[2708]
Autograph: Zürich StA, E II 342, 157 (ohne Siegel) Ungedruckt
[1]Bullinger weiß wegen des elenden Kriegs bald nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Er wird
immer mehr in die politischen Angelegenheiten verwickelt und leidet unterdessen an andauernden
Kopfschmerzen. Das Schlimmste steht aber noch bevor! —[2]Er erhielt vier Briefe von
Myconius [Nr. 2683, Nr. 2691, Nr. 2692, Nr. 2702], darunter den letzten vom 4. Dezember.
Danke für den erwiesenen Fleiß! Bullinger gab gestern John Burcher einen Brief für Francisco
[de Enzinas] mit. Burcher hat [bei der Tagsatzung] in Baden geschäftlich zu tun. Wie
lange, ist unklar. Auf Myconius' Briefe gibt es lediglich das Folgende zu erwidern. —[3] Zur
Frage nach den Feldpredigern: Dem Namen nach kennt Bullinger nur [Theobald Thamer],
den Prediger des [Landgrafen Philipp] von Hessen. Beiliegend der an Bullinger gerichtete
Brief dieses Predigers [Nr. 2647] unter der Bedingung schnellstmöglicher Rücksendung! Bullinger
hat ausführlich darauf geantwortet [Nr. 2675]. —[4] Die Meldungen über die Böhmen
und über Herzog Moritz [von Sachsen] stimmen. Am 1. November mussten die [ernestinischen]
Sachsen eine Niederlage einstecken: 1'200 Mann fielen, und 500 wurden gefangen.
Dies berichteten die Berner gemäß einem Schreiben des Herzogs Christoph von Württemberg.
— [5] Heute Nachmittag meldeten die Konstanzer, dass eine Anzahl kaiserlicher Reiter ihr
Winterlager im Hegau und am Bodensee aufschlagen wird. Stimmt das, wird es noch etwas
geben! — [6]Beiliegend ein Schreiben der Konstanzer, das gestern ankam, mit der Bitte um
Rücksendung mit diesem [...] oder dem nächsten Boten. Alles schwebt in höchster Gefahr!
Man muss Gott um Schutz bitten! — [7] Bürgermeister [Johannes Haab] berichtet [mit Nr.
2711 von der Tagsatzung] in Baden, dass [Nicolas Perrenot, Herr von] Granvelle, den französischen
König [Franz 1.] dazu veranlasst hat, das für die Protestanten bewilligte Geld zu
sperren und sich zur Beratung nach Paris zu begeben, indem er dem König mitteilte, dass
[Kaiser]Karl V. um die Hand seiner Tochter [Margarete von Frankreich] wirbt. Die Ratgeber
des Königs werden bestimmt nur die Auslöschung des Christentums in Deutschland beabsichtigen.Briefe_Vol_18-380 arpa
Ist denn dieser Kaiser nicht teuflisch? Der Sieger [Christus] aber lebt, während man
den Fürsten nicht trauen kann! —[8] Die Meldung über die 2'000 getöteten Kaiserlichen ist
bloß ein falsches Gerücht. Auch hätte [das ernestinische] Sachsen niemals 6'000 Reiter und
24'000 Fußsoldaten aufbringen können; daher werden die Böhmen auch nicht so viele getötet
haben! —[9]Jodocus [Kilchmeyer]hat in Bern nichts Schreckliches versucht. Er setzt sich nur
für die Erhaltung der während der Berner Disputation [von 1528]festgelegten Lehre ein.
Vielleicht ist das Gerücht auf die Entlassung von [Thomas] Grynäus und dessen Schüler
[Peter Zeller]zurückzuführen. Diese Ausweisungen sind aber angesichts des hier beigelegten,
von dem entlassenen Schüler verfassten Lieds (das Myconius mit dem gegenwärtigen Boten
gleich zurückschicken soll) keineswegs verwunderlich! —[10] Heute tagt in Zürich der [Große]
Rat. Bern und Basel wollen sich von den Neun Orten den Schutz ihres Glaubens zusichern
lassen. Die Zürcher aber lehnen das Gesuch ab, damit sie nicht im Gegenzug den päpstlichen
und abgöttischen Glauben der Neun Orte verteidigen müssen. Seltsam, dass die Basler und
Berner diese Frage vorbringen! — [11] Gruß, auch an Enzinas und [Johannes] Gast. Mehr
kann Bullinger nicht schreiben.
S. D. Ita divexor turbis et miseria praesentis belli, venerande mi Myconi, ut saepe nesciam, caput ne humeris adhuc insideat an rapiatur et volvatur per aera! Negotia excipiuntur negotiis et magis atque magis me involvunt. Laboro interea perpetua fere capitis imbecillitate. 1 Aber es ist alles noch nut gägen dem, das werden sol und noch wirt.
Quaternas a te accepi. Ultimas dedisti 4. decembris. 2 Scribis satis diligenter et fidelissime. Ago tibi pro diligentia et fide gratias. Pridie dedi literas ad d. Franciscum 3 d. Ioanni Burchero Anglo. Ignoro, quamdiu mansurus sit 4 Badenae. Habet ibi negotia. Nihil scio esse in tuis, ad quae omnino respondere oporteat nisi hec paucula.
Rogas, 5 qui sint in castris concionatores. Ignoro. Neminem enim novi nisi Hessi 6 idque ex nomine 7 Is ad me dedit literas 8 , quas hic vides, at ea lege, ne quis praeter te legat et ut mox remittas. 9 Respondi illi satis longa epistola. 10
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Vera sunt, quae scripta sunt de Bohemis et duce Mauritio. 11 Insuper cladem acceperunt non parvam Saxones. Ceciderunt 1'200, capti 500 calendis novembris. Ita scribunt huc Bernates ex duce Christophoro Wirtembergensi.
Hodie ad horam 3. pomeridianam scribunt Constantienses 12 caesaris 13 equites aliquot nec paucos hyberna habituros in Hegovia 14 et ad lacum Podamicum 15 . Quod si verum est, videbis, quid futurum sit.
Quae pridie huc miserunt, 16 vides hic, sed ea lege, ut per hunc 17 aut per proximum remittas. Vides omnia in summo versari discrimine. Oremus dominum nihil dubitantes de eius protectione.
Accedit his aliud, quod hac hora ad me consul noster 18 ex Badena scribit. Fama est Granvellam 19 Galli 20 animum perpulisse postulata regis filia 21 in uxorem Carlo (schowt 22 , ob er nitt der tüfel sye corporaliter!), ut pecuniam Protestantibus paratam 23 sisti et asservari adhuc in praesenti jusserit, imo Parisios 24 contentat consulturus, quid agat. Consiliarii eius manibus et pedibus 25 in hoc erunt, ut christianismus extinguatur in Germania. Sed vivit, qui vicit! 26 Das wirt uns ||157v. leren fürsten und herren truwen. 27
Vana sunt, quae dicuntur de caesis 2'000 equitibus caesaris: koufflütten mer 28 ! Saxonia nunquam potuit colligere equites 6'000, pedites 24'000, tantum abest, ut tot potuerint cadere caesi a Boiemis.
Iodocus 29 Bernae non tentat horrenda, sed ut genus doctrinae in disputatione 30 assertum servetur syncerum et integrum. Audio Grynaeum 31 dimissum una cum studioso quodam 32 . Nec mirum, nam hic habes carmen 33 , quod
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studiosus iste scripsit contra nos! Carmen remittes per hunc. Quia adolescens dimissus est, ideo forte horrenda ille moliti dicitur.
Jetzund hat man radt 34 Bern und die üwern wöllend von 9 orten wüsses haben 35 , ob sy sy schirmen wöllind by irem glouben. Die unsern wöllend der vrag nitt. Ursach: Das sy nitt inen 36 zusagen müssend, das sy sy by des bapsts glouben und abgöttery schirmen wöllind. Nescio, quid futurum sit. Miror tamen vestros et Bernates haec proponere.
Vale. Plura non possum. Millies salvus sit Dryander, Gastius, etc. 8. decembris anno 1546.
Bullinger.
[Ohne Adresse.]
[Darunter folgt von Myconius' Hand eine genaue Abschrift eines Abschnittes aus Thamers Brief an Bullinger vom 28. Oktober (Nr. 2647).]37