Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3064]

John Hooper
an [Bullinger]
[Zürich,
1. Hälfte
November 1547]

Autograph: Zürich StA, E II 335, 2191 (ohne Siegelspur) Druck und englische Ubersetzung: Epistolae Tigurinae 27f bzw. Original Letters I 43f, Nr. 24

[1]Beschreibung der Schlacht, zu der es am 10. September a , vier Meilen von Edinburgh, zwischen den Schotten und den Engländern kam. 3 [William]Grey 4 , Leutnant von Boulogne, der in der Schlacht die englische Kavallerie anführte, stürmte mit den Seinen die Frontlinie der Schotten, nachdem die großen Kanonen zu schießen aufgehört hatten. Doch hatte er dabei keinen Erfolg, musste zurückweichen und verlor 48 Mann. 5 Als der [englische] Graf von Warwick 6 der die Schützen anführte, das sah, attackierte er sogleich mit 4'000 Mann den schottischen Armeeflügel, bei dem sich die größten Kanonen und das Kriegsmaterial befanden. Sein heftiger Angriff desorganisierte die Schotten und zwang sie, ihre Kanonen zu verlassen 7 Nachdem er sich der Geschütze bemächtigt hatte, zwang er mit den Kanonenkugeln und den Pfeilen seiner Bogenschützen die Schotten zum Rückzug, die allerdings dabei den Feind sowohl vor als auch hinter sich hatten. Zudem waren sie von der Sonne geblendet. Als Grey dies feststellte, stürmte er erneut kräftig mit großem Getöse und Geschrei gegen sie und rief mit seinen Kavalleristen: "Die Schotten sind auf der Flucht! Die Schotten sind auf der Flucht!" Die schwächere schottische Kavallerie konnte nicht standhalten und wurde in die Flucht

a In den Epistolae Tigurinae wurde irrtümlich Decembris transkribiert.
1 Dass Bullinger der Empfänger dieses Briefes gewesen sein wird, ergibt sich aus dessen heutigem Standort.
2 Vorliegender Brief berichtet über die Schlacht von Pinkie Cleugh, die am 10. September 1547 in Musselburgh (etwa 7 km westlich von Edinburgh) stattfand (s. dazu unten Anm. 3). Angesichts der Distanz von etwa 1'500 km zwischen dem Ort des Geschehens und Zürich dürfte die Abfassung des Briefes mindestens drei Wochen danach anzusetzen sein. Und tatsächlich sind in Bullingers Briefwechsel die ersten Nachrichten zu dieser Schlacht vom 3. Oktober (s. Nr. 3030,40-42). Am 27. Oktober glaubt Oswald Myconius aus Basel berichten zu können, dass es zwei Schlachten gegeben hätte; dass in der ersten 15'000 und in der zweiten 6'000 Mann starben (Nr. 3057,23-25). Am gleichen Tag weiß Vadian aus St. Gallen nur von einer Schlacht, an der 15'000 umkamen, 2'000 gefangen genommen wurden und nur 6'000 überlebten (Nr. 3058,[4]). Am 31. Oktober glaubt Bullinger
Vadian korrigieren zu müssen: Hooper habe von einem Italiener, der durch Zürich reiste, erfahren, dass es zwei Schlachten gegeben habe; dass in der ersten 14'000, in der zweiten 3'000 Mann getötet wurden (Nr. 3062,6-13). Da Hooper hier die Schlacht wahrheitsgetreuer darstellen kann und nicht mehr von zwei verschiedenen Schlachten berichtet, wird der vorliegende Brief in der ersten Hälfte von November anzusetzen sein.
3 Es handelt sich um die Schlacht von Pinkie Cleugh: s. dazu Nr. 3030, Anm. 54.
4 Lord of Wilton (1508/09-1562).
5 Siehe dazu Gervase Phillips, The Anglo-Scots wars 1513-1550, Woodbridge 1999, S. 196.
6 John Dudley (1505-1553), der 1551 Duke of Northumberland wurde.
7 Hier und sogleich danach schrieb Hooper zwei Mal "discere" bzw. "distere" statt "discedere", ein Phänomen, das auch in einigen mittelalterlichen Handschriften zu beobachten ist.


Briefe_Vol_20-626arpa

geschlagen. 15'000 Mann fielen und 2'000 wurden gefangen, 8 darunter Huntly, Lord Chancellor von Schottland 9 . -[2]Am gleichen Tag legten in mehreren schottischen Häfen englische Schiffe an. Die schottischen Schiffe, die für den Handel oder den Krieg tauglich waren, wurden beschlagnahmt, die anderen in Brand gesteckt. - [3] Als die schottische Königin Marie 10 das vernahm, ergab sie sich bedingungslos dem Lord Protector von England". Dieser nahm sechs Adlige als Geiseln mit sich, um die Königin zur Einhaltung ihrer Versprechen zu zwingen, ließ an fünf verschiedenen Orten Truppen zurück, damit es nicht zu Aufständen kommen würde, und begab sich wiederum nach London, wo das Parlament mit Gottes Beistand den Streit hoffentlich friedlich beilegen kann. - [4] Diese Angaben sind zuverlässig, denn der Berichterstatter nahm bis zum Schluss an der Schlacht teil. - [5] [P.S.:] Die Engländer hatten 17'000 Mann, die Schotten 30'000. 12