Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[567]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
30. März 1535

Autograph: Zürich StA, E lI 351, 166 (Siegelspur) Ungedruckt

Dankt für die tröstlichen Briefe; möchte nach Ostern nach Zürich kommen. Der Kastellan von Musso [Gian Giacomo de' Medici]hält sich bei [Wolf Dietrich von Ems]auf. Der Städtetag in Ulm ist rasch zu Ende gegangen, soll aber neu einberufen werden. Der [Kaiserliche Bund] wird in Lauingen tagen. Anläßlich der Tagung [der oberrheinischen und schwäbischen Städte] in Esslingen hatte Herzog Ulrich den Konstanzer Gesandten bei sich zu Gast. Ein Brief von König [Ferdinand] an den Herzog, in dem dieser der Untreue bezichtigt wurde, entpuppte sich als Fälschung. Der Kaiser hat den [protestantischen] Städten und Fürsten in einem Brief versprochen,

19 Herzog Karl von Egmont hatte im Geheimvertrag von Grunsfoort vom 14. Oktober 1534 das Herzogtum Geldern gegen eine Leibrente dem französischen König vermacht, vgl. Gerard Kalsbeek, De betrekkeningen tusschen Frankrijk en Gelre tijdens Karel van Egmond, Diss. Leiden, Wageningen 1932, S. 150-152.
20 Zur versuchten Vergiftung von Viret am 6. März 1535 vgl. Corr. des réformateurs
III 279-281; Jean-François Bergier, Un épisode de la réforme a Genève. L'empoissonneuse de Pierre Viret, in: Revue de Théologie et de Philosophie 11. 1961, S. 236-250.
21 Die Magd Antoina Vax gestand die Tat und wurde am 14. Juli 1535 enthauptet, vgl. Bergier, aaO. S. 245.
22 Andreas Karlstadt.


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bis zu einem allfälligen Konzil ihre Vereinbarungen einzuhalten. Nürnberg soll in Donauwörth als einzige Stadt dem [Kaiserlichen] Bund beigetreten sein. Vadian wird Nachrichten von Thomas [Gaßner] nach Zürich übermitteln. Vogt [Hässi] hat den Reformierten [im Rheintal] das Gottesdienstgeläut verboten. Möchte Bullingers Rat und Hilfe, da er in Zürich einen Geschäftspartner brauchen könnte. Herzog Ulrich hat die Prälaten verpflichtet, ihm zwei Jahre lang die Hälfte ihrer Einnahmen abzuliefern. Als die Katholiken [am 27. März]auf einem Friedhof [das Osterfeuer] weihten, wurden sie von einem Appenzeller Bauern beschimpft; bittet, diese und andere Neuigkeiten auch an Jakob Rordorf weiterzugeben. Vadian wird Bullinger über den Truppenzusammenzug im Etschtal schreiben. Grüße. Hofft, Bullinger nicht zuviel Mühe zu bereiten.

Gottes gnaud erhalte unns alle. Amen etc.

Min sonders gliepter herr und bruder, von erst danck ich minem gott, der mir, gott waist es, durch üwer filfaltig schriben 1 und müg, wie ich das erfunden, trost empfangen, wie wol es mich bedurtt, das ich üch mytt minem ellend alsso hoch lang bemügen. Aber doch wais ich üwer gottsälig gemütt, das üch gott us gnaden geben nach siner maß, damitt ir mich fürnämlich alls ain klinglöbigen schwachen, och ander, trösten, dulden und tragen mügend. Pitt üch um gottes willen, wie ich wais, min ängstigen und zablen zu verzichen, doch mich in gedächtnus, angesechen 2 min lieb husfrowen 3 und kindly 4 , zu haben. Suma, so es gott zulast. bin ich willens, in stille 5 zu üch gen Zürich zu ritten nach ostern 6 , so sich diewil nitt anders der löffen 7 halb zutrüge, und üch zu überloffen 8 , villicht mitt üch ain entlichen ratschlag 9 in trüwen zethun. Gott wise mich etc.

Witer werden ir von minem hern burgermaister von Wadt 10 ettwas haben, daran glegen 11 . Davon ich üch nitt schriben. Doch bedenckends wol; dann das ich glob, das der von Müss 12 vergebens zu Ämptz 13 ligge, by dess von Ämptz 14 son 15 etc. Zu dem so ist er zu Dutlingen 16 über die nacht gsin; wais nitt, ob in der von Hewen 17 gwist hat; yetz waist ers wol 18

1 Nicht erhalten.
2 in Anbetracht (SI VII 561).
3 Voglers Ehefrau Appolonia, geb. Baumgartner.
4 Vgl. dazu oben Nr. 552, Anm. 1.
5 heimlich, ohne Aufsehen (vgl. SI XI 272f).
6 28. März 1535.
7 Ereignisse (SI III 1112f).
8 im Sinne von: mit meinem Besuch zu beschweren.
9 Vogler bereitete wohl seinen Umzug nach Zürich vor, nachdem ihm das Bürgerrecht erteilt worden war (vgl. oben Nr. 552, Anm. 6, und unten Nr. 578, 5f).
10 Joachim Vadian.
11 Ein Schreiben Vadians an Bullinger aus der Zeit März/April 1535 ist nicht überliefert.
12 Gian Giacomo de' Medici, der Kastellan von Musso.
13 Burg Hohenems (Österreich, Vorarlberg).
14 Mark Sittich von Ems, 1466-1533, tatkräftiger Vertreter des alten, in Vorarlberg angesiedelten Geschlechtes, diente zeit seines Lebens als Landsknechtsführer vor allem den Kaisern Maximilian I. und Karl V. auf Kriegsschauplätzen in Deutschland, Italien und Ungarn. Er war österreichischer Vogt in Bregenz sowie arlbergischer Obersthauptmann. Im Bauernkrieg 1525 war er im Hegau seiner Härte wegen gefürchtet. Als entschiedener Gegner der Reformation schützte er den 1529 geflüchteten Abt Kilian von St. Gallen und führte mit den V Orten die Verhandlungen, die zum Waldshuter Bündnis mit König Ferdinand führten. —


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Item ain schneller tag zu Ulm gsin 19 ; zerritten, sagt man, und uff 10 tag nach dem hailgen tag 20 ain andrer zu Ulm 21 .

Ittem der adel und ander ain tag gesetztt in die statt Loyngen 22 , ain herrenstatt, 4 mil under Ulm.

Item zu Essligen ist der tag zergangen 23 . Der hertzog von Wirtemberg hat den botten von Costentz 24 , hör ich, zu gast gladen vor usher.

lttem gwisse sag megen ir villicht vor wissen, das ain brieff usgangen an hertzog Ulrichen, als ob er vom küng 25 im rich usgangen, darin der hertzog gscholten, als ob er nitt halte oder handle etc. Uff das soll der hertzog botschaft zum künig gschickt haben, ob er den brieff lassen usgon, sich zuverantwurten. Sol der küng nichtz vom brieff wissen, sonder sich gegen im erzaigt als ain g[nedig]en küng etc. 26

Item der kayser sol gwüss den stetten und fürsten fürnämlich gschriben, abglaint haben etlich verunglimpfen dess gloubens, sich gegen inen erbotten als ain g[nedig]en kay[ser], mitt dem anhang, sy by dem richstag, abredung dess gloubens halb, bis uff ain concylum zu bliben lassen 27 .

Lit.: Ludwig Welti. Merk Sittich und Wolf Dietrich von Ems. Die Wegbereiter zum Aufstieg des Hauses Hohenems, Dornbirn 1952. — Schriften zur Vorarlberger Landeskunde 4; Fritz Redlich, The German Military Enterpriser and his Work Force. A Study in European Economic and Social History, Bd. I, Wiesbaden 1964. —Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 47, S. 75-78; Ludwig Welti Hohenems, in: NDB IX 479-481; HBLS III 33.
15 Wolf Dietrich von Ems, geb. um 1507, gest. 1538, war der jüngste Sohn von Mark Sittich. Auch er war als Söldnerführer, vor allem in Oberitalien, tätig; bereits 1525 kämpfte er zusammen mit seinem Vater bei Pavia. 1529 wurde er zum österreichischen Vogt in Bludenz ernannt. Die konspirativen Pläne, die er mit Gian Giacomo de' Medici, dem Bruder seiner Braut Clara, gegen die Bündner Reformierten schmiedete, führten 1528/1529 zum konfessionellen Konflikt, der mit der Hinrichtung des Abtes Theodul Schlegel in Chur endete. —Lit.: Ludwig Welti, Merk Sittich und Wolf Dietrich, aaO; Redlich, aaO, S. 93; Ludwig Welti, Hohenems, in: NDB IX 479-481.
16 Tuttlingen (Baden-Württemberg).
17 Georg von Hewen.
18 unterdessen hat er es wohl erfahren.
19 Ein Städtetag fand vom 17. bis zum 20.
März 1535 in Ulm statt (vgl. Fabian, Städtetage III 202-205).
20 nach Ostern.
21 Die Städte tagten erst wieder am 26. und 27. April 1535 auf der Tagung des Kaiserlichen neunjährigen Bundes in Lauingen (vgl. Fabian, Städtetage III 206-211).
22 Zur Tagung des Kaiserlichen neunjährigen Bundes, die am 19. April begann, vgl. Philipp Ernst Spieß, Geschichte des Kayserlichen neunjährigen Bunds vom Jahr 1535 bis 1544, als eine neue Erscheinung in der Teutschen Reichsgeschichte aus den Original-Akten dargestellt, Erlangen 1788, S. 14-16. 142-160 und Fabian, Städtetage III 206-260.
23 In Esslingen hatte vom 8. bis 12. März 1535 ein Städtetag des oberrheinischen und schwäbischen Reichskreises stattgefunden (vgl. ebd., S. 187-201).
24 Die Konstanzer Gesandten in Esslingen waren Thomas Blarer und Melchior Rümelin (vgl. dazu Bernd Moeller, Nachträge zum Blarer-Briefwechsel 1523-1548, in: BWKG 64, 1964, S. 39f).
25 König Ferdinand I.
26 Der Vorfall ist weiter nicht belegt.
27 Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen hatte im März Briefe des Kaisers an protestantische Reichsglieder vermittelt, in denen Karl V. unter Berufung auf den Nürnberger Religionsfrieden und den Regensburger Reichstag [1532] versicherte,


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Item zu Tonnenwerd 28 habend ettlich ain punt gmacht, darinn ich kain statt hör dann Nürmberg gangen 29 , welches ich hör, von andren von inen übel zu gutt 30 . Dann zu Essligen 31 , hör ich, habend die Nürmberger och ain abschaid 32 mitt in haim bracht, doch darinn nitt alles erofnett und a inen nitt als anzaigt, so die andernn fürgenomen. Dann ich acht, ain jeder sunst zwen abschaid mit im hann, Nürmberg nun ain.

Item von Lindow hat uns Thoman 33 , der trüw prediger, zugschickt; achten 34 nun, herr doctor werd üch och davon schriben 35 etc.

Item der vogt von Glaris 36 hett die tag die unsers globens abgstelt, verbotten, daß sy zur bredig nitt lüten dörffent. Ain gutz wibly, sy und er alles, zum messtisch gangen b37 . Lutziffer wurd ab der kettinen loffen; er ist entrunnen 38 etc.

Item min pitt, by üch selb zu ratschlagen uff künftig, so ich zu üch kom, ob üch und mich villicht gut bedunckte, ainen gmainder 39 anzunemen, mit mir zu handlen, ob ir etwa uff ain person zwo gedencken. Dann ich wol werben 40 win, korn c, tuch, das ich lang getriben. Doch dörft ich ains kontmans 41 ; also loff ich aber fürs zil 42 etc.

Ich acht, ir habend ghört, daß der hertzog Wyrtemberg sine prelaten zu gast ghalten, inen halb fisch, halb flaisch geben, ain tracht und die ander d43 , und zur kolatz 44 gsagt, daß sy zway jar den halbtail irer nutzig nemen, mitt dem andern dess lantz beschwärd retten. Diesses zway jar weren etc. etc. 45

a vor und gestrichenes so.
b von Ain gutz bis gangen am Rande nachgetragen.
c korn am Rande nachgetragen.
d von inen halb fisch bis ander am Rande nachgetragen. in der Religionsfrage eine friedliche Lösung anzustreben. Vgl. z. B. den Brief des Kaisers an Straßburg, Madrid, 1. Jan. 1535, von Johann Friedrich am 10. März abgeschickt (PC II 263f; vgl. auch Nuntiaturberichte aus Deutschland 1533-1559, nebst ergänzenden Actenstücken, Bd. I: Nuntiaturen des Vergerio 1533-1536, bearb. v. Walter Friedensburg, Gotha 1892, S. 386, Anm. 1).
28 Donauwörth (Schwaben, Bayern).
29 Zur Gründung des Kaiserlichen neunjährigen Bundes vgl. oben Nr. 552, Anm. 12.
30 übelnehmen (SI II 542).
31 Vgl. dazu oben Anm. 23.
32 Schriftliche Ausfertigung der Beschlüsse (SI VIII 267f).
33 Thomas Gaßner, Pfarrer in Lindau.
34 Ich vermute (SI I 80).
35 Außer einem Schreiben vom 30. Jan. 1535 (Vadian BW V, Nr. 808) liegt für diese Zeit kein Brief Gaßners an Vadian vor. Ein diesbezüglicher Brief Vadians an Bullinger ist auch nicht erhalten.
36 Konrad Hässi, von Glarus, 1534-1536 eidgenössischer Landvogt im Rheintal.
37 Eine arglose, alte Frau und der Vogt allein waren zum Meßtisch gegangen.
38 Vgl. Apk 20, 1-3 und SI XII 640.
39 Partner, Teilhaber (SI IV 308).
40 Geschäfte treibe, handle mit (Grimm XIV/12 161f).
41 Gewährsmannes (SI IV 265).
42 im Sinne von: so sorge ich mich wieder um Dinge, die noch nicht aktuell sind.
43 je als einen Gang (Grimm XIII 1 981f).
44 Mahlzeit, Tafelrunde (SI III 209f).
45 Auf dem Landtag vom 7. bis 12. März 1535 in Stuttgart hatte Herzog Ulrich von seinen Prälaten - wie bereits 1534 — für zwei Jahre die Hälfte ihres Jahreseinkommens zur Abtragung der Kriegsschulden an Hessen verlangt (vgl. Deetjen 188f).


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Item uff sampstag 46 by uns habend die äptischen 47 uff dem kilchhoff gwicht 48 , mit dem wadel wiewasser ins für gsprengt. Also ist ain Appenzeller pur 49 darfür gangen. Do er sach ins für sprengen, sagt der pur: "He, he, das ist recht, daß dich botz diser schend mit dem zober und kätzer werch." Do rett Peter Weber, der das ghört, zum puren: "Istz nit recht?" Ret der pur: "Nain, warum thon sy es, dann darum, daß sy lüt beschissen und den buch füllend" etc. So fil üch gutt bedunckt, pitt ich üch, minem getrüwen Jacoben Rordorffern 50 och ettwan 51 fil zitung von dem puren oder sunst zu sagen.

Item von dem züg 52 an der Etsch wirt uch min herr doctor schriben 53 ; dann unser burger air 54 von Botzen komen etc.

Min husfrow danckt üch fast 55 , pittet, och ich, uwre 56 , och die muter 57 , zu grüssen.

Ob üch minthalb etwas zu fil, so not wäre, emals ich inhe 58 käme, pitt ich üch, mitt mir zu arbaiten 59 und zu wissen thon. Alls ich aber wol acht nitt nott etc.

Actum S. G[allen], zinstag nach dem ostertag anno 35. jar.

U[wer] armer, williger

Hans Vogler, yetz

zu S. Gallen.

[Adresse auf der Rückseite:] An min insonnders geliepttenn hernn und fründt, M. Hainrichenn Bullingern, prediger zu Zürych, zu aygnen handen.

46 27. März 1535.
47 die Katholiken.
48 geweiht. — Die Feuerweihe und die Weihe der Osterkerze vor der Kirche war Teil der Osternachtsliturgie (vgl. Balthasar Fischer, Ostern, in: LThK VII 1278).
49 Zu dieser Begebenheit ist weiter nichts bekannt.
50 Jakob Rordorf, Junker, gest. 1556, aus einem Zürcher Ratsherrengeschlecht stammend, war von 1529 an im Großen Rat, 1520-1534 Fraumünsterammann, 1540-1545 Schaffner in Küsnacht, 1551-1556 Obervogt zu Wollishofen und als Constaffelherr von 1551 bis 1555 im Kleinen Rat. 1554 wurde er Schirmvogt, und im selben Jahr ist er als Rechenherr nachgewiesen. Jakob Rordorf war in erster Ehe mit Helena von Hinwil, in zweiter mit Elisabeth von Krusen verheiratet. Er gehörte zum Freundeskreis Bullingers;
so finden sich als Taufpaten seiner Kinder 1534 Bullinger, 1535 Werner Steiner, 1537 Voglers Ehefrau Appolonia Baumgartner und 1538 Hans Rudolf Lavater. — Lit.: S[alomon]Rordorf-Gwalter, Mitteilungen über das Rordorf-Geschlecht, Zürich 1920, S. 64-67; HBLS V 697.
51 einmal, bei Gelegenheit (SI I 594).
52 Heer (Grimm XV 832 und XVI 388).
53 Ein Bericht Vadians zum Truppenzusammenzug im Etschtal (vgl. dazu oben Nr. 559, 23-25 und Anm. 10) liegt nicht vor.
54 Vielleicht Peter Graf oder Dominik Hochrütiner (vgl. Vadian BW V 278).
55 sehr (SI I 1112).
56 Bullingers Ehefrau Anna, geb. Adlischwyler.
57 Bullingers Mutter Anna, geb. Wiederkehr.
58 hinein, nach Zürich.
59 euch mit mir abzumühen (SI I 426).