Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[794]

[Konrad Wirz?] an
[Bullinger]
Zürich,
[nach Mitte April 1536?]

Autograph: Zürich StA, E II 453, 241 (Siegelspur) Ungedruckt

Kommt auf sein Anliegen zurück und berichtet über die Verunglimpfung zahlreicher Zürcher im Haus von [Heinrich] Holzhalb. In der Fastenzeit hat man dort ein Andachtsbild aufgehängt und weitere angefertigt. Grenzt sich gegen papistische Umtriebe ab und erklärt sich selbst für rechtgläubig. Warnt vor dem Einfluß der "Päpstler"im Rat.

Frit und gnat von gott unserem vater sy mit uns allen ann 4 , lieber Meister Heinrich. Ich muß aber 5 üch min an ligen wüß lan, namllich waß worden 6 in Holtzhalben 7 huß vergan 8 syind. Item er hett mit uß ducken 9 worden gert 10 , wie Urich Funck 11 sellig daran schulltig syig, Dass syn vater 12 sinner schwester 13 , die deß Curat Gullen 14 selligen sun 15 het gehan, ir gut heyg müssen uß

1 Der Verfasser dieses Briefes ist identisch mit jenem von Nr. 793 (s. ebd., Anm. 1).
2 Siehe ebd., Anm. 2.
3 Der vorliegende Brief wurde kurz nach Nr. 793 geschrieben, s. unten Z. 2f.
4 Amen?
5 erneut.
6 was für Worte.
7 Heinrich Holzhalb (s. oben Nr. 793, 15 mit Anm. 17).
8 geäußert worden (vgl. SI II 27).
9 ausdrücklichen.
10 geredet.
11 Ulrich Funk, geb. wohl zwischen 1480 und 1490, gefallen 1531 bei Kappel, war Glaser und seit 1523 Zwölfer der Meisenzunft. Funk gehorte zu den Vertrauten Zwinglis und gewann rasch an Einfluß. So wurde er unter anderem 1524 Klosterpfleger zu den Augustinern, 1525 Eherichter und Rechnungsabnehmer der Säckelmeister. 1528 begleitete er Zwingli nach Bern, 1529 nach Marburg. 1531 gelangte er als Ratsherr von freier Wahl in den Kleinen Rat. — Lit.: Z IX 589, Anm. 1 und Reg.; Jacob 161-164 und Reg.; Fabian, Geheime Räte, Reg.
12 Jakob Holzhalb d. A., geb. etwa zwischen 1460 und 1470, gest. zwischen 1529 und 1533 (vgl. Zürich SIA. B VI 250, 278v.- 279r., und B VI 309, 281r.-v.), ein reicher Metzger und Viehhändler, war 1490 erstmals Zwölfer, ab 1502 Ratsherr und
ab 1511 Zunftmeister der Zunft zum Widder. 1516-1521 ist er als Obristmeister nachweisbar. Sein Abgang aus dem Rat im Jahre 1525 hängt vermutlich damit zusammen, daß er ein erklärter Gegner der Reformation war. — Lit.: Jacob 187-190 und Reg.; Fabian, Geheime Räte, Reg.
13 Anna Holzhalb, ehemals Dominikanerin im Kloster Otenbach, war seit 1528 mit Hans Gul verheiratet (s. Zürich Stadtarchiv, VIII C 1, 28. Januar 1528); am 29. November 1535 lebten beide nicht mehr (s. Zürich StA, B VI 334, 66v. 158r.-v.). — Lit.: Carl Keller-Escher, Promptuarium genealogicum, Bd. III (Zürich ZB, Ms Z II 3), S. 838f.
14 Der Schuhmacher Konrad Gul (Gull), geb. um 1480, gest. 1534, war seit 1514 Mitglied des Großen Rates. Ab Mitte 1524 wurde er als entschiedener Anhänger Zwinglis mit wichtigen Aufgaben betraut, besonders im Zusammenhang mit der Reformation der Kloster. Nach der Niederlage bei Kappel wurde er jedoch als "Schreier" (Kriegshetzer) aus dem Rat ausgeschlossen. — Lit.: HBRG I 119f; III 297; Die Chronik des Bernhard Wyss, 1519-1530, hg. v. Georg Finsler, Basel 1901. — Quellen zur Schweizerischen Reformationsgeschichte I, S. 58, Anm. 4; Jacob 178-180 und Reg.; Fabian, Geheime Räte, Reg.


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hin gen 16 . Item ouch gret mit uß drucken worden, Meister Löw 17 heg daß afemyer nüit wellen beden, min hehen 19 heigind inn müßen dar zu zwingen. Item ouch hat er gret, es sytz niem aller lengst 20 in burgeren 21 dan die aller ermspen[?]22

Item ouch hatt ßin junpfrow 23 namlich die Magret 24 , mit uß drucken worden meister Clauß Setzstaben 25 gar wüst zu geret 26 , item ouch gret, die Chopfin 27 heig der Löwinen 28 viii chronen zu ghallen gen 29 inn einem drückly 30 . Die ßelben chronen heg sy dem Wißenbach 31 gen, die heg er verdan 32 . Item ouch hatt sy meister Bertschy Negelly 33 verspodet; die zwey wiber hantz dan, die frow 34 und die junpfrow. Item dem Zennder 35 vor dem Rüden 36 verspo[d]ett . a . Item den Fellix Müller 37 , den duch scherer 38 . Item ouch han die

a Randtext im engen Einband unzugänglich.
15 Hans Gul, s. oben Anm. 13.
16 habe herausgeben müssen. — Im Jahre 1528 hatte Konrad Gul in einem langwierigen Prozeß gegen Jakob Holzhalb einen Erbanspruch seiner Schwiegertochter Anna Holzhalb durchgesetzt; s. Jacob 179.
17 Leo Jud.
18 Das Ave Maria war vielleicht schon Bestandteil des von Zwingli geschaffenen Predigtgottesdienstes, wird aber ausdrücklich erst in Bullingers Liturgie von 1535 genannt; s. Markus Jenny, Bullinger als in: HBGesA I 214-216.
19 Herren.
20 niemand langer, so lange (oder: seit langem?).
21 im Großen Rat.
22 die Allerärmsten.
23 Magd (SI I 1247f).
24 Unbekannt.
25 Niklaus Setzstab, ein reicher, der Reformation schon früh wohlwollend gesinnter Krämer, muss bereits vor 1470 geboren sein. Ab 1490 gehörte er als Zwölfer der Saffranzunft dem Großen Rat, 1498-1500 und 1504-1530 als Zunftmeister dem Kleinen Rat an. Er starb 1536, lebte aber Anfang April noch (s. Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, bearb. y. Werner Schnyder, Bd. I, 13. Jahrhundert bis 1604, Zürich 1936, S. 228). —Lit.: Jacob 256-258 und Reg.
26 beschimpft (SI VI 574f).
27 Eine Angehörige der Familie Kopf.
28 Da anschließend von einem Wyßenbach
die Rede ist, durfte Elsbeth Leu (Löw), die Ehefrau von Heinrich Wyßenbach, gemeint sein. Die Tochter des Malers Hans Leu d. A. ist vor 1504 geboren, heiratete spätestens 1527 und starb 1557; s. Paul Ganz, Die Familie des Malers Hans Leu von Zürich, in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1901, NF 24, Zürich 1901, S. 160f. 175.
29 Kronen (Münzen) zum Aufbewahren gegeben (SI II 1235f).
30 Siehe oben Nr. 793, Anm. 38.
31 Gemeint ist wohl Heinrich Wyßenbach, Tuchmann und Krämer von Baden, gest. 1539/40, seit 1517 Burger von Zürich, ein Gegner Zwinglis, der 1532 unter anderem wegen seiner Kritik an der Bilderverbrennung zu Gefängnis und Buße verurteilt wurde. — Lit.: Paul Leemann-van Elck, Der Zürcher Drucker Rudolf Wyßenbach, in: Der Schweizer Sammler und Familienforscher X/6, 1936, S. 127 (auch in: ders., Zürcher Drucker um die Mitte des 16. Jahrhunderts, Bern 1937. — Bibliothek des Schweizer Bibliophilen II/10, S. 37); Ganz, aaO, S. 175.
32 leichtfertig ausgegeben (SI XIII 414f).
33 Berchtold Nägeli.
34 Elisabeth Werdmüller; s. oben Nr. 793, Anm. 18.
35 Ein Angehöriger der Familie Zehnder.
36 auf dem Rüdenplatz; vgl. Vögelin, Das alte Zürich I 205.
37 In den Kirchenbüchern sind mehrere Personen dieses Namens verzeichnet. Ein Felix Müller wird 1538 als Vater des Siebmachers Konrad Müller genannt; s. Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, Bd. I, S. 238.


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zwey wiber deß Andereß [Sc]hmitz[?]b39 schwester 40 , die den jungen Stumpfen het, denn stein schinder[!]. Item ouch hat mir die [j]ungpfrow 42 vom Jacob Holtzhalben 43 geseit, wie er ein wüstee su 44 syig mit drincken; ein chopff 45 win dü im nütt 46 . Item mit uß drucken worden gred, wie der vog BlüwIler 47 ein ferdruncker 48 (vo]gt]d Item wie Prosy Fry 49 dem Lübolt Grebel 50 sin frowen 51 um hin chery 52 .

[I]tem e am donnstag nach der allten faßnacht 53 hand sy ein fysiering 54 uff ckleibt 55 . Daran ist [c]hüng f Oswallt 56 , ein chrutzyfyx und sant Ckadrina 57 ; oben uff dem güß 58 der Jedyon g59 , wie er gott [u]m h denn sy batt 60 , und wie

b Randtext im engen Einband unzugänglich; der Name kann auch als [Sc]hwitz oder eventuell [Sc]hintz gelesen werden.
c-f Randtext im engen Einband unzugänglich.
g kann auch als Jedyen gelesen werden.
h-m Randtext im engen Einband unzugänglich.
38 Tuchscherer (SI VIII 1137f).
39 Gemeint ist vielleicht der Zürcher Bannerherr Andreas Schmid (vgl. Fabian, Geheime Räte 235, Anm 9 und Reg.; Schnyder, Ratslisten 602); bisher konnte allerdings für keine seiner Schwestern eine Ehe mit dem Steinschneider Stumpf nachgewiesen werden.
40 Unbekannt.
41 Ein Johann Stumpf war 1534 Pfleger der Meister der Scherer- und Bader-Handwerke (s. Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, Bd. I, S. 218). Allerdings wurde bereits 1514 ein Scherer namens Hans Stumpf von Heidelberg eingebürgert (s. Zürich Stadtarchiv, III A 1, f. 197v., Nr. 3197); der genannte Pfleger ist deshalb vielleicht nicht der "junge" Stumpf, sondern dessen Vater.
42 Unbekannt.
43 Jakob Holzhalb d. J., geb. vor 1504, gest. 1569, war Metzger und gehörte 1530 der Zunft zum Widder an, als deren Vertreter er ab 1543 bis zu seinem Tod im Großen Rat saß. — Lit.: Carl Keller-Escher, Promptuarium genealogicum, Bd. III (Zürich ZB, Ms Z 113), S. 841.
44 Schwein (SI VII 1501f).
45 ein großer Krug; Hohlmaß (SI III 411). 46 mache ihm nichts aus.
47 Hans Bleuler, Landvogt in Grüningen.
48 dem Trunke ergebener (SI XIV 1178).
49 Ein Küfer namens Ambrosius Frey ist in Bullingers Totenbuch unter dem 4. 0oktober 1562 verzeichnet (s. Zürich Stadtarchiv, VIII C 48). Vielleicht ist er identisch mit dem 1533 als Hurenwirt angeschuldigten Brosi Frei (AZürcherRef 1974). Siehe auch Emil Egli, Ein Studentenbrief aus Paris, Hans Heinrich Fry von Zürich an semen Bruder Ambrosi, 13. Januar 1518, in: Zwa II/3, 1906, S. 92f.
50 Hans Lütpold Grebel.
51 Grebel war seit 1525 mit Ursula Rubli verheiratet (s. [Carl Keller-Escher], Die Familie Grebel. Blätter aus ihrer Geschichte, gesammelt zur Erinnerung an die am 27. Oktober 1386 erfolgte Einbürgerung in Zürich. Für Freunde als Manuskript gedruckt, Frauenfeld [1884], S. 30f und Tafel I). 1531 wurde sie wegen Hoffart verwarnt; s. AZürcherRef 1754.
52 wohl im Sinne von: in einen schlechten Ruf bringe (vgl. SI II 1326).
53 Donnerstag nach Invocavit (1536: 9. März).
54 Skizze, Vorlage für ein Glasgemälde (SI I 1078).
55 aufgeklebt.
56 Oswald, König von Northumbrien, Standesheiliger von Zug; s. András Vizkelety, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, hg. v. Engelbert Kirschbaum u. a., Bd. 8, Rom-Freiburg-Basel-Wien 1976, Sp. 102f.
57 Gemeint ist wohl Katharina von Alexandrien; s. Peter Assion, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 7, Rom-Freiburg-Basel-Wien 1974, Sp. 289-297.
58 Gehäuse?
59 Gideon.
60 um den Sieg bat; s. Ri 6, 36-40.


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die chnecht daß waser labidend 61 . Item dem nach baß uß hin 62 in der fasten 2 chillchen stuck 63 genacht 64 daß ein mit zweien san Johansen, inn dem anderen [c]hüng i Oswallt etc.

[U]nd k by denen dingen alien sanen 65 chan ich inn mir selbs nüd anderß finden, weder 66 [d]aß 1 eß ein bösy bradicken 67 des bebschischen 68 huffen sy. Nu so jenn 69 ich allso dar zu, das das der war alit ungetzwiflet gloub ist, alit und nüw dhestenment bibischer gschrift und den doff 70 [u]nnd m daß nacht mall den heren, wie maß 71 hie zu Zürich brucht, und darneben ckein götzen [ha]n n noch ckein meß o . Gott, der her, der ferlich 72 unns synn götliche gnat und mer 73 unnß den glauben [d]urch p sin ein geboren sun, unseren heren Jeßus Ckristuß. Amen.

Und darum, wisee heren, frume, biderby 74 lüt, ir, die da all ein lib sind und Cristus Jesuß unser houbt 75 , so lugen inn das spill 76 , dan schlechtz danen 77 , die will und 78 bebschler im rat sind, so mag unnser sach nüit gut werden, dan waß die für druckint 79 , die am gotz wort sint, das schwellent 80 die anderen, und darum so hent sorg, ir, die da Christum Jesum allein für irenn drost und heyland hand. Das ferllich unns gott durch sin ein gebornen sun, unserem heren Jesus Cristus. Amen. alles dis ich üch verschiben 81 han, dem ist aso.

[Ohne Adresse.]

n Text beschädigt.
° am Ende des Wortes ein undeutlich verwischtes e.
p Text beschädigt.
61 wie die (Kriegs-)Knechte Wasser leckten (SI III 1348); s. Ri 7, 1-7. Vgl. zu beiden Szenen: Hannelore Sachs, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 2, 1970, Sp. 125f.
62 später (vgl. SI II 1340; IV 1652).
63 Werke für kirchlichen Gebrauch.
64 gemacht.
65 zusammen.
66 als.
67 Machenschaft (SI V 568-570).
68 päpstlichen.
69 sage (SI III 5).
70 die Taufe.
71 man es.
72 verleihe.
73 mehre.
74 aufrechte.
75 Vgl. Eph4, 15f u. ö.
76 kümmert euch darum (zur Redensart s. SI X 122).
77 kurzweg (SI XIII 96).
78 solange als (SI I 322).
79 durchsetzen (SI XIV 823).
80 hintertreiben (SI IX 1824f).
81 verschrieben, aufgezeichnet (SI IX 1508- 1510).