Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2431]

Bullinger an
Oswald Myconius
Zürich,
26. April 1546

Autograph: Zürich StA, E II 342, 148 (Siegelabdruck) Ungedruckt

Es freut Bullinger, dass sein Brief [nicht erhalten] willkommen war. Kaiser [Karl V.] wird den [Evangelischen]solange schmeicheln, bis er einen triftigen Grund gefunden hat, sie anzugreifen. Es stimmt, dass er den Kölner [Erzbischof Hermann von Wied] mit seinen Mandaten plagt. Aus dem Brief [Nr. 2419] eines Freundes [Peter Medmann] und aus einem gedruckten "Transsumpt", die Bullinger heute von einem gelehrten Kölner und Bonner Kanoniker [...]erhielt, geht dies auch hervor. Herzog [Ulrich] von Württemberg hat sich mit

b Hier und unten Textverlust infolge Papierverlusts.
36 Johannes Blasius, der selbst kein Empfehlungsschreiben für seinen Sohn verfasst hatte, begleitete diesen nach Zürich. Dies geht aus Johannes Comanders und Johannes Pontisellas Briefen vom 27. April (Nr. 2434 und Nr. 2436) hervor.
37 Das stadt uns ... zu verglichen: Es ziemt sich, dass wir euch dies vergelten.
38 Gemeint ist der Gotteshausbund.
39 abschließend, daraufhin.
40 mit ... insigel ... verwart: mit einem Siegel rechtskräftig gemacht.
41 Luzi Heim.
42 Zuoz.
43 Wilhelm Muggli.


Briefe_Vol_16-375arpa

dem nach Regensburg eilenden Kaiser getroffen. Zum Inhalt ihres langen Gesprächs ist nichts bekannt. [Karl V.] will den Schmalkaldischen Bund behindern und zerstören. Wenn nur einige Stände und Städte des Bundes nicht schwanken würden! In Donauwörth wurde der Kaiser freundlich empfangen. Die dorthin abgesandten Augsburger Ratsherren, an der Spitze die [Alt]bürgermeister [Hans] Welser und [Jakob]Herbrot, wurden von dem gewandten Kaiser mit wundersamer Zuneigung empfangen und mit honigsüßen Worten verabschiedet. Eine Einladung nach Augsburg schlug der Kaiser nicht aus. Den Einwohnern Donauwörths erlaubte er, ihm "bei Gott und dem heiligen Evangelium" den Treueid zu schwören. Der Kaiser hat noch Großes vor. Myconius soll nicht alles ihm von Bullinger Anvertraute sogleich den [Basler]Ratsherren mitteilen. Es stimmt, dass [Anton]Fugger Italienisch gut gefällt. Würde ihm doch nur das [von Bernardino Ochino] in dieser Sprache verkündete Evangelium eines Tages auch gefallen! [Aber]die Kaufleute verehren [leider]Merkur, den Gott [des Gewinns]. Mit seiner [früheren Bemerkung über]die "Walchen"[Fremden]wollte Bullinger die [Basler] ermahnen, nicht all diese tückischen Menschen zu sich zu lassen. In der vergangenen Woche kam der Siebenbürger [Antun Vrancic], Haushofmeister und Hofrat von Königin Isabella [Jagiellonica], der Witwe des Königs Johann [Zápolya], in Begleitung eines Portugiesen [...]nach [Zürich]. Beide erzählten, wie warmherzig sie in Basel empfangen wurden und dass sie dort Gelehrte besuchten. Sie sprachen lange mit [Konrad]Pellikan und Bullinger über das Abendmahl. Sie sind auf dem Weg nach Trient. Bullinger ist derzeit vom vielen Predigen erschöpft. Seit er in Zürich ist, waren Bittgottesdienste, Predigten und Abendmahlsfeier nie besser besucht als jetzt.

Gratiam et pacem. Gratissimum vero mihi, colendissime mi Myconi, quod intelligo meas 1 tibi esse gratissimas. Proficiscitur hoc ex amore erga me singulari. Dominus Iesus adaugeat in nobis dilectionem suam veram.

Caesar 2 blanditiis nostros tantisper demulcebit, donec iustam indeptus saeviendi occasionem explere, quod libuit diu, liceat tandem. Verum est omnino, quod scribis, caesarem gravissimis mandatis divexare Coloniensem 3 . Hodie enim a canonico quodam Coloniensi et Bonnensi, viro docto, 4 exemplum transsumpti, ut vocant, impressum 5 accipio una cum literis amici declarantibus 6 caesarem exacerbatissimo esse animo tum in Coloniensem, tum in evangelicos omnes. Equidem testibus opus non habet, cum facta eius extent satis immania.

Dux Wirtenbergensis 7 properantem 8 Ratisbonam honorificentissime excepit. Diu colloquti sunt. 9 De quibus rebus, dubitatur.

1 Nicht erhalten; s. Nr. 2428 und Anm. 1.
2 Karl V.
3 Erzbischof Hermann von Wied. — Hier wird auf Nr. 2428,22f, angespielt.
4 Unbekannter Briefüberbringer. — Zu einer weiteren Gesandtschaft von Köln nach Zürich vgl. Nr. 2448.
5 Das von Johann von Oell, dem Notar des Domkapitels Köln, verfasste Transsumpt- und Insinuationsschreiben (s. Schlüter 37f. 298, Nr. 188) zur "Declaratoria Sententia" Karls V. (s. Nr. 2381, Anm. 11).
6 Wohl der Brief des im Dienst des Erzbischoffs
stehenden kurkölnischen Rats Peter Medmann an Bullinger vom 10. April 1546 (Nr. 2419).
7 Herzog Ulrich von Württemberg.
8 Kaiser Karl V. Er war am 10. April 1546 in Regensburg eingetroffen; s. Nr. 2331, Anm. 3.
9 Wohl ein Gerücht. Auch in Nicolaus Mameranus, D. Caroli V. iter ex inferiore Germania ab anno 1545 usque ad comitia apud Augustam Rheticam indicta ..., Augsburg 1548 (VD16 M438), ist nichts darüber zu finden.


Briefe_Vol_16-376arpa

Totus in hoc est caesar, ut Schmalkaldiense foedus vel impediat vel artibus dissipet. Atque utinam non nutent hodie ordines sive urbes aliquot illius foederis; sed de his nihil iam amplius. Werdam 10 ubi venit ad Danubium a , amicissime exceptus est. Profecti eo fuerant Augustani aliquot senatores praeeuntibus consulibus Welsero 11 et Herbroto 12 salutatum maiestatem eius. Excepit eos miro cum affe[c]tu b caesar, ut est versutissimus, dimisitque eos verbis mellitissimis. Illi ipsum invitarunt Augustam. Respondit se absolutis comitiis 13 , si res eius ullo modo ferant, adventurum nihil non pollicens. Postridie 14 exegit sacramentum a civibus Werdae c ac caussantibus iis religionem caesar de forma nihil litigavit, sed hanc exegit for[m]am: "Das mir gott also hälff und das heilig euangelion." Ita discessit. Expectamus, quid effecturus sit; nam conatur magna.

Nolim autem, mi Myconi, ut protinus mea omnia, quae tibi credo, communices senatoribus certas ob caussas. 15

Recte iudicas Italicam linguam Fuggero 16 placere. Utinam aliquando placeat et evangelium, quod lingua praedicatur! Mercatores deum tutelarem Mercurium 17 habent, quem et colunt et imitantur. Intelligis, quid velim.

Der Walchen halb 18 meinen ichs also, das ir das untrüw faech 19 und die bösen buben nitt alle zyt und alle zu üch lassind, damitt üch von inen nitt ettwan ein schmach beschäch. Sy sind voller dücken.

Praeterita septimana venerunt ad nos praepositus Transsylvanus, 20 reginae Ungariae, viduae regis Ioannis 21 , a consiliis, una cum Portegalensi quodam

a Aprilis am Rande ohne Einfügungszeichen nachgetragen.
b Hier und unten Textverlust durch Papierverlust.
c Werdae am Rande nachgetragen.
10 Donauwörth. — Die Vorlage zu den hier übermittelten Nachrichten ist Nr. 2422,6—13.
11 Altbürgermeister Hans Welser.
12 Altbürgermeister Jakob Herbrot.
13 Der Regensburger Reichstag; s. Nr. 2331, Anm. 3.
14 Der 7. April; s. Nr. 2422,11.
15 Myconius hatte nämlich dem Basler Ratsherrn Bernhard Meyer zum Pfeil eine Vermutung Bullingers mitgeteilt; s. Nr. 2428,31—33.
16 Anton Fugger; vgl. Nr. 2428,41—43.
17 Merkur, römischer Gott des Handels und Gewinns; s. DNP VIII 1—4.
18 Anspielung auf Nr. 2428,49.
19 faech (fech; vich): Vieh. —Vielleicht hatte Bullinger, ehe er Myconius' Briefstelle Nr. 2428,51f, gelesen hatte, vernommen, dass Antoine Morelet du Museau vorhatte, ein Haus in Basel zu kaufen. Außerdem könnten hier auch die durchziehenden Söldnerführer gemeint sein.
20 Antun Vrancic (Antonius Verantius, Antal Verancsics, Antonius Wranczy), "praepositus ac a secretis regis Hungariae", wie dies aus einem Dokument vom 1. August 1533 hervorgeht; s. Joseph Valentinelli, Regesten zur deutschen Geschichte (Schluss), in: Abhandlungen der Historischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 9, München 1866, S. 704, Nr. 987. Am 25. Januar 1546 ist er auf einer diplomatischen Mission bei König Franz I. in Paris bezeugt; s. Milenko Loncar und Diana Soric, Pismom protiv nepozeljnih citatelja kodirane poruke Mihovila i Antuna Vrancica, in: Colloquia Maruliana 22, 2013, 50—53. Aus den weiter unten übermittelten Angaben geht hervor, dass er auf seinem Rückweg durch Basel, Zürich und Trient gereist ist. Am 20. Juni war er in Venedig; s. Antal Verancsics Osszes Munkái, hg. v. László Szallay, Bd. 6, Pest 1860, S. 186—195.


Briefe_Vol_16-377arpa

22 , ac contulerunt cum Pellicano et mecum multis de eucharistia. Contendunt Tridentum. Dicebant se etiam ||148v. Basileae fuisse et invisisse doctos, ac praedicabant vestram humanitatem.

Festinandum mihi fuit. Paucula ergo haec boni consule. Vive et va[l]e. Ego his diebus praedicando ita sum defatigatus, ut prorsus langueam. Nec unquam, quoad Tiguri fui, frequentiorem vidi ecclesiam et in precibus concionibusque et in coena domini atque nunc. 23 Vale iterum.

Tiguri, 26. aprilis ad 4. pomeridianam 1546.

Bullingerus tuus.

[Adresse darunter:] Praestantissimo viro d. Osvaldo Myconio, Basiliensis ecclesiae fidelissimo antistiti, suo in domino semper colendo fratri et domino. Basel.

21 Isabella Jagiellonica, Königin von Ungarn, Witwe von Johann Zápolya.
22 Unbekannt.
23 Am 25. April war Ostersonntag.
1 Entgegen Traugott Schieß (s. Graubünden, Korr. I 95), aber in Übereinstimmung mit Johann Jakob Simlers Randbemerkung in seiner Abschrift des vorliegenden Briefes (Zürich ZB, Ms S 60, 63)
ist hier Paulus Blasius, der Sohn von Johannes, gemeint, was ein Vergleich dieses Briefes mit dem zwei Tage zuvor verfassten Empfehlungsschreiben der Schulherren von Chur (Nr. 2430) ebenfalls nahelegt. Heims Angabe über seine Vormundschaft lässt ferner darauf schließen, dass Paulus' Mutter zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war.