Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3030]

Hans Welser
an Bullinger
[Augsburg] ,
3. Oktober 1547

Autograph: Zürich StA, E II 346, 219 (ohne Siegelspur) a Ungedruckt

[1] Gottes Gnade sei allezeit mit Bullinger und den Zürchern! - [2]Bullingers christlichen Brief [nicht erhalten]empfing Welser schon am 26. Juli, als er von seinem Badeaufenthalt in Pfäfers nach Augsburg zurückkam. Da nun Johannes Haller, dieser treue Diener des Evangeliums und lieber Bruder in Christus, nicht länger in Augsburg bleiben möchte, will er ihn nicht ohne Brief ziehen lassen. -[3] Welser gibt zu, dass die [deutschen Protestanten] durch ihr sündhaftes Verhalten Gottes Strafe heraufbeschworen haben. Sie haben versucht, sich Gottes Wort wie auch viele nur im Dienste ihres eigenen Ansehens stehenden Ansprüche (clic sie unter dem Vorwand "evangelisch" vorangetrieben haben), mit dem Schwert zu sichern. Wofür aber wäre Christus gestorben, wenn man die Menschen durch Krieg zum Evangelium bringen oder verpflichten könnte? Nur Gott gebührt die Ehre, die Menschen zu sich zu ziehen, und er wird niemanden, den er zur Wiedergeburt bestimmt hat, je fallen lassen! Die [deutschen Protestanten] wurden zu Recht bestraft! Welser hat übrigens nie geglaubt, dass man das Evangelium mit Hilfe von Bündnissen und Kriegen erhalten könnte. Er weiß nämlich, dass dieses in den von Gott auserwählten Menschen nur durch das Wirken des Heiligen Geistes und durch die Wiedergeburt erhalten bleiben kann. Gott allein gebührt die Ehre, und nicht den Menschen, die etwas anderes suchen! -[4] Welser hat unter dem Krieg viel gelitten. Einmal wäre er beinahe von Gott abgefallen. Doch der Herr hat und wird ihn künftig erhalten, und zwar besser als die Schreihälse. Die [deutschen Protestanten] wollten zugleich Junger Christi und Jünger dieser Welt sein, wo doch Christus den Seinen deutlich gemacht hat, dass sein

a Mit Schnittspuren.
11 Vgl. Spr 3, 12; Hebr 12, 6.
12 Johannes Haller verließ Augsburg am 3. oder 4. Oktober; s. Nr. 3017, Anm. 38.
13 Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater.
14 Stadtschreiber Hans Escher vom Luchs.
15 Johannes Fries.
16 = christianos.
1 Vgl. nämlich unten Z. 3f und 36f.


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Reich nicht von dieser Welt ist! Warum bedurfte es also der Kanonen und des Schießpulvers? Und obgleich man behauptet, dass es dein christlichen Magistrat zustünde, zum Krieg aufzurufen, kann sich Welser dieser Meinung nicht anschließen! -[5] Nun zu Hans Schöner, den Welser [in der Vergangenheit er]ma[hnt hatte]. Er verließ Augsburg, ohne dass er dazu gezwungen worden wäre, und [verhielt sich]gegenüber den Ratsherren ungebührlich. [Auch] hätte [er] vorsichtiger handeln sollen! Diese Angelegenheit ist so umstritten, dass Welser sie hier nicht ausfuhren kann. Sollte er aber Schöner behilflich sein können, ohne dabei den Augsburger Rat vor den Kopf zu stoßen, wird er es tun und sich an Bullingers Bitte erinnern. -[6]Hoffentlich hat Welser es nie versäumt, Hailer gegenüber hilfsbereit zu sein. Er möchte ihm auch künftig Gutes tun. Möge Gott die Anschläge des Teufels vereiteln und Hallers Rückkehr nach Augsburg ermöglichen! Bei Haller hat man es (so viel Welser es beurteilen kann) mit einem gottesfürchtigen, friedliebenden Gotteskind zu tun. Er ist weder eingebildet noch neidisch! -[7]Bullinger wird bereits gehört haben, dass England Schottland bezwungen hat und dabei etwa 14'000 Mann umkamen, und dass Piacenza sich Kaiser Karl V. unterworfen hat. - [8] So viel für diesmal, denn Bullinger weiß ja, dass Welser stets bereit ist, ihm zu helfen. Man bete in Zürich für ihn, wie er dies auch für die Zürcher tun wird, denn die Zeit der Prüfung kommt. Der Herr stärke den Glauben der Seinen bis ans Ende und schätze sie vor dein Bösen! -[9]Grüße an alle, die in Zürich Gottes Wort lieben.

[Die gna]t b Jesu Crysti seie, gynstiger, lieber herr Bolyngerr, [mi]t ewch und unns allen ale zeyt. Amen.

Ich hab ewer, lieber her, crystlych schreybenn am dato 26. Julio vor lengest 2 enpfangen 3 unnd byn seyther 4 im bat zu Pfefers gewest. Aber dieweyl der from und trewe diener 5 am evangelio c Jesu Crysti sych nyt lenger aufhalten wellen lasen, sonder zu ewch rayset, hab ich ewer lyeb 6 , alß meynem mytbruder in Crysto, derselben bryf verantwurten und myt dysem treuen dyener, fromen heren, schreyben wellen.

Ich beken, das wir die straf von got dem hem um unser synt willen 7 , auch wir unnß understanten 8 , seyn wort und alle biebrey 9 , aygner nutz, err 10 , so von den evangelysche d namens darunder braucht, darzu angenomen worden, myt dem schwert wellen erhalten."Warvyr 12 wer Crystus gestorbene,

b Hier und unten Textverlust durch Papierverlust an der oberen linken Ecke. Da Johann Jakob Simler im 18. Jh. keine Abschrift des vorliegenden Briefs erstellte, können nicht mehr aile fehlenden Steilen vervollständigt werden. -
c In der Vorlage evangelo (vgl. aber unten Z 13 und 17). -
d In der Vorlage evanglyschen (vgl. aber unten Z. 13f). -
e Am Rande nachgetragen.
2 vor lengest: vor längerer Zeit.
3 Ein nicht erhaltener Brief Bullingers, der angesichts der Entfernung zwischen Zürich und Augsburg spätestens am 21. Juli verfasst worden war. - Vgl. dazu schon Nr. 2935,20-25; Nr. 2945,2-7.
4 unterdessen. -Vgl. nämlich Nr. 2945,71; Nr. 2950,7-9; Nr. 2963,4-9.
5 Johannes Haller. - Vgl. unten Z. 34-39 und Nr. 3029,23; Nr. 3034.
6 Gemeint ist Bullinger.
7 um unser synt willen: wegen unserer Sünden [verdient haben]. - Der Satz ist unvollständig geblieben.
8 wir unnß understanten: (dass) wir uns erlaubt (haben).
9 = büberei: Frechheit; Überheblichkeit; s. Fischer 11489; SI IV 946.
10 Ehre.
11 Der Satz ist wie folgt zu verstehen: Ich gebe zu, dass wir [...] zudem versucht haben, Gottes Wort und all die im Dienste unseres eigenen Ansehens stehenden Anforderungen (die wir unter dem Vorwand "evangelisch" vorgebracht haben), mit dem Schwert zu sichern. - Gemäß Hallers Einschätzung in Nr. 2899,12-14, wäre Hans Welser der von den Wiedertäufern


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wan 13 man myt kriegen leit kynt 14 beym f evangelio erhalten oder evangelysch machen? Der her wil die err habenn! Alle, die berufen sent 15 zu der neuen g geburt 16 , wyrt nyt eyner verloren, 17 Darum ist unß recht unnd wol verdient geschechen! Dan 18 meyn meynong nie gewest, das man dem heren seynn evangelio durch"bynt 19 [und]i schwert erhalten kynt. Der her wyrtz 20 durch den heylygenn gayst unnd die newe geburt in eyn jeden auserwelten auß gnaden erhalten, und in eyner solychen gestalt, das er die er 21 (unnd nyt die, so anders gesucht) j haben wyrt, billych 22 habenn soll und haben mus!

Ich hab vil miesen in 23 den krieg erleyden. Eis 24 werre ich abgefallen, aber der her k hat unnd wirt mych auß gnaden errhalten, und basß, dan die laut geschreyen 25 ! Habent 26 junger 27 Crysti und auch diser welt seyn wellenn, 28 so doch Crystus seynen glyderen 29 lauter 30 antzaygt, das seyn reych nyt von dyser welt seye. 31 Was darfs 32 dann vil bixen 33 und bulfers? Ob man gleych der oberrkayt well zureimen 34 , sy solenns donn 35 , so gib ich doch demselben keyn glauben, das eß eym oberenn gebire 36 , der auch eyn kryst seyn will.

||v. So vil 37 denn Schener 38 betryft, de[n] i[ch] [.... ] mant l , er ist hie onn alle not gewi[chen]m , [....] heren, wie sych gebyrt, nyt rechnong donn 39 .

f In der Vorlage beyn. -
g In der Vorlage neue. -
h In der Vorlage duch. -
i Am rechten äußeren Rand des Blattes sieht man aufgrund von Papierverlust nur noch den Ansatz eines Wortes, welches in Anbetracht des Zusammenhanges wohl die Abkürzung von und gewesen sein könnte. - j Klammern ergänzt. -
k Uber der Zeile nachgetragen. -
l Hier und danach Textverlust durch den schon oben in Anm. b signalisierten Papierverlust. Die Lesung des i ist nicht ganz sicher, da nur der untere Teil dieses sonst nicht mehr erhaltenen Buchstabens zu sehen ist. Zudem wäre die Lesung mann (statt mant) auch möglich. Sollten jedoch die hier angestellten Vermutungen richtig sein, könnte der nicht mehr vorhandene Textteil aus dem Wort früher bestanden haben. -
m Lesung unsicher. Danach stand vielleicht und meynen.
befürworteten Lehre zum Opfer gefallen.
12 Wofür.
13 wenn.
14 leit kynt: die Leute könnte.
15 sind.
16 Siehe dazu Joh 3, 1-8.
17 Vgl. Joh 6, 39.
18 Denn.
19 Bündnisse. - Anspielung auf den von Kaiser Karl V. aufgelösten Schmalkaldischen Bund.
20 wird es [d.h. das Evangelium].
21 Ehre.
22 zu Recht.
23 miesen in: müssen während.
24 Einmal; s. SI I 283.
25 und basß, dan die laut geschreyen: und zwar besser als jene, die laut geschrien haben.
26 Subjekt sind die "Evangelischen".
27 Jünger.
28 Vgl. Mt 6, 24 par.
29 Anhängern. -Vgl. Röm 12, 4f.
30 klar.
31 Joh 18, 36.
32 bedarf es.
33 Kanonen.
34 zuerkennen; s. Grimm XIV 668.
35 tun.
36 eym oberenn gebire: einem Magistrat zustehe.
37 So vil: Was.
38 Hans Schöner. -Siehe dazu die Verweise in oben Anm. 3 und Nr. 2963,4-9; Nr. 2977,19-25.
39 getan.


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[.....] hetz basß bedacht 40 ! Die sach ist gar scharpf 41 , [....]n alß schrieben o42 . Kint ich aber zu etwaren 43 gutem helfen, das eym erberen 44 rat leydenlych 45 ime zu gutem komen mecht, p da welt ich"mych alß eyn crysten ertzaygen, ewer bit ingedenk seynn 46 .

Was ich dan heren Haller gutz don hete mygen 47 , solt bey myr nyt gemanglet habenn und noch nyt 48 . Ich hof, der her wert 49 dem satan seine anschleg brechen, genat 50 verleychen, das er 51 widerum zu unnß 52 herkomen myg. Er ist eyn kint Jesu Crysti, gotselyg und frydlych. Das gib ich im (so vil eyn mensch wisen 53 kan) q zuygnus. Ich hab weder hofart noch neyt bey im gespyrt.

Wie England Schottland geschlagen, an 14'000 umbracht, 54 auch Piasentz 55 sych ann kay[serli]ch m[ajesta]tt 56 ergebenn, wert ir haben hervor aleß wisenn.

Unnd jetz nyt mee, dann ir bapt mych ale zeyt zu ewern dienst berayt. Bitet got den heren in ewer gemeynn vir 57 mych. Das will ich auch don, dan all sachenn schyken sych, das eynmal an die brob komen mecht. 58 Der herr r sterk unseren glaben, errhalt uns byß anß ent, 59 behiet ewch und unnß alle vor ibell 60 ! Amen.

Datum 3. octobris ano 1547. Griest myr alle ewer mytbruder, die das wort deß heren liebenn.

E[wer] w[yllyger] b[ruder]s Hanns Welser.

[Ohne Adresse.]

n Vielleicht ums. -
o In der Vorlage ist die Abkürzung sehr. verwendet. -
p-p Diese Worte sind in der Vorlage wohl unabsichtlich zweimal wiederholt. - q
Klammern ergänzt. -
r Am Rande nachgetragen. -
s Die Auflösung dieser Abkürzungen erfolgte in Anlehnung an HBBW XVI, Nr. 2369. 2409.
40 [....] hetz basß bedacht: [... er] hätte es sich besser überlegen sollen.
41 umstritten.
42 alß schrieben: alles auszuführen.
43 irgend etwas.
44 ehrbaren.
45 annehmbar.
46 ewer bit ingedenk seynn: [und] mich an eure Bitte erinnern.
47 mögen.
48 und noch nyt: und soll es auch künftig nicht.
49 wird.
50 Gnade.
51 Haller.
52 Nach Augsburg. -Haller kehrte nie wieder dorthin zurück.
43 wissen.
54 Die Rede ist hier von der Schlacht von Pinkie Cleugh (Schottland), die am 10. September 1547 stattgefunden hatte; s. dazu Gervase Phillips, The Anglo-Scots wars 1513-1550, Woodbridge 1999, S. 178-200.
55 Piacenza. - Siehe dazu Nr. 2964,[3]; Nr. 3015,[2]; Nr. 3016,[3]; Nr. 3017,31-41; Nr. 3020,32-40.
56 Karl V.
57 gemeynn vir: Gemeinde für.
58 Zu verstehen: dass sie irgendwann erprobt werden müssen. -Vgl. z.B. 1Kor 3, 12-15.
59 Vgl. 1Kor 1, 8.
60 Übel. -Vgl. z.B. Ps 121 (Vuig. 120), 7; Joh 17, 15.