Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[729]

Sulpitius Haller an
Bullinger
[Lenzburg],
18. Januar 1536

Original von der Hand Hemmann Haberers: Zürich StA, E II 360, 311f, [Beilage:] 313 (Siegelspur) Ungedruckt

Entgegen Bullingers Versicherung ist auch im Namen Zürichs eine Aufforderung an Bern und Basel ergangen, die Verfolgung von [Hans und Rudolf]Roggenbach auf ihrem Gebiet zuzulassen; dies hat der Basler Stadtschreiber [Heinrich Ryhiner]gegenüber [Werner]Beyel bestätigt, es geht ausserdem aus einem Badener Abschied hervor, und Bern hat die Seinen zu Stadt und Land gemäss beiliegender Kopie davon unterrichtet. Bullinger soll den Zürcher Rat gegebenenfalls zu einer Richtigstellung veranlassen. Bern hat beschlossen, mit 6000 Mann Genf zu entsetzen, da der Kastellan von Musso im Anmarsch auf die Stadt sein soll; auch [im Aargau] sind auf Freitag Truppen nach Bern einberufen worden. [Beilage:]Schultheiss, Räte und Burger zu Bern erinnern die Ihren zu Stadt und Land an die Erlasse vom 28. August und 5. September, denen anscheinend nicht nachgelebt wird, hat sich doch Solothurn auf der Badener Tagsatzung beklagt und ein Schreiben der X Orte erwirkt, das die Öffnung der Grenzen für die Verfolger der [Solothurner "Banditen"]verlangt. Bern hat dies abgelehnt und Recht angeboten; die Obrigkeit befiehlt, eine eventuelle Gegenwehr vorzubereiten und den früheren Schreiben nachzukommen.

ad et extrema minitentur am Rande nachgetragen.
ae Der auf das Verschlussband geschriebene Teil der Adresse fehlt.
29 Karl V.
30 Paul III.
31 Der vorangehende Brief datiert vom 9. November 1535 (HBBW V, Nr. 672).


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Min früntlich, guttwillig dienst zu allen zytten bevor.

Günstiger herr, alls ir mir kurtz verrucktter zytt geschriben der Rogenbacher halb 1 , wie das ü[wer] herren, unser lieb eydgnossen von Zürich, nie verwilgett 2 , bemellt Roggenbach uff irrem ärttrich 3 lassen von Solathurnern oder andren in irrem namen zesuchen, dessglychen ouch sollichs weder minen herren von Bernn noch Bassleren zethun zugemuttet etc. Nun hatt es sich zutragen, alls ich der tagen zu Basell gesin, das der stattschriber von Basell 4 und ich mitt im sollichs alles üwerm stattschryber, dem Biell 5 von Zürich, fürgehallten. Daruff er sine herren ernstlich (alls ir dan ouch gegen mir) entschuldigott und vermeint, es sige nitt beschächen, alls er noch mitt der instruction wol weilt bewysen 6 . Daruff im der stattscryber von Basel fry heruß gesagtt, es sig beschächen und inen nitt anders von Baden im abscheid heimkommen 7 ,

1 Das den Solothurner "Banditenhandel" betreffende Schreiben Bullingers ist nicht erhalten. Zum Konflikt zwischen Solothurn und den aus der Stadt verbannten, von Hans und Rudolf Roggenbach angeführten Protestanten s. HBBW V, S. 352, Anm. 13.
2 eingewilligt.
3 Boden, Gebiet.
4 Heinrich Ryhiner.
5 Werner Beyel (Bygel, Bigel, Bipennis), von Sennheim (Cernay, Dép. Haut-Rhin), geb. nach 1492(?) in Küsnacht (Kt. Zürich), gest. 1545, immatrikulierte sich 1507/08 in Basel und wurde dort 1508 zum apostolischen Notar ernannt. In der Folge versah er verschiedene Notarstellen, insbesondere trat er ab 1509 als Notar der beiden bischöflichen Kurien und zeitweise auch als Universitätsnotar in Erscheinung. Nachdem er sich der Reformation zugewandt hatte, bewarb er sich 1529 mit Unterstützung von Oekolampad und Zwingli erfolgreich um das Zürcher Stadtschreiberamt. Besonders bis zum Tod Zwinglis, aber auch noch bei den Bekenntnisverhandlungen des Jahres 1536 wurde er als Abgeordneter Zürichs mit wichtigen Geschäften betraut. An einer Tagung in Zürich griff er 1538 vermittelnd in ein Streitgespräch der Zürcher und Straßburger Theologen über das Abendmahl ein (s. Stumpf, Abendmahlsstreit 125f). Er verfasste historische Aufzeichnungen und Gedichte und hinterliess bedeutende Sammlungen von Rechtsquellen. —Lit.: Z X und XI, Reg. (bes. X 1f, Anm. 1); Werner Schnyder, Das ausgestorbene
Constaffelgeschlecht der Beyel. I. Der Ahnherr Werner Beyel, in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1946, NF 66, 1945, S. 12-19; Peter-Johannes Schuler, Notare Südwestdeutschlands. Ein prosopographisches Verzeichnis für die Zeit von 1300 bis ca. 1520. Textband, Stuttgart 1987. —Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Forschungen, 90. Bd., S. 42, Nr. 118; HBLS II 219f.
6 In der Instruktion für Hans Edlibach und Heinrich Rahn zur Badener Tagsatzung vom 12./13. September 1535 (Zürich StA, B VIII 3, 78r.-79v., besonders 79r.) heisst es, falls die Rede auf diese Sache komme, sollten die Gesandten sagen, daß man Bern und Basel durch Boten aufgefordert habe, den Vertriebenen keinen Unterschlupf zu gewähren, und daß man nun auf Antwort warte. Weitere Anweisungen wurden in Aussicht gestellt, blieben jedoch aus, wie die Nachfrage der beiden Gesandten vom 16. September zeigt (s. Zürich StA, A 255. 1).
7 An der genannten Tagsatzung war die Forderung erhoben worden, Bern und Basel sollten den Verfolgern der verbannten Solothurner ihre Grenzen öffnen (s. EA IV/1c 558f 1. 561 zu 1). Zürich hatte Vorbehalte geäussert, distanzierte sich aber erst nachträglich vom entsprechenden Schreiben der X Orte an Bern und Basel vom 18. September (s. oben Nr. 725, Anm. 14). Im Abschied vom 18. Oktober (EA IV/1c 572f b) wurden die beiden Städte erneut aufgefordert, gegen die "Banditen"vorzugehen.


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habe ouch sin herren von Basell sölliche anmuten nitt wenig befrömt 8 etc. Wo nun und wer hierin gefällt 9 , mag ich nitt wüssen; dan söllichs minen herren zuglych wie den Basslern zu kommen und ouch min h[erren] däs die irren zu statt und land berichtt 10 , alls ir in nochvolgender coppy 11 , so ich üch gutter meinung hiemitt schick, erlärnen mögend. Des halb, obs üch gfallen, mich für gutt ansächen wellt, so es von üwren herren nitt beschächen, das ir verschüffend 12 , das sy sich früntlicher meinung gägen min h. geschriffttlich entschuldigotten 13 . Doch was üch hierin zu willen, das thund; dan ichs das üch a ouch gutter meinung alls minem sonders guten vertruwten herren und fründ wil han geoffnet. Hie mitt gott allzytt bevolchen.

Datum dinstag vor Sebastiani anno 36.

U[wer]allzytt guttwilliger göner

Sulpitius Haller obervogt

uff Lentzburg.

||312 Wüssend, das uff hütt frü bottschafftt von unssren g[nedigen] h[erren] kommen, die mitt 6000 mannen wellend uff sin 14 und angentz 15 mitt in b hin in gan Genff zu züchen, sy zu entschütten 16 . Dan inen gwüsse bottschafftt kommen, wie der castilan von Müß 17 heruss gan Genff zu zieche. Desshalb man hütt ouch hie ussgnommen 18 die all biß frytag 19 zu nachtt söllend zu Bernn sin etc. Gott verlich unß sin gnad. Amen etc.

||313 [Beilage:]20 Schulthes, rhät und burger zu Bernn. Unnsernn grutz zuvor. ersammen, lieben, getruwen. Uüch ist unvergässen, was wir üch erstlich uff 28ten diss nechstverschinnen ougstens, demnach 5ten disse, der Roggenbachern und ir mitthafften 21 halb zugschriben 22. Dem aber, alls unß fürkompt 23 nit wil nochkommen werden, deß sich ouch unnser eydgnossen und mittburger von Sollothurn uff jüngst gehaltnen tag Baden erklagt und daruff unser eydgnossen von den X Orten, namlich Zürich, Lucem, Ury, Schwytz, Underwalden,

a vor üch gestrichenes sy.
b in wohl nachträglich eingefügt.
8 Vgl. die Kritik von Myconius, oben Nr. 713, 24-36; 725, 27-48.
9 einen Fehler begangen.
10 die Ihren ... davon unterrichtet.
11 Siehe Beilage, unten Z. 33-57.
12 dafür sorget.
13 Ein solches Entschuldigungsschreiben erging am 19. Februar (s. oben Nr. 725, Anm. 14). aufbrechen (vgl. SI I 120).
lb unverzüglich (SI II 191).
16 entsetzen, befreien (SI VIII 1555f). — Vgl. oben Nr. 724, 3-8 mit Anm. 2.
17 Gian Giacomo de' Medici.
18 Truppen ausgehoben hat (SI IV 744).
19 21. Januar.
20 Der (undatierte) Entwurf zu diesem Schriftstück, das an 17 bernische Vögte gerichtet war, findet sich unter den deutschen Missiven des Berner Staatsarchivs (A III 24, S. 361).
21 Genossen, Parteigänger (SI II 1057).
22 Mit Schreiben vom 28. August und 5. September 1535 waren die Vögte aufgefordert worden, die Roggenbach und ihre Mithaften auszuweisen und, falls sie zurückkehren sollten, festzunehmen; im weiteren sollten sie Kundschafter aussenden (s. Bern StA, A III 24, S. 6 und 17).
23 zu Ohren kommt (SI III 279).


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Zug, Glarus, Fryburg, Schaffhusen und Apentzell, angerüfftt, die nun unß ernstlich geschriben haben 24 mitt begär, das wir gestatten wellen, wan bemellt Roggenbach und irre mitthafftten usserthalb unserm gepiett uffgetriben und uff unser eerttrich wychen wurden, das dan die, so inen nachyltend, sy uff unnsermm ertrich vachenn 25 und unß uberantwurten mögind. Welches unß villerley ursachen halb, die daruss entstan möchtend, besonders unruwen halb, nit wil gelägen sin. Und uff söllichs unnsernn eidgnossen von obbemelten X ortten, ouch Solothurn, das zugschriben 26 mit anzeyg, wie wir es gentzlich by unnsern antworten, zu tagen und sunst gäben, belyben lassend; ob aber yemand sich des nit benügigen 27 , wellend wir noch besag der pünten 28 darumb rechts gestendig sin 29 , das wir inen ouch angebotten haben. Wan sich dan hierüber zutragen wurde, das man unß wyter ersuchen, des rächtspots 30 nit ersettigen etc., sonder ützit gewalltigs 31 darüber gegen unß bruchen und fürnemmen wellte, müsstend wir mit hylff der unnssren unß in gegenwer stellend. Deß söllend ir die unssren by üch berichten, sich darnoch zerüsten und hallten, und nüttdestminder 32 unsserm schryben, der Roggenbachen halb an üch ussgangen, nachkommen.

Datum 27. septembris anno etc. 35. 33

[Adresse auf S. 314:] Dem erwirdigen, wolgelertten herrnn Meyster Heinrich Bullinger, diener des wortts und der kilchen im meeremm Zürich 34 , minem vertruwten herrenn und sonders guten fründ.

24 Siehe oben Anm. 6.
25 gefangennehmen.
26 Siehe das Schreiben Berns an Zürich vom 3. Oktober 1535 in Zürich StA, A 255. 1.
27 begnügen wolle.
28 den Bündnissen gemäss.
29 vor Gericht Rede und Antwort stehen (SI XI 1008).
30 des angebotenen Rechtsverfahrens.
31 etwas Gewaltsames.
32 nichtsdestoweniger.
33 Der undatierte Entwurf (s. oben Anm. 20) ist zwischen Missiven vom 22. und 25. September eingereiht; am 27. wurde ein weiteres Schreiben an die Vögte gesandt (Bern StA, A III 24, S. 44).
34 Siehe oben Nr. 722, Anm. 25.