Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2533]

Georg Frölich
an Bullinger
[Augsburg],
11. August 1546

Autograph: Zürich StA, E II 345, 339 (Siegelspur) Ungedruckt

Da sich mit Hans Vogler [d.Ä.]ein so geeigneter Berichterstatter gefunden hat, war Frölich im Zweifel, ob er überhaupt schreiben sollte. Denn Vogler hat die Kriegsrüstungen, von denen Frölich nur durch Hörensagen erfährt, mit eigenen Augen gesehen. [Im Lager]befinden sich zehn Fürsten, darunter Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, dessen Sohn [Johann Friedrich II. der Mittlere]und des Kurfürsten Bruder [Johann]Ernst [von Sachsen-Coburg], Landgraf Philipp von Hessen, Herzog Franz von Anhalt [richtig: Franz von Braunschweig-Lüneburg oder Wolfgang von Anhalt], Fürst Ernst von Braunschweig-[Grubenhagen], ein weiterer Fürst von Grubenhagen sowie ein Graf von Henneberg. Weitere Namen hat Frölich vergessen. Herzog Ulrich von Württemberg liegt in Dillingen an der Gicht darnieder. Bald wird er aber dem [schmalkaldischen] Heer folgen. Der Landgraf hat sich mit ihm in Dillingen getroffen. [Das Heer] ist riesig. Freilich darf man nicht darauf sondern allein auf Gott vertrauen! Die [schmalkaldischen Verbündeten]ziehen heute über den Rubikon, d.h. über den Lech, und schlagen ihr Lager bei dem Städtchen Rain in Bayern auf das von Herzog [Wilhelm] von Bayern und Kaiser [Karl V.]gehalten wird. Heute oder morgen greifen sie [Rain] an. Der Herzog würde lieber neutral bleiben, wird aber seine Gesinnung bald verraten müssen. Der Kaiser hat eine beträchtliche Verstärkung durch die räuberischen und sodomitischen Italiener erhalten. Bis jetzt ist noch nicht klar, ob er angreifen oder fliehen wird. Von Regensburg ist er nach Landshut gezogen. Bullinger soll, wie einst Moses für Israel, beständig beten! Der [Krieg] kann gar nicht als ernst genug angesehen werden, denn er wird eine Veränderung im deutschen Reich nach sich ziehen. Die Fürsten, vor allem [Johann Friedrich] von Sachsen und [Philipp von]Hessen, sind zuversichtlich. Im [schmalkaldischen] Heer ermahnen Prediger die meist anständigen Soldaten zur Frömmigkeit, was Frölich sehr freut. Gruße an die Bürgermeister [Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater], den Stadtschreiber [Hans Escher vom Luchs], [Rudolf] Gwalther und die [Zürcher Gelehrten]. [P.S.:] Frölich ist besorgt wegen der Streitigkeit zwischen den Eidgenossen. Kaiser und Papst [Paul III.] sind daran schuld. Die [protestantischen Eidgenossen] sollen sich von ihren katholischen [Verbündeten] nicht provozieren lassen, sondern den Kriegsausgang abwarten.

S. Cum mihi tam idoneus contigerit interpres, imo viva epistola, vir ornatissimus dominus Ioannes Vogler Tigurinus 1 , hesitavi, num tibi, frater devinctissime, scribendum an potius modicum illud, quod scribo, tabellario committendum fuit. Nam is ea, quae ego vel scriptis vel relatione aliorum percipio, oculis suis magna ex parte vidit et testari potest, presertim quae ad bellicos apparatus, equitatum, peditatum et munitiones pertinent. 2 Adsunt principes decem: Ioannes Friderichus, dux Saxoniae elector; Philippus, landgravius Hessie; electoris filius 3 et frater Ernestus 4 ; Franciscus dux ab Anhalt 5 ; princeps Ernestus a Brunschvig; 6 princeps quidam a Grubenhagen; 7 a [etiam] comes quidam [a]b Hennenberg a8 . Aliorum nomina nunc mihi non occurrunt.

a- a Am Rande nachgetragen und im engen Einband z. T. verdeckt; Fehlstellen ergänzt aus der Abschrift von Johann Jakob Simler (Zürich ZB, Ms S 61, 75).


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Dux Ulrichus a Wirtemberg Dilinge b , dum iter ad alios principes facit, podagra decumbit, sed brevi exercitum sequetur. 9 Landgravius Dilinge ipsum convenit. 10 Ingens quippe numerus est, ingens manus. 11 In quibus tamen omnibus nihil confidemus, sed in triumphatorem unicum et fortem deum solum sperabimus c . 12 Caetera tantum instrumenta et media sint.

Hodie primum transcenditur Rubicon, 13 hoc est nostri traiiciunt Lycum 14 et castrurn d metant in Boioaria ad oppidum Rhain, 15 quod forti presidio custoditur, a nostris vero hodie vel cras oppugnabitur. 16 Nam non ducis Boioariorum e17 solum, sed etiam caesaris 18 milite occupatur. Dux Boioarie mallet esse neutralis quam alterutrius f partes fovere, 19 sed brevi cogetur animum prodere suum.

caesar latronibus et zodomitis 20 Italis non contemnendis stipatus est copiis 21 An vero prelium initurus sit vel fuga sibi consulturus, adhuc nescitur.

b In der Vorlage Dilinge. —
C sperabimus über der Zeile nachgetragen.
d In der Vorlage castram.
e In der Vorlage Boiariorum. —
f utr über der Zeile nachgetragen.
1 Hans Vogler d.Ä verließ Augsburg einige Tage nach Abfassung dieses Briefes; vgl. Nr. 2531, Anm. 1.
2 Siehe Voglers ausführlichen Bericht in Nr. 2531. Johann Friedrich II. der Mittlere von Sachsen.
4 Johann Ernst von Sachsen-Coburg.
5 Sic! — Gemeint ist entweder Herzog Franz von Braunschweig-Lüneburg-Gifhorn oder dann Wolfgang von Anhalt; vgl. Nr. 2524,35-40; Nr. 2531,10-16.
6 Ernst III. (IV.) von Braunschweig-Grubenhagen; vgl. Nr. 2524, Anm. 27; Mameranus, Rebel. B3v.
7 Vermutlich Herzog Philipp I. von Braunschweig-Grubenhagen, der Vater von Ernst von Braunschweig, oder einer der Brüder von Ernst.
8 Graf Christoph von Henneberg (1510— 1548); s. Mameranus, Rebel. B4v. Zu diesem s. Günther Franz, Graf Christoph von Henneberg, Heidelbergs Rektor im Jahre des Bauernkriegs, in ZGO 89, 1936, 58-73. — Beteiligt am Krieg war auch Joachim von Henneberg, der aber nicht als Graf bezeichnet wird; s. Marneranus, Rebel. Bw. Zu diesem s. Heike Preuß, Söldnerführer unter Landgraf Philipp dem Großmütigen von Hessen (1518-1567). Aufbau und Verwaltung einer personalen Friedensorganisation in Kriegssachen, Darmstadt 1975, S. 50. 95. 516.
Vom 5. bis zum 12. August befand sich Herzog Ulrich in Dillingen; s. Leo Ignaz von Stadlinger, Geschichte des Württembergischen Kriegswesens von der frühesten bis zur neuesten Zeit, Stuttgart 1856, S. 239.
10 Am 5. August, eher in Donauwörth; vgl. Nr. 2527, Anm. 48.
11 Zur Truppenstärke der in Donauwörth versammelten Schmalkaldener s. die widersprüchlichen Angaben in Nr. 2529,23— 25, und Nr. 2531,17-19.
12 Vgl. 2Sam 22, 3.
13 Vgl. Wander III 1751 s.v. Rubikon.
14 Den Lech.
15 Vgl. Nr. 2531,32-36. Andere zeitgenössische Quellen datieren der Beginn dieser Belagerung auf den 9. August; s. Paulus, Schertlin 63 und Anm. 103.
16 Rain wurde am 10. oder 11. August eingenommen; s. den Brief des Rats von Konstanz an den Rat von Zürich, 18. August 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 24). Siehe ferner Nr. 2538,25f; Schüz, Donaufeldzug 28.
17 Herzog Wilhelm IV. von Bayern.
18 Karl V.
19 Zur listigen Haltung des Herzogs von Bayern s. Nr. 2467, Anm. 4; Nr. 2530, Anm. 29; Nr. 2531, Anm. 41.
20 = sodomitis.
21 Zum päpstlichen Heer s. zuletzt Nr. 2529,2-4.


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Ratisbonam ipse dereliquit et contulit se ad Landhut g , civitatem Boioarie. 22 Nostri statuerunt illi nacta oportunitate quamprimum obviam et contra ire. Tu, queso, obtestor atque obsecro, nunc sis Moses noster 23 et ora pro liberatione Israel. Non solum gladio, prece sed quoque vincitur hostis. Ardua siquidem res est et major, quam edici potest. Nam hanc tragediam certa immutatio imperii Germanici sequetur. Dominus servet simpliciter ambu- tantes in lege sua! Amen.

Principes nostri, praesertim Saxo et Hessus, sunt magnanimes et laeti in domino. Praeterea audio exercitum nostrum per contionatores 24 ad pietatem sedulo moneri militemque adesse satis tractabilem et pium; id quod me valde delectat.

Vale et salutem ex me dicito d. consulibus 25 , archigrammateo 26 , Gvalthero et toti musarum corone 27 . 11. augusti 1546.

Tuus G. Laetus, etc.

Flagrare inter vestros dissidia gravatim audivi, 28 praesertim cum argumentum eius rei ex ista caesaris et pape 29 seditione pessima oriatur. Videte, ne manus conseratis, sed calumnias potius papistarum toleretis, donec victoria alterutrius partis hic emicuerit. Vale, etc.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro domino Henricho Bullingero, anthistiti Tigurino, incomparabili amico et fratri.

g In der Vorlage Landhut.
22 Karl V. brach am 3. August von Regensburg auf und traf am 4. in Landshut ein, um sich mit den Truppen aus Italien zusammenzuschließen, was bis zum 13. geschah (s. Nr. 2531, Anm. 43). Am 15. brach er wieder nach Regensburg auf; s. Viglius van Zwichem 53f; Stälin 579; Stadlinger, aaO, S. 242; Nr. 2541,32f.
23 Anspielung auf Ex 17, 8-13; s. schon Nr. 2523,59.
24 Als Feldprediger wirkten damals u.a. Johann Flinner, Johann Meckart und Johan
nes Piscatorius; s. Nr. 2524 und Anm. 44; Nr. 2527,107.
25 Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater.
26 Hans Escher vom Luchs.
27 Gemeint sind die Zürcher Gelehrten; vgl. Nr. 2453, Anm. 74.
28 Anspielung auf die Meinungsverschiedenheit zwischen den protestantischen Stadtkantonen und den Neun Orten; s. zuletzt Nr. 2524,10-32.
29 Paul III.