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Autograph: Zürich StA, E II 360, 393-396 (ohne Siegel) a Ungedruckt
Wäber lobt Gott und möchte Bullinger auf dem Laufenden halten, wie [Andreas]Rappenstein
dies in seinem Schreiben [nicht erhalten] bereits getan hat. Angesichts der Tatsache, dass die
[bucerisch-lutherische] Gegenpartei die Berufung [Jodocus Kilchmeyers nach Bern] sechs
Wochen lang vergebens hintertrieben hat, muss jeder erkennen, dass die nun trotz allem
erfolgte Berufung Kilchmeyers Gottes Werk ist! Jetzt gilt es, die Zürcher Behörden und Kilchmeyer
davon zu überzeugen. Letzterer soll sich ohne Verzug nach Bern begeben. Die [Liebe
zur] Wahrheit sowie die aufrichtige Gesinnung der Obrigkeit und der Untertanen ist Grund
genug dafür. Es soll allen klar werden, dass man mit der Lehre [Christi] deutlich und ohne
Hintergedanken umzugehen hat. Kilchmeyer soll sich von den listigen Gegnern keine [Details]
entlocken lassen, bis alles geregelt ist. Man wird ihn über die weitere Entwicklung informieren.
— Beat [Gering] und [Simon]Sulzer verführen ihre Anhänger, indem sie ihre Gegner als
Unruhestifter darstellen und behaupten, selbst nichts Neues lehren zu wollen und nur den
Frieden zu suchen. —Deshalb scheint Wäber Folgendes ratsam zu sein (Bullinger möge die gut
gemeinte Belehrung verzeihen). Wenn die Berner Obrigkeit gegenüber Kilchmeyer betont, dass
sie den schon zehnjährigen Streit in der Kirche loswerden will, soll er mit den unten erörterten
Argumenten antworten, damit Gering und Sulzer nicht opponieren und ihn als Streithahn
apostrophieren können. — 1. Verschiedene Auslegungen der Schrift haben immer schon Zwietracht
und Irrtümer in die Kirche gebracht. — 2. Deshalb hat die apostolische Kirche das
Symbol [Glaubensbekenntnis] aufgestellt. Auf dieser Grundlage wurden daraufhin auf den
Synoden [Konzilen] die abweichenden Lehrmeinungen abgelehnt. — 3. Eine ähnliche ErfahrungBriefe_Vol_17-459 arpa
musste auch die Berner Obrigkeit machen, und es gelang ihr, Streit und Irrlehre, SO gut
sie konnte, abzulehnen. Denn nachdem Bern mit einem gedruckten Mandat [von Juni 1523]
veranlasste, dass ein jeder so zu predigen hätte, wie er es aus dem Alten und Neuen Testament
verantworten könne, wurden die Meinungsverschiedenheiten in Stadt und Landschaft noch
zahlreicher, weil bei der Auslegung der Schrift niemand den richtigen Maßstab verwendete.
— 4. Um Einigkeit herzustellen, organisierte die Berner Obrigkeit eine Disputation [Januar
1528]und ließ dabei Schlussreden [die zehn im November 1527 aufgestellten Thesen]anhand
der Heiligen Schrift überprüfen, wie dies einst die apostolische Kirche und später die Synoden
taten. Man konnte dabei feststellen, dass die 12 Glaubensartikel [des Apostolischen Bekenntnisses]
im Laufe der Zeit entstellt wurden. Bei [der Debatte]über die erste und zweite Schlussrede
wurde deutlich, dass der Papst den der heiligen christlichen Kirche gewidmeten 9. Artikel
[durch die Hinzufügung des Wortes "catholicam"]gefälscht hatte. —5. Während [der Debatte]
über die vierte Schlussrede wurde desgleichen festgestellt, dass der Papst in die 12 Artikel
einen Nebenartikel ["Descendit ad inferna"]eingeschoben hatte, den sogar Luther half aufrechtzuerhalten.
Auch heute ist man sich mit den [Gegnern] über die Rechtfertigung und das
Amt der Kirche nicht einig, während diese der Auffassung sind, dass man [ihrer Lehre diesbezüglich]
einfach glauben müsse und sie nicht hinterfragen oder kritisieren dürfe. —6. In der
Ausschreibung der Disputation [von November] 1527 hatte die Obrigkeit sich und ihre Nachkommen
verpflichtet, Irrtum und Streitigkeiten künftig zu vermeiden und an dem festzuhalten,
was anhand der H[eiligen] Schrift ermittelt würde. — 7. Nach der Disputation wurde [im
Februar] 1528 ein Reformnations[mandat] erlassen, das von allen eidlich bekräftigt werden
musste, wie dies auch zur Zeit [der Könige]Hiskija und Josia geschehen war. — 8. Als man
sich über die [Wittenberger] Konkordie hinsichtlich einer Einigung mit Luther beriet, wurde
auf den beiden Berner Synoden von [Oktober] 1536 und [September] 1537 beschlossen, dass
man genauso wie vorher zu unterrichten habe. Dies wurde vom Rat und von den Bürgermeistern
in Kraft gesetzt. Auch die Prädikanten mussten sich eidlich dazu verpflichten. —9. In den
folgenden Zerwürfnissen der Jahre 1542 und 1544 ließen die Berner Räte beiden Parteien, ja
auch alien [Berner] Dekanen und Kapiteln, rechtskräftige Bescheide zukommen, mit denen
alle aufgefordert wurden, sich weiterhin an die [Berner]Disputation zu halten. — 10. Kilchmeyer
soll letztlich betonen, dass er friedlich sein werde mit denen, die sich an die von Bern
anerkannte Wahrheit und Auslegung der Heiligen Schrift halten und nicht versuchen, die
Pfarrer mit einer listigen Macht zu versehen oder Nebenartikel [in die Lehre]einzuführen.
Wenn aber jemand in Lehre oder Praxis gegen das Anerkannte verstößt, wird er ihn anhand
der Heiligen Schrift bekämpfen, sei er Prediger, Schullehrer, Angehöriger der Obrigkeit oder
Untertan. —Mit solch einer Argumentation würden wir die Oberhand in der Kirche behalten.
Ferner müssen die [Gegner](und nicht wir, deren Lehren sie verachten) beweisen, dass [seit
1528]nicht wahrheitsgemäß gelehrt wurde, wenn sie alle von ihren [Änderungen]überzeugen
wollten. —[Gering und Sulzer]haben einen Mönch aus Interlaken [Christian Danmatter] zur
Wahl aufgestellt, der angeblich gelehrt und fähig sei. Dabei ist er dümmer als Wäber selbst!
Denn als er durch Peter Kunz' Vermittlung die Stelle des Helfers in Bern erhielt, wurde er
etwa innert Jahresfrist wegen Unfähigkeit wieder in ein Dorf [Belp] versetzt. Um diesen nun
der Berner Obrigkeit schmackhaft zu machen, versichern die beiden Prädikanten, nichts gegen
die Reformation zu tun. Doch gerade heute hat Sulzer ohne jede Erklärung über Joh 8, [33],
Jer 9, [23f]und Gai 6, [14]gepredigt, und dabei Äußerungen vorgetragen, mit denen man die
Gemeinde nur verwirrt. —Zusammenfassend lässt sich sagen, dass [die Gegner]vorgeben,
sich an die Reformation zu halten, um die Obrigkeit zu blenden. Man muss sich ihnen also mit
aller Standhaftigkeit widersetzen!
S. Lieber M. Heinrich, umb kürtze willen blypt es by dem gottloben und üch
ze ermanen aller gstalt 2 , wie Rappenstein zugschriben 3 . Der bruff 4 von gottBriefe_Vol_17-460 arpa
sin, maß von menklichem 5 erckent werden, so 6 mitt wunderbarem ernst 7 und
gschwindikeyt 8 ist vomm gegentheyl 9 um diße sächs wuchen ghandelt worden.
Darumb helffend gegen 10 üwrem 11
ersammen radt, gegen h[errn] Josen
und allenthalb, das sölcher brüff nitt ghindert werde (ir wellind denn 12 der
kilchen zu Bern eins ursach sin irs verderbens)", b . das 13 h. Jos ouch unverzogenlich
sich hiehar verfüge. Trosts 14 findt er gnug: Die warheyt an yr
selbs, ein einfalts uffrechts volk in der oberkeyt und by den underthanen.
Allein syge 15 offenbar und heyter 16 einfalt mitt der leer und nitt pöchig 17 .
Vergoume sich 18 ouch 19
vor süssen, glatten worten , darmitt man inn möchte
anzepfen 20 , das er da nüt verjachzge 21 , biß er alles end wol erfare. Denn
man 22 ist gschwind, wie wir imm desß wol wyter wend 23 , was uns begegnet,
underrichten, etc.
So vil die heyd, Batt 24 und Sultzer, anhangs hend, ist allein uß einfalte der zuhörer. die sy stetz beredent, sy leerinnd doch nüt nüws und begerend nüt denn 25 fridens der kilchen zu Bern, bscheltend darüeben unrüwig und unfridlich, die inen nitt volgind, etc.
Hieruff düchte mich 26 nun volgender bericht h. Josen komlich 27 sin (ich bitten üch, wellind yetzmal deß proverbii vergessen "sus Minervam"28 ; ich thuns uß guttem yfer). So er allein oder mitt den andren 29 von unßren gn[ädigen] herren 30 anzogen 31 sy wettind 32 fürhin deß langwirigen spans 33 und zwytracht deß predigens, by zehen jaren gwert, enthept 34 sin in ir statt
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und land, etc., damitt sich die zwen 35 nitt möchtind wellen in die possesz setzen 36 , als ob, der nun inen nitt glych predgete, für spänig 37 und zwytrachtig geachtet sölte werden, ja das her Jos sich also möchte in der possesz bhalten 38 und antworten, namlichc: c :
1. Unglycher verstand der gschrifft hette ye und ye span und zwytracht, ouch allerley irthumm in die kilchen bracht.
2. Deßhalb die erst apostolisch kilch das symbolum 39 gsezt und hernach in den synodis 40 nach demselben allwegen die spen und ||[394] falsche leer abgleynet.
3. Sölichs heygend 41 ouch unßre gn[ädigen] h[erren] zu Bern erfaren und nach bestem vermögen abgleynet beyde spän und yrthum. Denn nach getrucktem und erstem ußgangnen mandat 42 , das ein yeder predigen sölte, was er trüwte ze erhalten mitt nüw und altem testament, 43 ward der span grösser in statt und land weder 44 vorhin. Ursachen, das ein yeder die gschrifft verstünd und ußleyt, wie es imm gfiel, nitt nach demm rechten richtschyt 45 .
4. Desßhalb einikeyt ze pflantzen, so heygend unsere gn. h. mitt grosser gfar deß uffsatzs 46 und kostens d ein disputation 47 bschriben und ghalten, ouch nach der wyß erster apostolischer kilchen 48 und nachgenden synodis in verfaßten schlussreden 49 mit h. gschrifft lassen erduren 50 . An welichen ortt
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die gmeyn regel der christen 51 , die 12 artikel unsers gloubens, verlezt sygind worden, heyge sich also erfunden in der ersten und andren schlussred, das der bapst den 9. artikel 52 von der h. christenlichen kilchen gfeltst 53 und sin gwalt 54 daruß 55 erzwungen mitt gwaltsarnrnen der h. gschrifft.
5. Also heyge sich ouch erfunden in der 4. schlussred, das der bapst ein nebendartickel zu den 12 gsetzt habe, 56 den imm ouch Luther wellen helffen schirmen 57 , etc. Denn in dißen 58 zweyen stucken stat unser span noch, das sy vermeynent, was die justification anträffe und das ministerium ecclesiae, da sölle man glatt 59 den worten glouben, nitt wyter fragen, kein verwentte red 60 61 zulassen.
6. Darumb sich ouch in der ußschrybung der disputation 62 ein oberkeyt zemen 63 verbunden 64 uff kind und kindts kind, under alle nachkummen irthum und span e in künnftigem ze vergoumen, by dem ze blyben, 65 das also mitt h. gschrifft erfunden, anno 27.
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||305 7. Nach gehaltner disputation ein reformation gstelt, die zu statt und land mitt dem eyd befestnet, 66 wie etwan Ezechias und Josias, 67 anno 28.
8. Imm fürtrag der concordi mitt Luthern 68 in beyden synodis 36. 69 und 37. jars 70 heyter vorbhalten 71 , in unßren kilchen nitt anders ze leeren denn wie bißhar, und sölichs von redt und burgern bstettet 72 dozmal. Es ist ouch mitt der predicanten eyd bstettet worden.
9. In nachgenden spenen deß 42. 73 und 44. jars 74 hend unßre gn. h. rädt und burger zu beyden malen versiglete erkanthnußen darumb uffgrichtet, beyden partyen diesälbigen zugstelt, ouch allen decanis und capitlen zeletst zugschickt, unverrückt 75 by loblicher disputation ze blyben.
10. Wer nun also (spricht her Jos), frid, ruw und einickeyt ze erhalten, by erhaltner warheyt und uslegung der h. gschrifft blyben, kein überlestigen gwalt 76 der geystlichen noch nebendartikel deß gloubens intüren wil, aller gstalt wie es sich mitt h. gschrifft erfunden und von einer christenlichen gmeynd zu Bern angnommen und noch erhalten ist und wird, mitt dem selben wil ouch ich ein stätten 77 friden, ruw und einikeyt halten, kein span noch zwytracht nyenen 78 anrichten. Wo 79 aber yemans darwider understünde
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ze handlen mitt leer oder thun, prediger, schulmeyster, oberer 80 oder underthanen, mitt dem und denselben könd ich kein friden annemmen, sunder ich müßte die unwarheyt und unwarhafften, ouch also die unfridlichen und unrüwigen, die ein einikeit der allgemeynen kilchen zu Bern in statt und land zerbrechind, mit h. gschrifft widerfechten und abtryben mitt gottes hilff f biß in min end, etc.
||[396] Und darmitt (das ich min thorheyt 81 bschliesse) blybend wir mitt sampt unser kilchen in der possess 82 . Und müssend sy 83 beweren, das von anfang 84 har nitt warlich gleert und ghandlet sye, ee sy mitt irem fürnemmen fürfarind (und müßend nitt wir beweren, das ir leeren letz 85 syge, denn sy das selb so wunderbarlich verquanttint 86 , numme umm rosstreck 87 ) g , das 88 sy yederman wend gnüg thun. 89
Sy hend ein hinderlapper munch 90 ind wol gstelt 91 (und ir seel zum pfand gstelt, ouch sich uff das letst gricht berüfft, er syge gleert, gschikt, etc.), mitt dem ein kilch zu Bern versorget 92 . Und ist aber derselb sovil ein grösserer idiota denn ich, das, wie inn Peter Cuntz 93 , mitt imm harbracht, helffer ze sin, 94 het er in jars frist (ongferd) wider uff ein dorf 95 gmüssen, das 96 er das diaconat nitt mocht versehen; das ouch gutte herren und burger wol gewüßt. Und darmitt die predicanten denselben unsren g. h. möchtind ufreden 97 , hend sy sich uffs höchst bezügt, sy wellind wider ir reformation, etc., gantz und gar nitt handlen. Aber grad uff hüt hat h Sultzer in der predig (Semen Abrahe sumus, loan. 8, [33]) von fleyschlichem rum abgwisen98 98 und gredt: "Rüm dich deß herren (lerem. 9, [23f]) und deß krützes Christi (Gal. 6, [14]); ja desß rüm dich du, das du inn h[eiliger] touff besprentzt bist mitt dem blüt Jesu Christi." Und redt das one alle erlütrung, über das 99 er weyßt, das sich ein gmeynd ob sölchen reden unerlütret übel verlezt.
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Summa, darumb 100 ich diß letst angzogen 101 , sy hegend sich für und für ze blyben, 102 darmitt sy ein oberkeyt blendint. Haltends nitt 103 , ist so vil dister 104 besser, mitt standhaffte 105 wider sy ze handlen.
Vale. Bernae, 13. septembris 1546.
[Ohne Unterschrift.]
[Ohne Adresse.]106