1542 Graf von Mömpelgard, der u.a. in der Liturgie und der Abendmahlsfrage schon im Sommer 1543 begonnen hatte, auf die protestantische Geistlichkeit Montbeliards Druck auszuüben, und im Herbst


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Basileae, 4. octobris 1544.

D. Theodoro omnia felicia precor. Utinam ille scriberet contra somniantem Hosdich Anders 10 ! Si non sine nomine scriptum vellet publicare, fieret hoc ficto nomine, quo larva hypocriseos homini superbo detraheretur. 11

De libris nuper excusis catalogum 12 proxime mittam.

Tuus Gastius

ex animo.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinrycho Bullingo[!], vigilantissimo Tigurinae ecclesiae pastori, praeceptori suo semper colendo. Zurich.