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Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek Vadiana, Ms 35, 275 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 666f, Nr. 1486
[1] Als Bullinger um 10 Uhr seine Predigt beendet hatte, kam der Bürgermeister [Johannes
Haab] auf ihn zu und erzählte, dass im Zürcher Rat ein Brief der Konstanzer Obrigkeit
verlesen wurde, der große Bestürzung und Misstrauen auslöste. Man denke an Laokoons
Worte: "Ihr glaubt, die Feinde seien weggefahren? Da kennt ihr rien Odysseus aber schlecht!"
Zudem sollte man wissen, class niemand verschlagener ist als Nicolas de Perrenot, Herr von
Granvelle. Er hat Söhne, die Bischöfe sind. Ihre Herrschaft will er erhalten und erweitern. Der
Bischof von Konstanz, Johann von Weeze, bedrängt die Konstanzer, um das zu erreichen, was
er schon seit Langem von Kaiser Karl V zu erlangen versucht. Wie bereits in seinem Brief vom
Vorabend [nicht erhalten] warnt Bullinger die Konstanzer erneut, sich nicht wie die anderen
Städte betrügen zu lassen. -[2]Folgendes nur für Blarer: Achtung! Vielleicht gibt es unter
den Konstanzern Menschen, die den Kaiser mehr lieben als ihre Heimat! -[3] Der Zürcher
Rat schreibt an aile zwölf Orte, dass er aus sicherer Quelle erfahren habe, dass Konstanz in
Aussöhnungsverhandlungen mit dem Kaiser steht. Dabei wird aber verschwiegen, dass er dies
vom Konstanzer Rat selbst weiß. Heute Abend und morgen werden die Boten mit entsprechenden
Briefen aufbrechen. -[4] Vielleicht wäre den Konstanzern geholfen, wenn die Eidgenossen
sich brieflich für sie beim Kaiser verwendeten.. Wenn ja, soll Blarer mit einemBriefe_Vol_20-582 arpa
wohlbegründeten Schreiben darlegen, wieso es gut wäre, dass die Eidgenossen an den Kaiser
schrieben. Dabei soll er betonen, dass es wünschenswert wäre, wenn die Eidgenossen in ihrem
Brief den Kaiser daran erinnern würden, wie friedlich sich ihre Nachbarn die Konstanzer stets
verhalten haben, und ihn deshalb bitten, diesen gnädig zu sein und einen erträglichen Frieden
zu gönnen, zumal sie, die Eidgenossen, durch die Erbeinung [von 1511] mit ihm verbündet
seien. Er solle also nicht provozieren, weder Unmut noch Krieg stiften und keine fremden
Truppen in Konstanz stationieren, usw. -[5] Blarer möge rasch mitteilen, ob so etwas oder
auch etwas Anderes zu tun wäre, oder ob es schon zu spät dafür sei. Bullinger schreibt dies auf
Anregung von gottesfürchtigen Leuten. -[6]Segenswunsch. Was auch immer geschehen mag,
Blarer darf auf Bullinger wie auf einen Bruder zählen. Dessen Haus steht ihm und den Seinen
offen. -[7]Gruße. Geschrieben um 11 Uhr vormittags.
Lieber herr und bruder, jetzund, so ich 10 1 uußgepredigt, kumpt min herr b[urgermeister] 2 zu mir und sagt mir, wie uwer herren brieff 3 in unserm radt mitt grossem mittlyden und bedurre verlasen worden, dann man truwt der sach nut. 4 Laocoon 5 sprach: "Creditis avectos hostes? etc. Sic notus Ulysses?" 6 Frylich söllt man den Granvellen 7 lernen haben kennen, quo non vivit in hoc orbe universo astutior et maliciosior. Habet is filios episcopos. 8 Horum
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regnum cupit incolume, imo amplificatum. Ac episcopus ille vester 9 incipit urgere vos, ut aliquando recipiat, quod diu postulavit apud caesarem'°. 10 . Ich bitt üch, wie in dem nächtigen 11 schryben 12 , sächt umb üch, dass ir nitt betrogen werdent wie andere stett!
lam tibi soli scribo et suggero: Cavete, ne forte sint inter vos, qui caesarem magis diligant quam patriam. Min herren schribend in alle 12 ort 13 , doch nitt, das sy von üch schriben habind, sunder das sy guten grund habind, das Constantz in einer ußsönung handle und handlen werde, etc. Hinächt und morn louffend die löuffer hinwäg. 14
Lassend mich wüssen, doch mitt sattem grund 15 , ob nitt darinn ze handlen, das gemeine Eydgnossen ein dappffere bottschafft zum keyser sandtend: Diewyl Constantz, bißhar ir liebe nachpurn, sich fridlich und wol gehallten, zu begären an keyser, das er sy gnedicklichen bedächte mitt einem lidlichen 16 friden, und insonders diewyl wir ein erbeinigung 17 mitt imm habend, das er könfftig ursach 18 , unwillen und kriegen ablegen wölle, und in Constantz kein frömbd volck legen, etc.
Gäbend mir bald antwort, ob doch neißwas 19 darinn ze handlen, oder wie zu handlen, oder ob es zu spaadt sye, oder wie die sach anzegriffen. Ich schrib üch das uß frommer lüten angaben. Berichtend mich gruntlich! 20
Gott mitt üch! Der gab üch gnad und krafft. Wie die sach ||275v. fallt und geradt, versähend üch zu mir alls zu üwerm brüder. So ir mec sicherheit by uns ze haben vermeintend, stadt üch und den üwern min huß und heim off: Alles, das min, ist üwer.
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Grüssend mir die üwern. Datum Zürych, 25. octobris anno 1547, umb 11 ur vormittag.
Bullinger. |
[Adresse darunter:] Sinem lieben herren und bruder m. Ambrosien Blaureren, predicanten zu Co[nst]antz a .