Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[583]

Oswald Myconius an
Bullinger
Basel,
10. Mai 1535

Autograph: Zürich StA, E II 336, 143 (Siegelspur) Ungedruckt

Berichtet von einer Übereinkunft, die den Streit [um den theologischen Doktorgrad] beenden soll, und dankt Bullinger für dessen Vermittlungsbereitschaft, die ihm willkommener ist als jene der Straßburger. Beantwortet die von Bullinger [in Nr. 581] gestellten Fragen zur Lage in Münster, zum Kreistag in Worms und zu den Umtrieben der Täufer im Elsaß; Unruhe herrscht auch in Friesland und Holland sowie unter den Bauern. Hat aus Straßburg seit längerem nichts mehr gehört.

S. De dissidio 1 dicerem lubens apud te, non etiam apud alios, sed quia longior et fedior est narratio, supersedeo, praesertim postquam a consule 2 cum duobus tribunis 3 senatu et plebe nesciente concordia, quantum fieri potuit, facta est

29 Juan Luis Vives, De subventione pauperum, Brügge 1526.
30 betrügen (SI VIII 1336-1339).
31 besser.
32 Siehe unten Nr. 587, 28.
1 Gemeint ist der Streit um den theologischen Doktorgrad, s. oben Nr. 507, Anm. 7.
2 Jakob Meyer zum Hirten.
3 Balthasar Hiltprant, Oberstzunftmeister, und Theodor Brand, Altoberstzunftmeister.


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magno, mihi crede, studio etiam fratrum reliquorum, inter quos et ego. Sic etenim me gessi, ut ad partem numerari nec a Carolstadio potuerim. Ago vero tibi gratias immortalis de pollicitatione operae vestrae 4 . Hanc mallem enim quam Argentoratensium. Ne dubites, si res caderet, nunquam spem a vobis abstracturus essem.

De his, quae petis 5 , sic accipe et ut petis 6 : Das gschrey vom usherfallen der von Münster und zerstörung der blochhüser 7 ist ungeendret, es sy oder nit. Ein tag ist ze Wurms gehalten 8 , ist gwüß. Sind fürsten und stett großer zal da gsin. Sind des eins, das sy den bischöffen wend etlichermoß helfen den kriegskosten tragen. In Münster, hett mir hütt ein edelman 9 gseyt, sy forcht eins zwitrachts, darum der küng 10 , so er sicht 2 oder 3 miteinandren reden, richt er sy von stund an 11 . Sunst tröstet er das volck, ir gott werd sy nit verlon.

Es ist ein red gsin, by Rufach 12 wurdent zemenkon uff Georgii 13 6000, ist zu Ensen 14 dorum ein tag gsin. Hab dannethin nit wyter ghört. Es sind 3 töuffer by uns gfangen, die hett man gstreckt und uff die hendel gfraget 15 . Hett einer verjechen 16 , sy hebend brieff vom huffen und von Münster empfangen. Was darinn, ist mir nit wüssend. Von Colmar hab ich kein wort nie ghört, dann das 2 Burger verdacht, es gangend töuffer zu men; hett a man gfangen und die by inen gsin, sind frömde, hinweggsickt b 17 .

a-b anstelle von gestrichenem: Hand müssen in ir hüser schweren [schwören, ihre Häuser nicht zu verlassen (SI IX 2095)]. Es sol aber uß sin.
4 Siehe oben Nr. 581, 13-16.
5 Siehe ebd., Z. 18-25.
6 Nämlich in deutscher Sprache.
7 Vgl. ebd., Anm. 4.
8 Der Kreistag, der am 4. April 1535 in Worms zusammentrat, beschloß eine Reichshilfe zur Fortsetzung der Belagerung von Münster, vgl. Kirchhoff I 35f.
9 Unbekannt.
10 Jan van Leiden.
11 sogleich (Grimm X/IV 493f).
12 Rufach (Elsaß). — Zu den Gerüchten über täuferische Umtriebe im Elsaß s. oben Nr. 581, 20-22.
13 23. April.
14 Ensisheim (Elsaß), Sitz des vorderösterreichischen Regiments.
15 Zwischen April und Juni 1535 befanden sich mindestens sechs Täufer in Basel in Haft: Mauritz (ein Küfer aus dem Wallis),
Elsin Heckin, Simon Rebmann (vgl. Paul Burckhardt, Die Basler Täufer, Basel 1898, S. 50f), Hans Keßler, Fridlin Schoub und Jakob Hersperger; s. Basel StA, Ratsbücher O 5 (Urfehdenbuch V), S. 163. 166-170. Am 21. April unterrichtete Jakob Meyer das Regiment zu Ensisheim auf dessen Anfrage hin über das Verhör zweier gefangener Täufer, s. Basel StA, Missiven B 1, S. 355-357 (Anfrage und Dankschreiben aus Ensisheim s. ebd., Criminalia 1 B, W 1).
16 bekannt (Grimm XII/I 607-609).
17 Am 24. April 1535 wurden Jakob Stedeli (Stedlin) und Hans Hennig samt mehreren Frauen als Täufer aus Colmar verbannt, s. Colmar Archives Municipales, BB 45 (1522-1576), S. 32 (ungenau abgedruckt u. d. T. "Wiedertäufer verbannt" in: Alsatia 1873-1874, Colmar 1875, S. 316) und GG 168, 12; vgl. Kaspar von Greyerz, The late City Reformation in Germany. The Case of Colmar 1522-1628, Wiesbaden 1980. — Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 98, S. 69f.


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Sunst seyt man, in Friesland, Holland und daselbst umhar sy selche unruw, das es nit ze sagen. Sy c nemend in, was sy mögend, und gelingt inen zu ziten. Sy hattend ein kloster bsessen mit 300 wyb und man, kam ein edler und sturmt sy und uberwand, doch mit verlurst 600 mannen, des er bewegt, hett wyb, kind und man erstochen d 18 . Zudem regend sich die buren allenthalb, wend nit teuffer sin, züchend nun ir argument an in erfarens wys, so man inen aber inredt, zürnend sy ouch mit unzucht 19 . Summa, es ist ein blag.

De Argentinensibus nihil possum rescribere. Iam iterum per aliquot menses me ne salutant quidem.

Timeo ut nihil magis, ne de novo daturi sint malum catabaptistae verbo. Deus semper tueatur suos.

Vale cum familia et Utingero.

Basileae, 10. maii anno 35.

O. Myconius tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Heinricho Bullingero, ecclesiae Tigurinae summo praesidi. fratri in domino percolendo suo.