Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2063]

Johannes Wäber an
Bullinger und
Kaspar Megander
Bern,
7. Januar [1545]

Autograph: Zürich ZB, Ms F 62, 566r.-567v. (Siegelspur) Ungedruckt

Die Gegner predigen noch immer falsch, streiten es aber ab, wenn man sie zur Rede stellt. [Gerade] deshalb wurde am 5. Dezember [1544] verhandelt, und man kam zu einem guten Ergebnis. Dennoch fährt Beat [Gering] mit seinem Frevel fort: Am Weihnachtstag [1544] sprach er von einem dreifachen Essen [im Abendmahl]; am Neujahrstag lehrte er Falsches über die Beschneidung und Taufe; letzten Sonntag schließlich brachte er die Stelle Jesaja 21 [16f] mit Missbrauch der Sakramente in Verbindung. Daraufhin stellte Wäber deutliche Parallelen zwischen der Predigt Gerings und Luthers ["Kurtz bekentnis"]fest, die er [Peter Cyro] und den Ratsherren meldete. Wenn die Sakramente weiterhin im Sinne Zwinglis und Oekolampads gebraucht werden, wird dies laut Gering zum Untergang der evangelischen Kirchen führen. Erasmus [Ritter] wurde von Gerings Predigt so getroffen, dass sein gesundheitlicher Zustand sich verschlechterte. Hauptgrund für Wäbers Brief ist aber die Befürchtung, dass Gering den Boten [...], den er bei sich beherbergte, über die Zürcher ausgefragt oder sein Treiben gegen die Zürcher diesem gegenüber beschönigt haben könnte; deshalb sollten die Zürcher dies den Berner Ratsherren und Bürgern mitteilen, ihnen zudem raten, bei der bis heute gültigen [Berner]Disputation [von 1528] zu bleiben, und sie [warnen, dass sie] von Luther und seinen Fürsprechern betrogen werden. [Allfälligen]Briefen der lutherischen Pfaffen [in Bern] ist nicht zu trauen. Wäber konnte den nachts um drei Uhr geschriebenen Brief nicht nochmals überlesen, da er [am Morgen]für Ritter, der nichts vom vorliegenden Brief weiß, predigen muss. Wäber bewog die Sorge, dass Gering den Boten verführen und vielleicht ein irreführendes Schreiben an die Zürcher verfassen könnte. [P.S.:] Gering hat Luthers Buch lange vor den anderen Bernern gehabt.

S. Lieben herren, unverschempter fravel 2 imm predigen, und deß sälben demnach wider löügnen, wenn man sy zu antworten stelt, ist noch immerdar glych grosß by unßren widersächeren 3 3 Und alßo ist die sach amm 5. decembris znächst 5 ouch verhandlet und die urteyl aber unsrer herren rädt und burgern unßers dunckens, wie die denn warlich fast yfrig 6 gsin, wol gfallen. 7 Sydhar hett Batt 8 wie er gwon, 9 sölchen sin frävel gar nüt geendret, frylich

1 Die Thematik erlaubt es zweifelsfrei, den Brief nach Eberhard von Rümlangs Briefen an Bullinger vom 28. November und 17. Dezember 1544, d.h. ins Jahr 1545, einzuordnen.
2 Frevel.
3 Die bucerisch-lutherische Partei in Bern, angeführt von den Pfarrern Simon Sulzer und Beat Gering, dem Buchzensor Anton Noll, dem Theologielehrer an der Hochschule Thomas Grynäus, und dem Diakon am Münster Konrad Schmiden s. Hundeshagen
200. 209; HBBW XIV, Nr. 1841, 158.
4 Zur Sache s. HBBW XIV, Nr. 2025. 2034. 2039f. 2051. 5 am letzten 5. Dezember.
6 fast yfrig: sehr entschieden.
7 Am 5. Dezember 1544 war im Berner Kleinen Rat beschlossen worden, sich weiter an die Beschlüsse der Berner Disputation zu halten; s. HBBW XIV, Nr. 2051.
8 Beat Gering.
9 wie er gwon: wie er es gewöhnt ist.


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uß hoffnung, aber 10 mitt löügnen oder sunst den sälben können verkleyben 11 , zeentrünnen, wo er darumm erfordert, sunderlich a aber uff den wienacht tag abermals triplicem manducationem 12 statuiert, wiewol b so dunckel, das ers nitt offentlich in sine membra 13 theylen dorfft. Am nüwen jars tag gantz und gar ungschickt von der bschnydung und touff; yetz zu letst amm sontag 14 (denn ich acht, sich den Sultzer darumm kranck sin, 15 das 16 inn Batt mitt dißer predig könde verwäßen 17 ) hett er dißen statum 18 mitt grossem pracht 19 fürtragen uß Isaja cap. 21 [16f]: 1. c Die Cedarener 20 sind von gott gstrafft von wägen, daß sy das sacrament misßbrucht, 2. denn sy sich vomm volck gotts abgsündert hattend; 3. wirt ouch etlichen Evangelischen gschen, die zuwennig uff die sacrament haltind. Sölichs ist die summ genempter predig gsin. Die han ich von stund an vor morgenbrodt alßo verglycht uß deß Luthers buch 21 , und dem stattschryber 22 und sunst 23 etlichen minen herren anzeyght. Also: 1. Zwingli ist umbkon mitt 5'000 mannen uß erschrecklichem urteyl gotts (spricht Luther)24 ; 2. daß sy 25 das sacrament mißbrucht, hend sich von der christenlichen kilchen abgsündert; denn Luther rümpt sich, das sacrament behalten han mitt dem bapst und der kilchen von 1'500 jaren har. 26 3. So volget: Wo wir uns der sacramenten fürhin bruchen werdent, wie Zwingli und Ecolampadius in der loblichen Disputation 27 wider Luthers und bapsts meynung erhalten, wird uns mitt allen oberlendischen evangelischen kilchen gschehn wie den Cedareneren und Züricheren; ja es wird noch wirs gan 28 , tröüwt 29 Luther, 30 etc.
a Neben dem folgenden Teilsatz am linken Rand (von der Hand Johann Heinrich Hottingers?): Beat[us] Bern[a]e n[atali] J.C. concionatur ad mentem Luth[eri].
b wol in wiewol über der Zeile nachgetragen.
c Alle folgenden Aufzählungen sind am linken Rande nachgetragen.
10 abermals.
11 verbergen, vertuschen.
12 Beat Gering hatte schon im Vorjahr in diesem Sinne gepredigt; s. HBBW XIV, Nr. 1841, 24f und Anm. 11.
13 Teile; d.h. dass er nicht ausdrücklich unter den drei "Essensarten" beim Abendmahl (s. oben Anm. 12) unterschieden hat.
14 4. Januar 1545.
15 Wohl im Sinne von: dass sich Sulzer deshalb als krank ausgegeben hat.
16 damit.
17 vertreten.
18 Standpunkt, Meinung.
19 prahlerischem Reden, Hochmut.
20 Gemeint sind die Ismaeliten und im Allgemeinen
die Mohammedaner; s. z.B. Luther, Summarien uber die Psalmen, Wittenberg, Hans Lufft, 1531 (WA XXXVIII 57, 30-58, 2).
21 Das "Kurtz bekentnis"; s. oben Nr. 2061, Anm. 7.
22 Peter Cyro, Stadtschreiber von Bern von Juli 1525 bis zu den Osterwahlen 1561; s. Mathias Sulser, Der Stadtschreiber Peter Cyro und die Bernische Kanzlei zur Zeit der Reformation, Bern 1922, S. 4f. 18f.
23 außerdem.
24 Luther, Kurtz bekentnis ..., f. Dl (WA LIV 154, 17-19).
25 Zu verstehen: Luthers Gegner.
26 Luther, Kurtz bekentnis ..., f. B2 (WA LIV 145, 16-18).
27 Die Berner Disputation von Januar 1528, die gegen Luther und den Papst gerichtet war; s. HBBW XIV, Nr. 2040.
28 noch wirs gan: noch schlimmer werden.
29 droht.
30 Siehe Luther, Kurtz bekentnis ..., f. El-Fl (WA LIV 157-160).


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Sölche argwänige und verdächtliche predig het m. Erasmum 31 so übel beckümmret, das er von stund an deß sälben tags, von siner kranckheyt etwas berürt, imm den munnd und das ein oug gantz enggest und krumm gemacht; ist ouch etwas schimpflicherer red 32 weder 33 es sunst sin gwonheyt d sye. Und mögend also nitt wüssen, was gott mitt uns handlen wil; ob es besser oder e schwecher umb inn wirdt; denn er het sunst den andren f34 brieff || 566v. sälbs dictiert, etc.

Demnach, lieben herren (und das ist die ursach diß schrybens), wie der bott 35 har kon, hat inn Batt zu herberg ussgnommen, eintweders üwer thun zeerfaren oder das sin gägen üch zeverklügen 36 , besorgen ich. Darumm bitten ich wie ouch zum nächsten 37 , möcht es üwer gschäfften halb 38 sin, das yr unsre herren, rädt und burger, fürgnomner handlung uffs kürtzist und gruntlichist berichtind, sunderlich diewyl sy noch bißhar mitt Zürich und andren kilchen in der Concordi 39 ghandlet, allwäg 40 mitt erbiettung (wie auch zum letst z'Zürich versamlet gscheen)41 , by ir loblichen Disputation unverruckt 42 zeblyben, alß denn uff den hütigen tag by inen, wie ir uß der gäbnem 43 urteyl 44 sähend, bstadt, und also eben als wol von Luthern oder sinen fürmündren 45 betrogen sind als andre kilchen, etc. 46

Vertrüwend keiner gschrifft, die üch möchte von den luterischen pfaffen 47 zugschriben werden. Besserend sy ir fürnämen 48 , so wil ichs üch unverzogenlich kundthun. Dörffend mir kein bottenbrod 49 schencken. Damitt sind gott empfolhen. Wachend uff unßre kilchen mitt trüwen; so hoff ich, gott werd gnad gen.

Actum zu Bern amm 7. jenner, nachts umb die drü.

d In der Vorlage gwoheyt.
e oder kaum lesbar infolge Wasser- oder Schimmelschadens.
f andren unter der Zeile nachgetragen.
31 Erasmus Ritter.
32 schimpflicherer red: von undeutlicherer Aussprache.
33 als.
34 Gab es vielleicht neben dem vorliegenden Brief noch einen anderen aus Bern?
35 Unbekannt.
36 zu beschönigen, verharmlosen.
37 wie ouch zum nächsten: wie auch kürzlich. —Gemeint ist der Brief der Zürcher Ratsherren an den Rat von Bern vom [5. November 1544]; s. HBBW XIV, Nr. 2034, 6-11 und Anm. 1; ebd., Nr. 2039, 9f und Anm. 7.
38 üwer gschäfften halb: eurer Angelegenheiten halber.
39 Die Wittenberger Konkordie vom Mai 1536; s. BucerDS VI/1 114-134, Nr. 10; WA-BW XII 200-212, Beilage I zu Nr. 4261; MBW-T VII 131-148, Nr. 1744.
40 stets.
41 Siehe oben Anm. 37.
42 standhaft.
43 mitgeteiltem.
44 Siehe oben Anm. 7.
45 Beschirmer, Fürsprecher.
46 und [die Zürcher sollten schreiben, dass die Berner] ebenso von Luther und seinen Fürsprechern betrogen werden wie andere Kirchen.
47 der Berner bucerisch-lutherischen Partei; s. oben Anm. 3.
48 Vorhaben, Absicht.
49 Botenlohn.


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Und muß für Erasmum predigen; deßhalb ich den brieff nitt wider überläßen kond. Ich han inn auch Erasmo unwüssend gschriben; allein nachts bewegt 50 , das Batt den botten inzogen 51 , ob er villicht understünde 52 , etwas früntlichs an üch zeschryben, dardurch ir verursachet, distminder 53 sorg in dißer gford 54 für uns zetragen.

Johannes Wäber, üwer

allzyt.

Batt het Luthers buch langist vor uns ghan, 55 etc.

[Adresse auf der Rückseite:] An die erwirdigen und wolglerten herren, m. Heinrich Bullinger und h[errn] Caspar Grossman, predicanten zu Zürich, etc.