Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2697]

Bullinger
an Ambrosius Blarer
Zürich,
30. November 1546

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 210 (Siegelspur)

Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 537f, Nr. 1375

(1) Damit Blarer keinen Zweifel über den Boten [...]hegt, dessen Dienste er benutzt hat, teilt ihm Bullinger mit, dass er die von ihm auf [Schloss]Griesenberg verfassten Briefe [Nr. 2655, Nr. 2676 und Nr. 2679] gut erhalten hat. Bullinger weiß hingegen nicht, ob seine Briefe angekommen sind. Seinen letzten Brief [nicht erhalten]hatte er dem durch Konstanz reisenden Diener [...] von Hans Wyss mitgegeben und Blarer darin gebeten, diesem den sichersten Weg nach Augsburg zu weisen. Doch befand sich Blarer damals [noch] in Griesenberg. [2][Johannes] von Ulm und dessen Studiengefährte [Augustin ...] erweisen sich als fleißig. Ihnen werden von [Johannes] Fries Bücher zum Ankauf angeboten. Es sind im Ganzen 56 Bände (26 Foliobände ganz in Leder gebunden, 7 Quart- und 23 Oktavbände), die zusammen 23 Florin kosten. Für die Foliobände werden je 10 Batzen verlangt; für die Quartbände je 4 oder 5, und für die Oktavbände je 3. (3) Darunter befinden sich: [Konrad] Pellikans Veröffentlichungen über die Bibel; Zwinglis Schriften zum Neuen Testament und zu den Propheten sowie noch weitere Abhandlungen desselben; die Werke von Hieronymus, Ambrosius, Cyprian und Basilius [dem Großen]; die Erstausgaben der Werke von Cyrill und Chrysostomus; die "Annotationes" zum Neuen Testament des Erasmus sowie einige von dessen "Paraphrasen"; die Werke des Bernhard [von Clairvaux]; [das Wörterbuch] "Cornucopiae" und der "Calepinus"; einige Luther- und Melanchthonschriften; mehrere Veröffentlichungen aus Bullingers Feder, und noch manches, das hier nicht aufgezählt werden kann. Bullinger hat die jungen Leute überzeugt, diese Werke zu kaufen. [4] Er will aber zuvor Blarers Bewilligung dazu einholen. Dieser soll sich beeilen, denn Fries braucht Geld. Sollten die Bücher in die Hände eines Buchhändlers gelangen, würden sie ganz bestimmt mehr als 60 Florin kosten. Blarer soll die Sendung des Geldes veranlassen. Von Ulm sollte die Sammlung erwerben und sie seinem

e In E II 355 fügt hier Bullinger mit Hilfe eines Verweiszeichens folgende Angabe hinzu: Nördlingen und Giengen. Mit einem Brief des Konstanzer Rats an den Zürcher Rat vom 4. Dezember (Zürich SM, A 177, Nr. 150) hatte Bullinger noch vor Absendung der für Myconius erstellten Abschrift des vorliegenden Schreibens erfahren, dass sowohl Nördlingen als auch Giengen sich dem Kaiser ergeben hatten.
26 Lkr. Günzburg, Bayern.


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Gefährten zur Verfügung stellen, zumal beide zusammenwohnen. Die Bücher waren früher Eigentum des verstorbenen Werner Steiner. [5]Beiliegend die von Francisco de Enzinas für Blarer bestimmte ["Historia vera de morte Diazii"]. Bullinger legt seiner Sendung eine Abschrift des an ihn gerichteten Briefes [Nr. 2647] von [Theobald] Thamer bei sowie die [Abschrift] seiner Antwort darauf [Nr. 2675] und bittet um Rücksendung der Dokumente. Thamer ist Feldprediger Landgraf [Philipps von Hessen]. [6] Was geschieht denn im [schmalkaldischen] Lager? Wo befinden sich Kaiser [Karl V.] und [Kurfürst Johann Friedrich] von Sachsen? Was stellt [Herzog] Moritz in Sachsen an? Was tut man in Augsburg? Sind König [Christian III.] von Dänemark und [Kurfürst Friedrich II.] von der Pfalz noch am Leben? Blarer soll diese Fragen beantworten, um sein langes und beschwerliches Schweigen wieder gutzumachen! [7] Grüße. [8] Umso besser, dass Gott Blarers Schwager [Heinrich von Ulm](gewiss der einzige aufrichtige Adlige im Thurgau) aus dieser bösen Welt entrissen hat, damit dieser nicht sehen muss, was Bullinger und Blarer befürchten!

Gratiam et pacem. Literas tuas, frater in domine colendissime, Griessenbergi datas accepi, 1 id quod moneo, ne de fide tabellionis 2 dubites quicquam. Ego, an meas omnes acceperis, miror. Ultimas 3 scripsi per servulum 4 Ioannis Albini 5 , qui per Constantiam proficiscebatur Augustam, nec aliud erat in iis quam ut consuleres, qua via tutissime proficisceretur a . Sed eras tu tum quoque Griessenbergi, etc.

Adulescentes vestri, 6 duo certe optimi iuvenes, pro suo offitio diligentes sunt. Offeruntur eis a Frisio 7 libri emendi 8 pro florinis nostratibus 23. Suadeo

a In der Vorlage proficisceetur.
1 Blarer hielt sich auf Schloss Griesenberg (Amlikon, Kt. Thurgau) während der ersten Hälfte Novembers auf und stand während dieser Zeit seinem im Sterben liegenden Schwager Heinrich von Ulm und nach dessen Tod am 14. November seiner verwitweten Schwester Barbara bei. Aus dieser Zeit sind drei Briefe Blarers bekannt: Nr. 2655 vom 3.; Nr. 2676 vom 14.; und Nr. 2679 vom 16. November.
2 Unbekannt.
3 Nicht erhalten.
4 Unbekannt. — Um den 4. Dezember verließ dieser wieder Augsburg mit Georg Frölichs und Johannes Hallers Briefen Nr. 2700 und Nr. 2701; s. Nr. 2706,1f.
5 Wohl der Zürcher Kannengießer Hans Wyss (gest. 19. Mai 1564), der seit Januar 1544 wie Bullinger zünftig zur Meisen war. Er hatte am 30. Juli 1539 Barbara Zoller, die Schwester des damals im Dienste von Sebastian Schertlin stehenden Hans Wilpert Zoller d.J., geheiratet; s. Carl Keller-Escher, Promptuarium genealogicum, Bd. 7 (Zürich ZB, Ms Z II 6a), 5. 408; Zürich StA, VIII.C. 1., EDB 880; [Emil UsteriJ, Die Zunft zur Meisen,
Zürich 1946 (Neuaufl. 1989), S. 38. — Als der Knecht von Zollers Schwager Zürich verließ, wusste man noch nicht, dass die Schmalkaldener ihr Lager am 22. November auflösen würden.
6 Johannes von Ulm, der Neffe des damals gerade verstorbenen Heinrich von Ulm, sowie dessen Studiengefährte Augustin [... ] s. Nr. 2644,1-15.
7 In Anbetracht der Bemerkung unten in Z. 24f wird hier von Johannes Fries und nicht vom Buchdrucker/-händler Augustin Fries (alias Mellis) die Rede sein.
8 Aus unten Z. 27 geht hervor, dass diese Bücher aus der Bibliothek (die umfangreicher als die hier aufgezählten Bände war; s. unten Anm. 26) des am 6. Oktober 1542 an der Pest im Gefängnis verstorbenen und mit Bullinger befreundeten Werner Steiner stammten. Der Lebensabend des seit 1529 in Zürich wohnenden Zuger Reformators Steiner wurde durch die von einem Erpresser gemachten Enthüllungen zu Steiners homosexuellem Verhalten während dessen Jugendzeit stark getrübt: s. HBBW IV 33, Anm. 2; Diethelm Fretz, Steineri Fata, in: Zwa


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modis omnibus, ut eos emant: quodsi alteri 9 facultates desunt, emat alter, ab Ulmis; 10 ac pro ista pecunia vix ita colligati sint b . Maiores, in folio, pulchre colligati in asseres 11 et toti corio obvoluti, sunt 26; medii 12 sunt 7; et in parva forma, hoc est 8 folia de folio integro 13 , 23. c Sunt ergo in universum codices 56. c Majores dabit pro 10 batzonibus 14 singulos; minores pro 3; medios pro 5 vel 4. In summa omnes conficiunt florinos 23. 15

Sunt autem praecipue: Opera Pellicani in Biblia; 16 opera Zvinglii in Novum testamentum et prophetas et alia eius; 17 opera Hieronymi; 18 opera Ambrosii; opera Cypriani; opera Basilii; [C]yrilli d prima editio; 19 opera Chrysostomi prima aeditio; 20 Annotationes Erasmi in Novum testamentum; 21 Paraphrases eiusdem aliquot; 22 opera Bernhardi; 23 Cornucopiae; 24 Calepinus; 25

b Über der Zeile nachgetragen.
c-c Am Rande nachgetragen.
d Textverlust durch Papierbeschädigung.
IV/12, 1926, 377-384. —Da Steiner zahlreiche Kinder hatte (s. HBBW I 45, Anm. 1; Fretz, aaO, 383), die die Bücher hätten erben können, ist zu vermuten, dass Fries die hier aufgelisteten Bände nach dem Ableben von Steiner von dessen Familie käuflich erworben hatte. Dass Fries und Steiner sich näher kannten, geht aus der auf den 1. Februar 1541 datierten Widmung an Steiner hervor, die Fries und Peter Kolin gemeinsam ihrem "Dictionarium latinogermanicum" (VD16 C2283; BZD C295) voranschickten, sowie aus unten Anm. 26.
9 Gemeint ist Augustin [...].
10 Subjekt sind die zum Kauf angebotenen Bände.
11 Hier sind die Holzdeckel der Einbände gemeint.
12 Die Bücher im Quartformat.
13 Unter "folium integrum" ist das jeweils auf die Druckform gelegte Blatt (auch Druckbogen genannt) zu verstehen.
14 Batzen, ein Zwölftel eines Pfunds.
15 Die hier gemachten Angaben erlauben auszurechnen, dass damals in Zürich ein Florin (oder Gulden) einen Wert hatte, der zwischen 15,60 und 15,74 Batzen, also zwischen 1,3 und 1,31 Pfund lag (1 Pfund = 12 Batzen).
16 Die lateinischen Zürcher Drucke BZD C217 (von 1534/35); C266f (1537); C282 (1539).
17 Wohl ein Teil oder alle der folgenden lateinischen Zürcher Drucke: BZD C131 (1527); C134 (1527); C151 (1528); C165
(1529); C201 (1531); C203 (1531); C223 (1533); C286 (1539).
18 Diese vage Angabe erlaubt es nicht, die Ausgabe näher zu bestimmen. —Gleiches gilt auch für die folgenden ohne Anmerkung versehenen Buchtitel.
19 Vielleicht die 1524 in Basel erschienene einbändige Cyrill-Ausgabe in lateinischer Übersetzung (VD16 C6579) oder die 1528 ebenda erschienene dreibändige Ausgabe, ebenfalls in lateinischer Übersetzung (VD16 C6566f).
20 Vielleicht die 1504 in Basel erschienene zweibändige Chrysostomus-Ausgabe in lateinischer Übersetzung (VD16 J395) oder die 1517 ebenda erschienene sechsbändige Ausgabe, ebenfalls in lateinischer Übersetzung (VD16 J396).
21 Die seit 1516 immer wieder neugedruckten "Annotationes in Novum Testamenturn" (Vanautgaerden 505).
22 Die zwischen November 1517 und Februar 1524 in mehreren Lieferungen erschienenen "Paraphrases" zu den Büchern des NT; s. Vanautgaerden 506 (1517 — eine Lieferung); 508f (1519 — vier Lieferungen); 510f (1520 —drei Lieferungen); 511 (1521 — zwei Lieferungen); 512 (1522 — eine Lieferung); 513 (1523 — drei Lieferungen); 514 (1524 — eine Lieferung).
23 Die Werke des hl. Bernhard von Clairvaux - vielleicht die 1520 in Lyon (USTC 145287) oder 1527 in Paris (USTC 181059) erschienenen "Opera omnia".


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Lutheri et Melanchtonis quaedam; Bullingeri pleraque; et multa alia, quae hic commemorare longum esset. Suasi ego, ut emerent. 26

Nolui tamen quicquam te inconsulto agerent. Frisius sane opus habet pecunia. 27 Quod si consulis, fac sciam, ne alii illis hunc thesaurum librorum praeripiant. Posthac a bibliopolis illos libros non minons quam 60 florinis ement et pluris, sat scio. Dorumb, möchtend ir inen gällt uffbringen, were gut Ich kouffte sy dem von Ulm. Möcht 28 sy dem andren lihen 29 , diewyl sy by einandern. Libri fuerunt d. Wernheri Steinerii beatae memoriae, etc. 30

Quae ad te scripsit et dedit d. Franciscus 210v. || Dryander 31 Hispanus, habes hic. Adieci exemplum literarum Tamen 32 concionatoris lantgravii Hassiae 33 ,

24 Eine der zahlreichen Ausgaben dieses anfangs von Niccolò Perotti (ca. 1430— 1480) angelegten und danach stets vermehrten lateinischen Wörterbuchs.
25 Ambrogio Calepino oder Calepio (ca. 1435-1511), ebenfalls Verfasser eines weitverbreiteten, häufig nachgedruckten und allmählich vermehrten lateinischen Wörterbuches.
26 Vermutlich kam es zu diesem Kauf, zumal die hier angeführten Bücher nicht Teil der "um 1548" der Zürcher Stiftsbibliothek einverleibten Bücher aus Steiners Bibliothek sind, die in Martin Germann, Die reformierte Stiftsbibliothek am Großmünster Zürich im 16. Jahrhundert, Wiesbaden 1994, S. 302-305, aufgelistet und beschrieben werden. Dank des vorliegenden Briefes und angesichts der Tatsache, dass die bei Germann aufgeführten Bücher fast alle ebenfalls den Besitzernamen oder die Handschrift Fries' aufweisen, wird es sich bei diesem Bestand (im Gegensatz zu der in Germann, aaO, S. 357, gemachten Aussage) nicht um ein von Fries um 1548 an die Stiftsbibliothek ausgerichtetes Legat, sondern wohl um Bücher handeln, die Fries mit den im vorliegenden Brief angeführten Werken erworben hatte und vielleicht schon 1546/47 (s. nämlich unten Anm. 27) der Stiftsbibliothek abtrat oder (noch wahrscheinlicher) verkaufte. — Im Laufe der Zeit kam die ZB Zürich durch Erwerbungen oder Gaben von Steiners Nachkommen zu weiteren Schriften aus Steiners Bibliothek. Sie sind heute mit folgenden Signaturen versehen: Zwingli M. v. K. A 71 [BZD D9] und 80
[BZU C671: II DD 381/2 [BZD C41]; 381/3 [VD16 E2921]; 381/32 [BZD C37]; 381/35 [VD16 R1868]; MET 16: 29 [BZD C231: und Res 969 [BZD C23]. — Wir danken Christian Scheidegger (Zürich ZB), der uns auf diese Bestände aufmerksam gemacht hat.
27 Wahrscheinlich in Hinblick auf Fries' bevorstehenden Umzug. Der bis dahin an der Fraumünsterschule wirkende Schulmeister wurde gerade um diese Zeit zum Lehrer an der Großmünsterschule (dem Carolinum) ernannt; ein Posten, den er 1546 (nicht erst 1547) antreten sollte. Seine ihm daher neu zugewiesene Wohnstätte, der Chorherrenhof "Zum Loch" an der Römergasse, sollte durch einen Anbau erweitert werden, "dass er dester kummiicher tischgänger, ehrlicher leute kinder gehaben [=unterbringen] und lehren, auch ziehen [=erziehen] könnte"; s. Peter Bührer, Johannes Fries (1505— 1565), Pädagoge, Philologe, Musiker. Leben und Werk, in: ZTB CXXII. 2001, 174f; Zürich StA, G 1179, 14r. 15v.
28 Subjekt ist Johannes von Ulm.
29 leihen.
30 Blarer hatte Steiner im Oktober 1533 persönlich kennengelernt; s. die Verweise in HBBW 1V 33, Anm. 1; und ferner XII 215, 18f.
31 Francisco de Enzinas, der offensichtlich auch Blarer ein Exemplar seiner "Historia vera de morte Diazii"geschenkt hatte; vgl. Nr. 2694.
32 Theobald Thamers Brief an Bullinger (Nr. 2647) vom 28. Oktober.
33 Philipp von Hessen.


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in castrisch 4 ad me datarum descriptum, tum et meam responsionem 31 Ea ubi legeris, oro, remittas.

Quid 37 vero nunc fit in castris? Ubi agit caesar 36 , ubi Saxo , ubi Hessus? Quid fit in Saxonia a Mauritio 38 ? Quid fit Augustae? Excessitne e vivis Danorum rex 39 et elector Palatinus 40 ? Offero tibi materiam scribendi, ut sarcias tuum illud molestissimum mihi silentium! 41

Vale una cum tuis omnibus. Tiguri, ipsa die Andreae anno 1546.

Bullingerus tuus.

Gaudeo ex animo sororium 42 illum tum inter nobiles solum (meo quidem iudicio) e in Durgavia syncerum, concessisse fatis. Eripuit illum dominus ex infandis maus, ne oculi eius videant, quod metuo nos visuros. Dominus sit nobis propitius!

[Adresse darunter:] D. Ambrosio Blaurero, Constantiensis ecclesiae ministro fidelissimo, domino et fratri suo semper colendo. Constantz. f