Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3111]

Georg Frölich
an Bullinger
[Augsburg],
Mittwoch, 18. Januar 1548

Autograph: Zürich StA, E II 346, 531 (ohne Siegelspur) a Ungedruckt

[1]Frölich freut sich, dass es Bullinger und seinen Kollegen gut geht. Ihm selbst und den Seinen geht es im Unglück dank Gottvertrauen wie dem Lamm unter Wölfen. -[2]Er bekräftigt, was Bullinger in seinem letzten Brief [nicht erhalten] in Geheimschrift geschrieben hatte. Wer noch länger daran zweifelt, dem wird es übel ergehen. Ferner darf man Gott nicht herausfordern. Nicht wahrgenommene Gelegenheiten bieten sich nicht so schnell wieder. Es wurde so viel gezaudert! -[3]Jene, die Bullinger erwähnte, reden nur. [Die Stadt]Braunschweig ist [mit Kaiser Karl [3]ausgesöhnt. Allerdings sind die ihr auferlegten Bedingungen nicht erfüllbar! -[4] Von einem Wechsel der bischöflichen Residenz [von Dillingen zurück nach Augsburg]hat Frölich nichts gehört und glaubt auch nicht daran. [Die Deutschen]haben sich schon unterworfen und [die Eidgenossen]werden folgen. -[5]Karl V hat die Ansicht von Papst Paul III. zur Fortführung des Trienter Konzils offengelegt. Jedem Klugen wird dabei klar, dass von diesem Konzil nichts mehr zu erwarten ist. Der Papst forderte sogar [das vom Kaiser]besetzte Piacenza zurück. Deswegen beschloss der Kaiser als Übergangsregelung [Interim] eine Kirchenordnung zu erstellen, die verbindlich sei, bis es zu einem Konzil und einer allgemeinen Reform kommt. Was der Kaiser auch immer für Regelungen beschließen wird, sie werden unumgänglich sein und fatal für diejenigen, die sie übertreten. Das wird ein schwieriges Unterfangen! Möge das Reich Gottes bald kommen und die Zeit [der Trübsall verkürzt werden! -161 Grüsse

a Mit Schnittspuren.
51 Ehepaar. - Gemeint sind Hans Rutishauser und seine Cousine Dorothea Dietheim gen. Münchin. Blarer hatte Bullinger um Unterstützung bei deren Gesuch um Anerkennung ihrer Ehe gebeten; s. Nr. 3106,1-11.
52 Der Überbringer des vorliegenden Briefes war ein nicht näher bekannter Bediensteter von Marcell Dietrich von Schankwitz; s. oben Z. 27f.


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S. Te atque reliquos pios viros vestrates valere voluptati rnaxime mihi est. Ego in his calarnitatibus et pressuris fidentia in dominum curn meis mediocriter valeo, attamen velut agnus inter lupos. 1

Que obscurioribus scripsisti literis 2 certo sunt cerciora, atque si quis diucius dubitet, suo experiatur malo. Preterea, ut fidere deo pium, ita tentare deum impium est. 3 Cumque occasio calva 4 sit, facile solet e manibus elabi. Sat equidem cunctatum est.

Isti 5 , quos nominas, tantum verba dant. Brunsvigum est conciliatum, eatenus tarnen, quatenus impositis condicionibus satisfecerint. Sunt autern b condiciones impossibiles b . 6

De permutatione episcopatuum 7 nihildurn audivi, nec rem se ita habere credo.

c Servitutern jam induirnus 8 . As[s]equirnini ergo vos. c
b-b Geheimschrift mit der Fehlschreibung impsibikes. Das k anstelle des 1 legt nahe, dass Frölich eine alphabetisch geordnete Vorlage der Chiffrierung vor sich hatte und beim Ablesen der Buchstaben verrutscht ist. -
c-c In Geheimschrift. Inder Vorlage wurde lediglich asequimini geschrieben. Da sich aber die Buchstaben a und s überschneiden, ist nicht ausgeschlossen, dass Frölich das ursprünglich geschriebene a mit einem s ersetzen wollte. -Die vorliegende Passage ergänzt das bisher bekannte Zeichenset des Geheimalphabets um den Buchstaben q.
1 Vgl. Lk 10, 3. - Zu Frölichs bedrückenden Umständen und seinem Bemühen, sich der Bürde des Ratschreiberamtes zu entledigen, s. HBBW XX, Nr. 3055,27-30; Nr. 3094,39-48.
2 Mit obscuriores literae ist ein Geheimalphabet gemeint, das Frölich ebenfalls weiter unten im vorliegenden Brief benutzt; s. dazu HBBW XVII 12; BKS-Geheimschrift. -Der hier angedeutete Brief Bullingers an Frölich ist nicht erhalten. - Bisher war nicht bekannt, dass neben Ambrosius Blarer, Konrad Zwick, dem bereits 1542 verstorbenen Johannes Zwick und Bullinger auch Georg Frölich in die Geheimschrift eingeweiht war; zudem kann der Kreis der in die Geheimschrift Eingeweihten um Martin Bucer und Wolfgang Musculus ergänzt werden; s. Blarer BW II 703, Nr. 1530, Anm. 1; III 239, Nr. 1904, Anm. 4 und St. Gallen Kantonsbibliothek Vadiana, Ms 36, 299.
3 Mt 7 par.
4 occasio calva: versäumte Gelegenheit; vgl. Disticha Catonis 2,26,2.
5 Vermutlich hat sich Bullinger nach den Augsburger Bürgermeistern Jakob Herbrot und Hans Welser erkundigt; vgl. nämlich HBBW XX, Nr. 2894,84-91: "Promiserunt [Subjekt sind die zuvor genannten Bürgermeister] tuitionem
quam praestare nec possunt nec eupiunt etiam."
6 Die Stadt Braunschweig hatte sich Kaiser Karl V. am 29. Dezember 1547 nach längeren Verhandlungen ergeben und am 3. Januar 1548 in einen Sühnevertrag mit ihm eingewilligt. Dabei musste sie dem Kaiser 50'000 Gulden zahlen sowie zwölf Geschütze übergeben; s. Günter Schulte, Zwischen Konfrontation und Kooperation. Niederdeutsche Hansestädte und ihr Verhältnis zum Reichsoberhaupt zwischen 1546 und 1552, in: Herrschaft und Verfassungsstrukturen im Nordwesten des Reiches, hg. y. Bernhard Sicken, Köln u.a. 1994, S. 215; Rudolf Häpke, Die Regierung Karl V. und der europäische Norden, Lübeck 1914, S. 286.
7 Im Jahr 1537 hatten die Bischöfe von Augsburg ihre Hauptresidenz nach Dillingen an der Donau verlegt. Offensichtlich erreichte Bullinger das Gerücht, dass der Bischofssitz wieder nach Augsburg verlegt werden sollte. Tatsächlich aber sollte Bischof Otto Truchsess von Waldburg weiterhin hauptsächlich im Städtchen Dillingen residieren. Dillingen blieb bis 1690 die Hauptresidenz der Augsburger Bischöfe; s. LThK 2 II 324, s.v. Dillingen.
8 Mit dem "wir"sind angesichts des folgenden


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Cesarea maiestas 9 pape 10 mentem super concilio Tridenti celebrando declaravit, 11 nempe in hunc modum, quod nulla spes illius concilii apud prudentiores sit. Imo papa Placentiam occupatam, etc., repetit audacter. 12 Propterea cesar consultat de conficienda formula 13 , secundum quam in ecclesiis vivatur, donec concilium celebretur d et reformatio universalis flat. Quicquid igitur cesar hoc modo in fide statuerit, socratice erunt leges 14 et capitales transgressoribus. Hic opus, hic labor erit. 15 Nos oramus, ut regnum dei veniat cito 16 et dies decurtentur 17 .

Vale, mi ornatissime vir, atque tuos, quibus me diligenter commendo, ex animo salutabis. 18. ianuarii 1548. Laetus.

[Ohne Adresse.]18