[1673]
Autograph: Zürich StA, E II 343, 32 (ohne Siegel); Beilage a : Zürich StA, E II 343a, 256r.-256b v. (Siegel) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung des Briefes: Blarer BW II 148, Nr. 969; Druck der Beilage: Blarer BW II 148-151, Nr. 970
Entschuldigt sich für sein langes Schweigen, das einzig durch das Fehlen eines Boten und
seine vielen anderen Verpflichtungen entstanden ist. Kann Bullingers Freigiebigkeit und Wohlwollen
niemals angemessen erwidern; Dank für den [Matthäus-]Kommentar sowie die anderen
Schriften Bullingers; besonders gefällt ihm das 17. Kapitel [des Matthäuskommentars];
möge Gott ihm seine Schaffenskraft lange bewahren! Hat durch den Boten ein Schreiben an
Gervasius [Schulen und [Balthasar] Funk gesandt, sendet außerdem die Erklärung der Berner
[zum Abendmahlsstreit zwischen Peter Kunz und Erasmus Ritter] zurück. Grüße von
seinem Bruder [Thomas Blarer] und Konrad Zwick dessen Bruder [Johannes] sich in BischofszellBriefe_Vol_12_205 arpa
aufhält und immer wieder Grüße an Bullinger ausrichten lässt. In [Bischofszell]
wütet die Pest so sehr, dass in einzelnen Wochen nicht weniger als 26 oder 27 Menschen daran
sterben, im Verhältnis zur Größe der Stadt mehr als in Konstanz. Sorgt sich um [Johannes]
Zwick, der sich dort nach dem Tod des Pfarrers [Andreas Kölli]für die Kranken aufopfert;
Bullinger soll auch den mit Zwick freundschaftlich verbundenen [Konrad]Pellikan bitten, für
dessen Gesundheit zu beten; Zwicks Tod wäre ein unsagbarer Verlust für die Kirche. Eintreffen
des Boten; Grüße. -[Beilage:] Aus Wien wurde am 17. September berichtet, dass Buda von
den [kaiserlichen] Truppen belagert werde, während sich die Türken von Pest dorthin verlagert
haben sollen; die [deutschen] Truppen werden von den ungarischen unterstützt, die von
Siebenbürgen und anderen Orten her anrücken, so dass man zur Eroberung bereit ist; Gerüchte
über den Ausbruch von Ruhr und Angina im Heerlager. Aus Pavia wurde für den 5.
September das Eintreffen eines riesigen Heuschreckenschwarms gemeldet, der sich in Richtung
Piemont bewegt, aber auch in Venetien wurden Heuschrecken gesehen. Aus Augsburg
wird berichtet, dass [König Franz I.] seine Truppen aus den Niederlanden nach Spanien
verschoben hat; nach der Zerstörung von Luxemburg belagert er nun Perpignan. In fünf
Wochen wird ein Reichstag in Nürnberg stattfinden, vorher ist noch ein Städtetag zu Ulm
angesetzt. Herzog [Heinrich] von Braunschweig[-Wolfenbüttel] ist aus seinem Land vertrieben
und das Schloss zu Wolfenbüttel am 12. August eingenommen worden; bei der darauffolgenden
Kirchweih ließ Landgraf [Philipp von Hessen] die Fahne des [Schmalkaldischen] Bundes
hissen und seinen Prediger predigen; im Schloss fand man Heinrichs jüngsten [Julius] und
ältesten Sohn [Karl Viktor] - einen blutrünstigen Menschen - sowie seine Töchter; die Söhne
sollen jährlich 6'000 Gulden Unterhalt erhalten, den Töchtern soll eine Aussteuer zuteilwerden;
Heinrich hält sich mit dem mittleren Sohn [Philipp Magnus] zum Teil in München, zum
Teil in Landshut in Bayern auf; im Schloss wurde außerdem ein großer Vorrat an Proviant,
Waffen, Munition und anderem gefunden, und in der unversehrten Kanzlei ist man auf etliche
Korrespondenz Heinrichs mit den [Katholiken] gestoßen, die man teilweise drucken lassen
will. Genaue Aufzählung der Funde im Schloss Wolfenbüttel, darunter auch Kleider Heinrichs
und seiner verstorbenen Frau [Marie von Württemberg], der Schwester Herzog Ulrichs von
Württemberg. Im Schloss Schöningen hat man die Leiche [Konrad]Dellinghausens gefunden,
der als Gesandter der Stadt Goslar am Reichstag zu Augsburg [1530]wegen der Verhandlung
des Streites zwischen der Stadt und Heinrich teilnahm und auf dem Rückweg trotz kaiserlichen
Geleites von Heinrich aufgehalten wurde; dieser hatte jegliche Involvierung abgestritten, aber
nun hat man Dokumente und auch Zeugen gefunden, die berichten, dass der Vogt von Schöningen
Dellinghausen erstochen und im Boden des Schlossturmes vergraben habe, wo man
tatsächlich seine Leiche fand. Man hat nun auch endlich beweisen können, dass Heinrich den
Tod und das Begräbnis seiner Geliebten [Eva von Trott]hat fingieren lassen. Die Städte Metz,
Schweinfurt, Wimpfen und Hildesheim haben das Evangelium angenommen, so auch der Bischof
von Münster [Franz von Waldeck], der sich mit der Stadt Minden versöhnt hat. Der bei
"Maser" [oder "Masin": Monzón?]liegende Kaiser [Karl V.]bedrängt [Franz I.] so sehr,
dass dieser Söldner aus den Niederlanden und anderen Orten nach Narbonne befohlen hat;
anscheinend ist er in einer Notsituation, denn auch seine Botschaft in Solothurn [Louis Daugerant,
Seigneur de Boisrigaut] ist überraschend plötzlich aufgebrochen; bittet um etwaige
Nachrichten Bullingers in dieser Sache.
S. in solida nostra salute Christo.
Ego vero dispeream, Bullingere, venerande in domino et longe charissime frater, si ulla silentii mei caussa fuit, nisi quod a proxime datis ad te literis 2 in nullum tabellarium, qui istuc proficisceretur, incidi. Ne vero diligentius
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quaererem, fecerunt innumera mea negocia et turbulenta ista vereque dubia tempora, quamquam toto hoc tempore b non adeo multum fuit earum rerum, quarum tu cognitione delectaris, quod certo ad te scribere possem in tanta mendaciorum licentia. Ignosces igitur, mi anime, si quid hic peccatum a me existimas; sarciam porro diligenter, si iuverit occasio, quod neglexi, siquidem gratificari tibi tam mihi quam recte vivere propositum est, quando bene vivere haud possem, si amico et tanto ingratum me vel levissima suspitione ostenderem.
Pudet me mei vehementer, quod respondere mihi tam insigni tuae in me munificentiae non est integrum. Quid enim perpetua ista vota c , ut caelestis et ditissimus pater in celis vicem hic meam impleat et centuplicata aut millecuplata omnia tibi pro sua benignitate reponat, quid, inquam, sunt aut quorsum proficiunt ista? Facile cuivis fuerit istius modi pleno ore precari, tametsi ego totis animis istuc faciam. Sed ah, quam vellem re ipsa meam erga te summam gratitudinem ita testari, ut intelligeres in hoc me esse, ut officiositate et beneficiis te pulchre vincerem! Verum ferenda mihi, immo tibi quoque d haec mea infelicitas tantisper, dum casus aliquis ferat, ut, quod impense cupio, faelici successu efficiam. Nunc verbis gratias ago pro eruditissimis commentariis 3 et aliis libellis tuis 4 , dono profecto multis mihi nominibus, praecipue vero, quia tuus labor est, qui animum et ingenium tuum mihi refert, longe gratissimo. Valde placent, quae in 17. caput scripsisti; caussas nosti. 5 Dominus te frugiferam olivam in domo sua diutissime conservet!
Scripsi per tabellionem istum 6 et Gervasio nostro 7 et consuli Funckio 8 . ||32v. Remitto alterum illud scriptum, Bernatium scilicet sententiam. 9
Salvere te iubent seque tibi accuratissime commendatos cupiunt germanus frater 10 cum Conrado Zviccio, cuius frater 11 apud Episcopicellae oppidulum agit quique iam semel atque iterum literis suis 12 rogavit, ut ad vos scribens se vestris sacris apud dominum precationibus diligenter commendarem. Valde enim illic crudeliter sevit pestis, ut singulis septimanis non minus 26 aut
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27 rapiat, qui numerus nostrorum hic morientium tantum non superat, quum interim nostra urbs quadruplo maior sit oppidulo illo. Optimus Zviccius singulis momentis vitam periclitatur propter Christum, cuius gloriae sitientissimus est, nec potuit negare officium tam afflictis tanque afflictim flagitantibus, quibus etiam sanctissimum pastorem suum haec domini manus abstulerat 13 , ut errabundis iam ovibus similes essent. Indicabis hoc inprimis Pellicano nostro, qui propter veterem amiciciam impensius illum amat, quo vitae autorem pro salute ipsius ardentius precetur; dici enim nequit, quantam hic iacturam faceret nostra ecclesia, si hoc zelo dei flagrantissimum pectus nobis eriperetur.
Adest nuncius 14 praeter expectationem. Valebis igitur, cor meum. Commenda me omnibus fratribus et amicis. Imprimis Gvaltherum, optimum amicum, plus plurimo meis verbis saluta. Non possum quicquam addere.
Tuus A. Bl. e
[Ohne Adresse.]
||E II 343a. 256r.-256b V. [Beilage, gedruckt in: Blarer BW II 148-151, Nr. 970.]