Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2141]

Bullinger an
Oswald Myconius
Zürich,
20. April 1545

Autograph: Zürich StA, E II 342, 127 (Siegelabdruck) Ungedruckt

Bezüglich des Eids [beim Bündnisschwur] haben [die Zürcher] ihre [Bürger]gelehrt, nur bei Gott und nicht bei den Heiligen zu schwören, denn Gott ist das höchste Gut, wie es auch im Hebräerbrief steht. Setzte man die Heiligen dazu, würde man den reinen, rechten Glauben verleugnen. So wollte etwa auch Polykarp nicht bei [der Göttin]Fortuna oder der Fortuna des Kaisers schwören, wie Eusebius schreibt. Die [Zürcher] haben deshalb eine Gesandtschaft zu den [katholischen Innerschweizer Orten]geschickt und diesen mitgeteilt, sie wollen allein bei Gott schwören; wollten die [katholischen Orte] die Heiligen hinzusetzen, so sei es ihnen gestattet. Die [Zürcher] aber wollen dies nicht und sind der Meinung, dass der [Zweite Kappeler] Landfriede ihnen dies gestatte. Nach Beratung sind nun die Fünf Orte [in Zürich] mit ihrer Antwort eingetroffen; zur Stunde beruft man [den Großen Rat] ein, und Bullinger weiß nicht, wie es ausgehen wird. Die [Innerschweizer Orte] sind den [protestantischen] Städten unfreundlich gesinnt; man darf ihnen nicht vertrauen. Vielleicht wird man doch eine Lösung finden wie zur Zeit Ahabs und Josaphats. Dies als Antwort auf Myconius' Brief [Nr. 2129], und zwar auf Deutsch, falls Myconius es zuverlässigen Freunden mitteilen möchte. Bullinger schickt die Schrift [,,De vita monachorum"] des Italieners [Lelio Capilupi].

d Darunter von Blarers Hand das Datum der Antwort (unten Nr. 2146): 26. aprilis 1545.
eine Zeichnung von Heinrich Vogtherr zurückgehender Holzschnitt des gehörnten, bocksbeinigen Papstes als Antichrist (s. Frank Muller, Heinrich Vogtherr l'Ancien. Un artiste entre Renaissance et Réforme, Wiesbaden 1997, Nr. 263). Laut Bullingers Angabe plante Gwalther, den Holzschnitt mit einem Gedicht [gegen den Papst] zu veröffentlichen. Die Abfassung des Gedichtes begann Gwalther bereits vordem 26. März 1545 (Gwalther an Calvin, 26. März 1545; in: CO XII 51). Eine unvollendete Fassung davon mit dem Titel "Minotaurus Romanus sive Antichristus" ist in Zürich ZB, Ms D 152, f. 153r.—155v., erhalten. Ob das Gedicht je veröffentlicht wurde, bleibt offen. Der Holzschnitt wurde später auch in den deutschen (nicht in den lateinischen) Ausgaben von Gwalthers "Endtchrist" 1546 (Rudolf Gwalther, Der Endtchrist, [Zürich, Christoph Froschauer, 1546], BZD C 361-366) verwendet. — Wir danken Herrn Kurt Jakob Rüetschi für freundliche Auskunft.


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Gnad und frid.

Des eyds halben habend wir die unsern also gelert und lerends noch also, das sy den eyd by gott atem und nitt by den heiligen gaben sollend und ouch thun. Ursach: Der eid ist ein bezügen uff das aller höchst des menschen, Hebrae. 6 [16]. Was nun das höchst des menschen ist, darby thut er den eyd. So nun gott alein unser höchsts gilt ist, sol der eyd by gott atem beschehen. Die heiligen nahen gott setzen, ist, die geschöppfft verglichen dem schöppffer: das thut kein rächt glöubiger. Demnach habend wir gebott und verbott in gottes wort uußgetruckt 1 , das wir by gott atem und nitt by den heiligen schwerrind 2 , Deut. 6 [13]. 10 [20]; Josue 23 a [7]; Psal. 16 [4]; 3 Iere. 4 [2]. 5 [7]; Sopho. 1 [5], etc. Zu letst ist der eid ouch ein anrufen und beckantnus des namen gottes, dann die form lut: "Das wil ich styff und stet halten, etc., das mir gott also halss", oder: "Also bitt ich, das mir gott also halss." Agitur ergo de eo, quem confiteamur auxilium, servatorem et spem nostram. 4 Wir bezügend uns uff den, der unser huss ist, und begäbend uns in desse straaff, der straaffen mag. Nun aber ist das ein fürnemmer artickel des gloubens, das atem gott der sye, der schirmpt und strafft; 5 die heiligen darzu setzen, ist je 6 des reinen, rächten gloubens verlougnen. Noluit Polycarpus 7 iurare Fortunam vel per Fortunam caesaris, ut est apud Eusebium lib. 5, 8 usw.

Dorumb habend die unseren 9 ire botten hinyn in die Länder 10 gesandt für 11 die rat, 12 das mm herren nitt anders schwerren wollind, dann by gott. Wollind sy 13 die heiligen darzu setzen, das lassind sy 14 beschehen; sy wollind aber den eyd anders nitt gaben noch thon; achtend, der lantfrid 15 gab es zu, etc. Daruff habend sy 16 ein verdanck genommen 17 . Und hütt, alls ich das

a In der Vorlage 22.
1 ausgedrückt.
2 schwören.
3 Vulg.:Ps 15,4.
4 Vgl. 1Tim 4,10.
5 Jak 4, 12.
6 "ja"oder "stets".
7 Polykarp, geb. um 69, Bischof von Smyrna, erlitt um das Jahr 155 unter Kaiser Antoninus Pius oder im Jahr 167 unter Kaiser Mark Aurel das Martyrium.
8 Eusebius von Caesarea, Historia ecclesiastica, 4[!], 15, 18-24 (GCS, NF VI/1 342-345).
9 die Zürcher.
10 zu den Innerschweizer Orten.
11 vor.
12 Gemeint ist die an die Fünf Orte mit einer Instruktion vom 10. März 1545 gesandte Zürcher Delegation (Zürich StA, A 226);
s. Bächtold, Schwurformel 304 und Anm. 39.
13 die Innerschweizer Orte.
14 die Zürcher.
15 Der Zweite Kappeler Landfrieden mit Zürich vom 20. November 1531, welcher mit den Worten "In dem Namen der hochlöblichen heiligen götlichen Tryfaltigkeit gott des Vatters, Suns und heiligen Geistes" beginnt und deshalb die Zürcher hoffen ließ, auch ohne Anrufung der Heiligen auszukommen; s. EA IV/ib 1567-1571, Beilage Nr. 19a; Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts, Bd. 1, bearb. v. Ernst Walder, Bern 21960_Quellen zur neueren Geschichte 7, S. 6-14.
16 die Innerschweizer Orte.
17 ein verdanck genommen: eine Bedenkzeit genommen. — Ergebnis war wohl das Schreiben der Fünf Orte (Luzern, Uri Schwyz, Unterwalden, Zug) an Zürich


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schryb, lüt man in die burger 18 , und sind die V ort 19 hie, ire antworten zu gäbend; 20 mag nitt wüssen, was es werden wil. Man acht wol, sy hattend ouch gern, das man ire houptlüt 21 begnadete 22 ; mag nitt wüssen, was beschicht 23 . . Die lut sind den stetten eben unfrüntlich, und wer sich uff jr huss vil vertraust, der länet uff das rhor Aegypti 24 Filicht wirt sich die sach mitt der zyt schicken wie mitt Achab und Iosaphat 25 . Gott wolle es alles zu gutem siner kylchen schicken.

Haec habui, quae paucis ad tua 26 respondere volui, et Germanice quidem, si velis ea communicare fidis amicis; sed hic vicissim iuditio opus est.

Mitto Vergilianum centonem cuiusdam Itali 27 , etc.

Vale.

Tiguri, 20. aprilis anno 1545.

H. Bullingerus.

[Adresse auf der Rückseite:] Praestantissimo viro d. Osvaldo Myconio, domino et fratri colendo. Basel.

vom 14. April 1545, in dem diese Zürich mitteilten, dass sie mittels einer Gegengesandtschaft (die während der Abfassung von Bullingers Brief eintraf; s. Z. 24-26) antworten würden; s. Bächtold, aao, S. 304 und Anm. 41.
18 lüt man in die burger: ruft man die Mitglieder des Großen Rats unter Glockengeläut zusammen. —Zur Bezeichnung der Mitglieder des Großen Rats als "Burger" s. oben Nr. 2082, Anm. 1, und die Überschrift (bzw. Adresse) von Nr. 2100.
19 Die katholischen Fünf Orte der Innerschweiz (Luzern, Uri Schwyz, Unterwalden, Zug).
20 Die Fünf Orte antworteten, dass sie wie bisher den Eid bei Gott und den Heiligen
schwören wollten. Dabei beriefen sie sich ebenfalls auf den Zweiten Kappeler Frieden, der ihnen erlaubte, "by irem waren ungezwyfelten cristenlichen glouben ungearguwier, ungetisputiert" zu bleiben; s. Bächtold, aao, S. 304f und Anm. 42; EA IV/ib 1568.
21 Hier: die Gesandten.
22 gnädig stimme.
23 geschieht.
24 der länet uff das rhor Aegypti: der stützt sich auf das [schwankende] Schilfrohr Ägyptens; s. 2Kön 18, 21; Jes 36,6.
25 Vgl. 1Kön 22; 2Chr 18.
26 Oben Nr.2129.
27 Lelio Capilupi, Cento Vergilianus; s. oben Nr. 2140, 37-42 und Anm. 26.