Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2403]

Georg Frölich an
Bullinger
[Augsburg,
Ende März /Anfang April 1546]

Autograph a : Zürich StA, E II 346a, 530 (ohne Siegel) Ungedruckt

Frölich hat Bullingers "Gutachten" [nicht erhalten] zur Kenntnis genommen und Gebrauch davon gemacht. Die Päpstler werden in diesem Jahr wahrscheinlich keinen Krieg gegen [die

b Von Nescio bis Rescribe am Rande nachgetragen.
a Mit einer Randbemerkung von Johann Heinrich Hottinger.
11 Gilbert Cousin.
12 Vielleicht Hugo Cousin d.Ä., der Fourier des Kaisers war. Zu ihm s. AK X/2 520f.
13 Wohl Nicolas und nicht Antoine de Perrenot, Herr von Granvelle.
14 Nozeroy.
15 Theodor Bibliander.
16 Jodocus Willich, In Haggaeum prophetam doctissima commentaria, Basel, Bartholomäus Westheimer, 1546 (VD16 ZV1803), mit einer an Johannes Gast gerichteten Vorrede. In Zürich ZB ist ein Exemplar vorhanden (Signatur: E 362/2).
17 Wohl die Boethius-Ausgabe; s. dazu Nr. 2394,1-3.
1 Der Brief erwähnt die Ankunft Karls V. am 24. März in Speyer (s. unten Z. 11f). Da Augsburg fast 300 km von Speyer entfernt ist, kann die Nachricht frühestens am 28. März nach Augsburg gelangt
sein. Auch die Erwähnung des Zürchers Markus (Marx) [...] unten Z. 29-3 1, der am 22. März noch in Zürich nachgewiesen ist (s. Nr. 2387,32f), deutet auf ein Abfassungsdatum nach dem 28. März hin. Da es ferner einen Brief Frölichs an Bullinger vom 1. April gibt, in dem Markus [...] auch erwähnt ist (s. Nr. 2405,102. 116f), und da vorliegendes Schreiben (das mit einer Adresse versehen ist) weder datiert noch unterschrieben ist, wird dieses wohl dem ebenfalls mit einer Adresse versehenen Brief vom 1. April (Nr. 2405) beigelegt und möglicherweise noch vor Letzterem verfasst worden sein, zumal der Mord an Juan Diaz hier nicht angesprochen ist. Dass zudem das vorliegende Schreiben auf Deutsch verfasst wurde, erklärt sich daraus, dass die darin enthaltenen Nachrichten über Kaiser, Landgraf und Hans Wilpert


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Evangelischen]führen, weil [König Franz I. von]Frankreich, der gegen [König Heinrich VIII. von]England kämpfen muss, ein Feind des Kaisers [Karl V.]ist, weil der Kaiser kein Geld hat und weil die Protestanten im Falle des Pfaffenführers Herzog Heinrich von Braunschweig bereits zweimal bewiesen haben, dass sie rasch reagieren können und stärker sind. Der Kaiser und das Papsttum werden wohl gänzlich zugrundegehen. Frölich fürchtet, dass Landgraf [Philipp von Hessen] sich bewegen lassen könnte, mit dem am 24. [März] in Speyer angekommenen Kaiser [Karl V.]zusammenzukommen. Vonseiten der Gegner sind nämlich gefährliche Intrigen zu befürchten, die dem Landgrafen zum Verhängnis werden könnten, auch wenn die Protestanten mit seinem Tod nur einen der Ihren verlieren würden und Gott alles richten wird. Hans Wilpert Zoller befindet sich bereits bei dem Ritter Sebastian Schertlin, der das Evangelium liebt und es mitten im [katholischen] Territorium König [Ferdinands I.] verkündigen lässt. Schertlin ist vermögend und gebildet, er beherrscht die lateinische Sprache und liest die [Heilige]Schrift sowie historische Bücher. An Zoller hat er Gefallen gefunden. Er sucht einen [evangelischen]Prädikanten für [seine Herrschaft]Burtenbach. Vielleicht können die [Zürcher] ihm einen schicken. In Hinsicht auf das von Konrad Gessner übersandte und der [Augsburger]Obrigkeit gewidmete Buch ["Sententiarum tomi tres"] wird der junge Markus [...] Bericht erstatten. Dieser wird Gessner außerdem eine Dankschrift übermitteln wie auch [zwei Handschriften]: die Schrift "De situ orbis" von Dionysios [dem Periegeten] und den Kommentar [zum Oktateuch] von Prokopios. Doch soll Gessner darauf achten, dass die [Handschriften] wieder nach Augsburg gelangen! Wegen [Wolfgang Musculus] war es nicht einfach, [diese Ausleihe] zu erwirken.

Eur christennlich unnd vernunfftig bedenncken 2 der sorglichen weldtleuff halb 3 hab ich freundtlicher maynung 4 vernumen, auch dasselb, wie sich zimbt unnd not ist, gebraucht.

Ich will mich nit versehen 5 , das die bebstler und ir anhang dieses jars ettwas thetlichs wider unns furnemen sollend. Dann der Franzoß 6 ist nit zufriede mit dem kaiser 7 ; muß mit Engelland kriegen 8 . 9 So manglet dem kaiser an geldt unnd steet ime unnd dem gantzen babstumb das eusserist verterben doruff. So haben wir dannocht durch gott mit der pfaffen hauptman, dem von Brunschwig 10 , zwo prob thun, 11 unnd dermasßn inn eyl, auch unversehen 12 gehandlt, darab den widerwertigen das hertz nit waxt. 13

Allain besorg ich, mein gnädiger herr landgraf 14 werd sich bewegen lassen, zu kay. mt., die uff 24. dis 15 gen Speyr kumen, ze reitten b . Da ist gar

b Nach reitten wiederholtes bewegen lassen.
Zoller sowie die Anfrage nach einem Pfarrer für die Herrschaft Burtenbach natürlich auch für den Zürcher Magistrat bestimmt waren.
2 Nicht erhalten. Vermutlich handelte es sich um ein Gutachten über die Kriegspläne Karls V.; vgl. Nr. 2375,55—59.
3 der sorglichen weldtleuff halb: wegen der besorgniserregenden Zeiten.
4 freundtlicher maynung: mit freundlicher Gesinnung.
5 Ich will mich nit versehen: Ich erwarte nicht.
6 Franz I.
7 Karl V.
8 Krieg führen.
9 Gemeint ist, dass Franz I., der mit England Krieg führen muss, den Kaiser nicht unterstützen würde, wenn dieser die deutschen Protestanten angreifen würde.
10 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
11 zwo prob thun: zwei Beweise erbracht. — Gemeint sind die Siege der Protestanten über Herzog Heinrich von Braunschweig im Sommer 1542 und im Herbst 1545.
12 unerwartet; überraschend.
13 Gemeint ist, dass aus den erwähnten Gründen die Gegner kaum noch Mut haben werden, erneut anzugreifen.


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hoch unnd viel angelegen; 16 dann die practic 17 sind untreu, gschwind 18 unnd groß. Da underlasst man nichts! Unnd sollt der landgraf durch ainigerlai 19 wege gewunnen 20 werden oder gar umbkumen, wurden die bäbstler maynen, sie hetten schon oberhanndt. Nun 21 ist er ain ainiger 22 mann. Gott im himel lebt aber allzeit; der wurdts zum bessten keren. Amen.

Hanns Hildpert Zoller ist schon bei herr Sebastian Schertlin, ritter, 23 etc., furwar bei ainem redlichen, theuren mann, als er yetzt unnter allen kriegßleuten lebet; dann er hat die warhait des evangelii ganntz lieb, lässts mitten im babstumb unnd inn des kunigs 24 lannd predigen unnd verhoffts daselbs, das ist zu Purtenbach 25 , zu erhalten. So hat er ain groß vermögen, hellt yetzt stets 10 pferd, ist der latinischen sprach gantz wol bericht 26 , waist und list die schrifft unnd historien, unnd trägt yetzt ab 27 dem Zoller ain besonnder gut gefallen, allso das es, ab 28 got will, mit inen beden wohl gethon sein wurdt. Herr Sebastian manglet eins christlichen frumen predicanten. Da 29 ir ime mit einem helfen konnten, ob er gleich nit furpundig 30 gelert, daran thet ir ein christlich unnd ime sehr wolgefellig werckh.

Was uff des werdten, hochgelerten unnd frumen mans herrn d. Chunraten Geßners ubersendt unnd meinen herrn dedicirt buch 31 ervolgt ist, werdt ir von seinem jungen Marco 32 erfarn. Man schreibt ime 33 wider mit dancksagung, 34 schickt ime den Dionisium de situ orbis 35 et Procopium in Mosen 36 . 37

14 Philipp von Hessen.
15 dieses Monats. — Der Kaiser traf tatsächlich am angeführten Tag in Speyer ein; s. Stälin 579.
16 Da ist gar hoch unnd viel angelegen: Da steht viel Wichtiges auf dem Spiel.
17 Handlungen.
18 tückisch.
19 irgendwelche.
21 besiegt.
21 Zwar.
22 einziger.
23 Schertlin war 1525 und erneut 1532 zum Ritter geschlagen worden; s. ADB XXXI 132—137; Claudia Madel-Böhringer, Die Inschriften des Landkreises Günzburg, Wiesbaden 1997, S. 52.
24 Ferdinand I.
25 Burtenbach (Lkr. Günzburg, Bayern), seit 1532 im Besitz der Freiherrn Schertlin. — Die Herrschaft Burtenbach befand sich inmitten der vorderösterreichischen Gebiete.
26 kundig.
27 an.
28 wenn.
29 Wenn.
30 vortrefflich.
31 Greek ... Sententiarum sive capitum theologicorum praecipue ex sacris et profanis libris ... tomi tres, Zürich, Christoph Froschauer, 1546 (VD16 A2966; BZD C354; HBBW XV 591, Anm. 3): Es handelt sich dabei um den ersten, aus griechischen Texten bestehenden Teil eines Werkes, dessen zweiter Teil die lateinischen Übersetzungen enthielt (VD16 A2966; BZD C355). Die erste Hälfte des lateinischen Teils war Johann Jakob Fugger, die zweite Hälfte Georg Frölich gewidmet; s. HBBW XV 417, Anm. 9; und Nr. 2367, Anm. 31. Die erste Hälfte des griechischen Teils war den Augsburger Altbürgermeistern Hans Welser und Jakob Herbrot gewidmet (die Widmung auf f. †2,r.—v. datiert vom 1. Februar 1546), die zweite Hälfte dem Berner Hieronymus Frick (die Widmung auf S. 276 datiert vom 4. März 1546). — Aus einem vor dem 21. Februar 1550 verfassten Brief Konrad Gessners an Wolfgang Musculus (Autograph: Zofingen SB, Pa 14.1, Nr. 65) geht hervor, dass Gessner damals dem Augsburger


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Die mag er zu seinem gefallen geprauchen; doch das die bücher ganntz herwider kumen! 38 Es hat dannoch müeh gepraucht, diese ding zu erheben 39 , propter mures 40 , etc.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:] Haec Bullingero reddatur epistola claro, qui mihi prae cunctis unus amicus erit. 41 Zurch.

Rat und der Augsburger Bibliothek zwei schön gebundene Exemplare seines zweibändigen Werkes schenkte und dafür nichts erhielt!
32 Markus (Marx) [...], Übermittler dieses Briefes wie auch der Briefe Nr. 2399, Nr. 2405 und Nr. 2406 (vgl. Nr. 2399,1—3), ist in Frölichs Brief an Bullinger (s. Nr. 2405,102) und in Hallers Brief an Rudolf Gwalther (Zürich ZB, Ms F 39, 228—229) — beide vom 1. April 1546 — ebenfalls nur mit Vornamen genannt. Es muss aber offen bleiben, wer damit gemeint ist. In Bullingers Brief an Wolfgang Musculus vom 22. April 1546 wird er als "studiosum collegii nostri" bezeichnet (s. Nr. 2429,2f). Es sei hier ferner darauf aufmerksam gemacht, dass Konrad Gessner 1549 sein "Onomasticon"(VD16 G1772) u.a. Markus Röist d.J. (1520—1565) und Markus Stapfer (1525—1601) widmete.
33 Gemeint ist Gessner.
34 Unbekannter Brief.
35 Dionysios der Perieget (wohl 1. Hälfte des 2. Jh. n. Chr.) und seine Erdbeschreibung "De situ orbis" in griechischen Hexametern, die lange als Lehrbuch diente. — Die an Gessner übermittelte Handschrift war unvollständig (s. Gessners Brief, wie oben Anm. 31). Die Handschrift befindet sich heute in München BSB (Cod. Monacensis graec. 529).
36 Prokopios von Gaza (5./6. Jh. n. Chr.) und sein Kommentar zum Oktateuch (d.h. zum Pentateuch sowie zu Josua, Richter und Ruth). Die an Gessner vom Augsburger Rat übermittelte Handschrift befindet sich heute ebenfalls in München BSB (Cod. Monacensis graec. 358).
37 Die vom Augsburger Rat an Gessner übermittelten Handschriften stammten aus dem 1544 erfolgten Ankauf griechischer Handschriften aus dem Besitz des
Gelehrten Antonios Eparchos von Korfu (1491—1571). Die Angebotsliste von Eparchos wurde publiziert von Charles Graux, Essais sur les origines du fonds grec de l'Escurial, Paris 1880 — Bibliothèque de I'Ecole des hautes études 46, S. 413—417, und korrigiert wie auch ergänzt von Richard Förster, Zur Handschriftenkunde und Geschichte der Philologie, in: Rheinisches Museum für Philologie, NF 37, 1882, S. 491—495.
38 Aus dem bereits erwähnten Brief Konrad Gessners (s. oben Anm. 31) geht hervor, dass Gessner 1550 die Prokop-Handschrift noch immer besaß und zu einem früheren Zeitpunkt davon eine Abschrift durch Sebastian Guldibeck hatte anfertigen lassen, welche er 1548 an Konrad Klauser verkaufte; s. auch Peter Frei, Conradus Clauserus Tigurinus (ca. 1515—1567). Pfarrer, Schulmann, Gelehrter, Zürich 1997 — Njbl. der Gelehrten Gesellschaft in Zürich 160, S. 23. 40. Er wird die Handschrift später zurückerstattet haben, da sie sich heute mit den anderen damals von Augsburg erworbenen Handschriften in München befindet; s. oben Anm. 36. In demselben Brief berichtet Gessner ferner, dass er die fragmentarische Dionysios-Handschrift durch den Augsburger Buchhändler Gregor Mangold gleich wieder nach Augsburg zurücksenden ließ, damit Johannes Haller sie zurückgeben würde. Mangold erlitt zwar auf seiner Reise über den Bodensee einen Schiffbruch, doch konnte die Handschrift gerettet werden.
39 erlangen.
40 Wolfgang Musculus, der sich sehr um den Ankauf dieser Handschriften bemüht hatte; s. Bodenmann 376f (mit Lit.).
41 Die Adresse ist im Versmaß des elegischen Distichons verfasst (der Hexameter