[2406]
Autograph: Zürich StA, E II 370, 37 (Siegelspur): [Beilage:]1 E II 350, 295—298 (Siegelspur) Brief ungedruckt Beilage gedruckt in: Francisco de Enzinas, Verdadera historia de la muerte del santo varón Juan Díaz, por Claude de Senarclens, hg. v. Ignacio J. García Pinilla, Cuenca 2008, S. 531—533 2
[Am 23. März] schickte Haller einen dicken Brief [Nr. 2389), ehe er zwei Tage darauf Bullingers
Brief vom 12. März [Nr. 2377] erhielt. Da er bereits auf fast alle darin enthaltenenBriefe_Vol_16-303 arpa
Fragen Bullingers geantwortet hatte, kann er sich hier kurzfassen. Er dankt Bullinger für die
[in Nr. 2388]ausgeprochene Ermahnung ["Oratio de persecutione ecclesiae"?], zumal die
Verfolgung bevorsteht. — In den letzten Tagen hat nämlich ein Spanier [Alfonso Diaz] seinen
Bruder [Juan Diaz] durch den Bediensteten [Juan Prieto] grausam umbringen lassen; mehr
dazu in Georg Frölichs Brief [Nr. 2405]. Durch dieses Exempel wird man zum Gebet ermahnt,
und man erkennt, was [den Evangelischen] bevorsteht! — Manche sagen, dass die in Trient
versammelten Bischöfe einmütig Papst [Paul III.] absetzen wollen, weil dieser einen Ausverkauf
des päpstlichen Erbes betreibe, angeblich, um mit dem Geld die deutschen Ketzer zu
unterdrücken, tatsächlich aber, um das Geld an die Seinen zu verteilen. Demzufolge beraubt er
den Apostolischen Stuhl. In dieser verdorbenen Welt ist man wirklich vor nichts mehr sicher!
— Kaiser [Karl V.]heuchelt; die [Evangelischen] verstellen sich. Auf beiden Seiten fallen gute
Worte, aber innerlich ist man gegeneinander aufgebracht. Einmal wird Krieg gemeldet, ein
anderes Mal Frieden; doch ist nur Krieg zu erwarten. —[Karl V.]befindet sich noch nicht in
Regensburg, wird aber bald dort eintreffen. In der vergangenen Woche war er in Speyer, wo er
Landgraf [Philipp von Hessen]treffen sollte, was allen Guten missfällt, denn man fürchtet die
Hinterhältigkeit dieses spanischen Prahlers. Über ein Treffen von Herzog [August] von Sachsen
und [Franz] von Lüneburg in Augsburg hat Haller nichts gehört. Auch was Bullinger über
den falschen Friedrich schrieb, war ihm nicht bekannt. Auch [Georg] Frölich möchte mehr
darüber erfahren. Unser wahrer Friedrich ist Christus! — Über [Hans Wilpert] Zoller hat
Haller ausführlich in seinen letzten Briefen [Nr. 2364 und Nr. 2389] berichtet; über [Hans]
Vogler [d.J.] hat er jetzt an [Rudolf] Gwalther geschrieben. —Haller geht es gut. Er erwartet
Bullingers Antwort auf seinen letzten Brief [Nr. 2389]. —Gute Wünsche für [Konrad] Pellikan
und Theodor [Bibliander]. Haller ist froh, dass Erasmus [Schmid]auf friedliche Weise entschlafen
ist. Grüße von Hallers Frau [Elsbeth, geb. Kambli]. —[Beilage:]Abschrift eines an
einen Augsburger Bürger [...] gerichteten Briefes aus Neuburg [an der Donau]: Während
etwa vier Wochen hielt sich in Neuburg beim Prädikanten [Adam Bartholomäus] ein gelehrter
Spanier [Juan Diaz] auf der sich dem evangelischen Glauben zugewandt hatte. Als sein in
Rom lebender Bruder [Alfonso]hörte, dass [Juan] während des [Zweiten Religions]gesprächs
in Regensburg entschieden den [protestantischen] Standpunkt gegen das Papsttum vertrat,
begab er sich eilends nach [Deutschland] und kam nach Neuburg, wo er bei [Leonhard]
Rehlinger untergebracht wurde. —Alfonso versuchte, seinen Bruder vom evangelischen Glauben
abzubringen, versprach ihm ein Bistum und versuchte es auch mit Freundlichkeit; doch
alles vergebens. — Zuletzt gab er dem Bruder Geld für bessere Kleidung, küsste diesen wie
einst Judas und ließ sich von Rehlingers Kutscher Jörg [Knittel?] nach Augsburg zum Postmeister
[...]bringen. —Als am Freitag [26. März] der Kutscher, der von Siningers Sohn [...]
begleitet wurde, [auf dem Rückweg] Pöttmes erreichte, war er ganz überrascht, [Alfonso] in
Begleitung von [Juan Prieto und einem reitenden Boten aus Augsburg] beim Metzger [...] im
Wirtshaus anzutreffen. Alfonso lud den Kutscher und seinen Begleiter ein, die Nacht in Pöttmes
zu verbringen und versprach, für die Kosten aufzukommen. —[Alfonso] erwarb dann in
Pöttmes ein Beil, mietete neue Pferde und gelangte noch am selben Tag nach Feldkirchen, von
wo aus er und sein Komplize [Prieto] sich früh am nächsten Morgen nach Neuburg begaben
und [bei Rehlinger]anklopften. Als ihnen [der Hof]geöffnet wurde, klopfte der Komplize an
der Wohnung von [Juan] an und erklärte, er habe für diesen einen wichtigen Brief von seinem
Bruder. Als [Juan] beim Lesen war, schlug [Prieto] mit dem Beil auf seinen Kopf ein und
flüchtete sogleich mit [Alfonso] aus der Stadt. — Man ritt ihnen eilends bis nach Innsbruck
nach. Dort konnte sie der Kammermeister [aus Neuburg, Michael]Herpfer, festnehmen und
einkerkern [lassen]. —[Von Bullingers Hand:] Der umgebrachte Spanier hieß Juan Diaz, sein
reicher und mächtiger Bruder, ein Richter der römischen Rota, Alfonso. Der Mord wurde amBriefe_Vol_16-304 arpa
27. März zwischen 5 und 6 Uhr morgens verübt. —[Von Hallers Hand:] Bullinger soll den
Brief auch [Ambrosius] Blarer zum Lesen geben.
Salutem a domino. Biduo ante, quam tuas accepi literas priores, quae 12. martii datae sunt, 3 dimisi ego magnum literarum fasciculum, 4 in quibus ferme ad a omnia respondi, quae tu in tuis literis scire cupis; quas te interim accepisse puto. In praesentiarum ergo brevior ero. Ago autem tibi gratias maximas pro sancta illa tua adhortatione, 5 quae certe magno mihi erit solatio; iacta enim est alea b ad persecutionem. 6
Hisce enim diebus Neoburgi Hispanus quidam 7 , doctor rotae pontificiae, 8 inventum fratrem proprium 9 crudelissime per servum 10 obtruncavit, sicut ordine ex d. Laeti 11 intelliges literis. 12 Quo profecto debemus excitari exemplo ad constantiam, vigilantiam frequentiamque precum. Videmus enim, quid omnibus nobis immineat, quid nobis de nebulonibus his polliceri debeamus. Ficta enim sunt omnia, quaecunque dulciter canunt.
Dicunt quidam episcopos Tridenti congregatos unanimiter pontificem 13 deposituros, quod ita urbes et patrimonium d[ivi] Petri 14 vendat, quasi his pecuniis velit supprimere haereticos Germanos, cum tamen omnes has pecunias suis distribuat et conferat haeredibus, sicque apostolicam suis bonis defraudet sedem. Non dubium est autem, quin haec et alia omnia fiant dolo. Tam perversum est enim saeculum, ut non possim satis deplorare ingentem, quae ubique est, perfidiam. Verum nihil, certum nihil, ita ut nec amicis liceat scribere quicquam, quod non post paucos dies mendacii possit argui, et
Briefe_Vol_16-305 | arpa |
---|
scripsisse poeniteat. Miror, quis tantae fraudis et perfidiae tandem futurus sit exitus.
Simulat caesar 15 , dissimulant nostri; bona utrinque verba, animis tamen ita mutuo exacerbatis ut nihil supra. Iam nunciatur bellum, mox iterum pax, ita tamen, ut in summa pace nihil nisi bellum sperandum sit. Dominus confortet nos, ut vincamus cum eo, 16 qui moriendo vicit mundum. 17
Caesar nondum venit Ratisbonam. Fuit hac septimana adhuc Spirae. 18 Brevi tandem veniet illuc 19 . Duces, ut scribis, 20 Saxoniae 21 et Lünenburgensis 22 non fuerunt Augustae, nec de eis quicquam audivi. 23 Langravium 24 aiunt caesarem conventurum Spirae, 25 quod nullis bonis placet. Metuunt enim insidias Hispani illius greek c 26 .
||37v. Quae de Pseudo-Friderycho scribis, 27 mihi ignota sunt. Spargunt[ur]d enim nugae quaedam, sed a pueris duntaxat. Vellem scire, qua occasione hoc scripseris. Cupit idem scire Laetus. Iesus Christus est Friderychus noster, 28 verus antipapa, qui dives pacis 29 pacem donat omnibus credentibus in eum; quam tamen non eo modo, quo mundus dat, dat nobis, 30 sed per multas afflictiones oportet nos ingredi regnum coelorum. 31 Stultus mundus subinde nova quaedam invenit, quib[us] suae patrocinetur perfidiae et incredulitati.
Quod ad Zollerum 32 et Voglerum 33 , de altero copiose in proximis scripsi literis, 34 de hoc vero nunc ad Gvaltherum scripsi. 35
Briefe_Vol_16-306 | arpa |
---|
Quod vero ad res meas, bene se habent omnia. Expecto autem tuum ad proximas literas 36 responsum. 37
Vale. Salvos cupio d. Pellicanum, d. Th[eo]dorum, 38 etc. Erasmum foeliciter demigrasse 39 gaudeo. Mox, si domin[o] visum fuerit, sequemur omnes. Salutat vos uxor mea 40 . Augustae Vindelicorum, 1546 calendis aprilis.
loan. Hallerus totus
tuus.
[Adresse darunter:] Clarissimo viro d. Heinrycho Bullingero, ecclesiae Tigurinae antistiti fidelissimo, domino ac patri suo semper colendo. 41
[Beilage:]42 ||E II 350. 295 Abgschrifft eins brieffs, gesannt von Nüwenburg 43 einem burger 44 von Augspurg. 45
Mein freündtlichen gruß, etc. Lieber schwager, ich füg dir zu vernemmen, das ein spangescher 46 doctor 47 bi 48 vier wuchen hie gelegen ist undt bi dem predicannten 49 uß undt in gangen. Ist gar ein gelerter, frommer evangelischer mann geweßt. Hatt gar kein teutsch können. Nun hatt derselb ein bruder 50 zu Rom gehabt. Der ist innen worden 51 , wie 52 er zu Regenspurg sye uff der disputatzen 53 , undt wie er als gar 54 gut uff der evangelischen seiten und gar wider das papstumb sye. Da ist der mörder imm zu lieb 55 herauß postiert 56 von Rom inn 9 tagen bis hieher 57 . Da hatt man imm zum Rechlinger 58 eingfuriert 59 .
Briefe_Vol_16-307 | arpa |
---|
Da ist er bi vier oder fünff tagen gelegen 60 undt sich zu sinem bruder gethon 61 , undt gar fründtlich mitt imm gerett undt gehandlet, das er von der evangelischen sect abstee und mitt imm gen Rom ziech. So well er imm ein bistumb zu wegen bringen, das er ein jar zehen oder 15000 fl. hab. Er hatt inn aber nitt können bereden. Undt gesagt 62 , er well vom evangelio undt sacramennt inn beiderlei gestalt zu nemmen nitt wichen; er well ee 63 sin läben darumb laßen. Nun ist der pößwicht gar frundtlich mitt imm gangen 64 , undt so schon zu imm thon 65 das man sich verwunderet hatt. Aber hatt inn 66 nitt bewegen können. 67
Da hatt der pößwicht zu letst, als er gesehen, daß er nichts könnt usrichten, urlaub 68 von imm genommen, undt hatt imm 20 kronen zuletz gelaßen und gesagt, er söll sich klaiden 69 dann er ist gar schlächt gangen 70 . Hatt inn auch küßt wie Judas den herren, 71 undt ist uff deß Rechlingers wagen weg
Briefe_Vol_16-308 | arpa |
---|
gefaren undt gsagt, er well imm baldt wider schreiben. Undt der rüter 72 Jörg 73 hatt inn gefürt schlecht 74 gen Augspurg zum postmeister 75 inn. Da hatt er inn zalt undt wider faren laßen. 76
Undt als der Jörg amm fritag 77 wider herus gefaren ist undt gen Pethmes 78 kommen, da hatt er den pößwicht seib dritt zum metzger 80 imm wirtshus gefunden. Undt ist deß Siningers sun 81 mitt dem Jörgen gefaren. Undt als si habendt wellen uf sin 82 , da hatt der pößwicht mitt inn reden laßen, si söllendt ||[296] dieselbig nacht zu Pethmes bleiben. Er well inen die zeerung usrichten 83 . Das habendt si bewilliget.
Da hatt der pößwicht andere roß endtlehnet, undt ist denselben tag gen Fäldtkirch 84 geritten, undt amm fritag 85 gar frü gen Nüwenburg in die vorstat geritten, undt habendt die roß an ein zun 86 gebunden. 87 Undt ist der bößwicht mitt sinem knecht 88 hinin gangen, undt dem knecht ein brieff 89 geben, undt ein schreinerspiel 90 , das er zu Pethmes kaufft hatt. Undt hatt an der herberg anklopft undt gesagt, er hab ein brieff, den müß er dem Spanger 91 geben. Da
Briefe_Vol_16-309 | arpa |
---|
hatt man imm ufthon 92 , sindt si beidt hinin gangen, hatt der knecht an der kammer anklopft undt dem 93 gerüfft, er söll ufsteen, er müß imm ein brieff geben. Da ist er ufgestanden undt inn die stuben gangen. Undt da er am brieff gelesen, hatt der pößwicht, der knecht, das piel zuckt underm rock herfür undt hatt imms hinderwerts inn kopff geschlagen, das ers hatt müssen stecken laßen. Undt ist sin herr, deß endtleipten 94 bruder, diewyl 95 in der stegen 96 gestanden undt den streich 97 gehört. Da sindt si beidt die stegen abgsprungen zum hus undt der statt hinus, undt wider uff ire roß gsessen undt darvon gerent. 98
Da hatt man inen nachgeilt; hatts aber nitt mögen erriten 99 . Sindt also endtritten 100 bis gen Insprugk. Da haft si der camermeister, der Harpfer, 101 nider geworffen 102 undt inn gfencknuß pracht. Der hatt inen uff der post 103 nachgeilt undt da 104 ergriffen. 105 Wie es inen aber ergon 106 werd, wirt man hernach hören. 107
[Ohne Unterschrift.]
Briefe_Vol_16-310 | arpa |
---|
||297 [Anmerkung von Bullingers Hand:] Der umgebracht Hispanier hat geheyssen d. Joannes Diacius, sin bruder d. Alphonsus Diazius, iudex rotae apostolicae 108 , ein gwaltiger 109 , rycher papist. Das mordt ist beschähen 27. martii morgens zwüschen 5 und 6. ||[298] [Adresse:] D. Bullinger.
[Darunter von Hallers Hand:] Da etiam d. Blaurero 110 , ut legat.
[Darüber über Kopf von Bullingers Hand:] Wie der Diazius zu Nuwenburg ermurt 111 .