Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2609]

Hartmann von Hallwyl
an Bullinger
Höchstädt a.d. Donau,
5. Oktober 1546

Autograph: Zürich SIA. E II 360, 4051 (ohne Siegel) a Ungedruckt

[1] Die [Schmalkaldener] zogen am 3. Oktober von Donauwörth dem Kaiser [Karl V.] entgegen, der sich in Richtung Nördlingen bewegte. Am 4. Oktober wurde frühmorgens im Nebel sehr stark gekämpft. Die [Schmalkaldener] haben die Stadt Nördlingen besetzt und sich auf einer nahe gelegenen Höhe positioniert. Als sich der Nebel verzog, waren beide Heere nur eine Viertelmeile voneinander entfernt und nur durch einen Bach getrennt. Die Heere stellten sich in Schlachtordnung auf Die [Schmalkaldener] machten einen Vorstoß, doch der Kaiser zog sich auf eine Anhöhe zurück, gegen die man nicht anzustürmen wagte. Es wurde bis nachts weiter gekämpft. Am 5. Oktober blieb es vormittags ruhig. Wegen des unvorhersehbaren Verhaltens des Kaisers kann man nicht wissen, was der Abend bringen wird! [2] [Kurfürst Friedrich II. von der] Pfalz und [Herzog Ulrich von] Württemberg haben große Truppen. Herzog Moritz von Sachsen befiehlt über 2000 Pferde sowie 6000 Knechte und kann überall die Landbevölkerung verfügbar machen. Falls er nach Donauwörth ziehen will, wird sein Volk wohl gut geschützt sein. [3] Gott erbarme sich des Landvolkes, das von den kaiserlichen

a Mit Schnittspuren. Keyßer sein und ein leichtfertig Oberkeyt under Geystlichen und Weltlichen. Aber von wegen der Geystlichen und der Römer werden sye [die weltlichen Obrigkeiten] sein wider denselbigen gewalt. Aber derselbig dürfft wol den kindischen Keyßer und sein freüntschafft [Verbündeten] umb das Keyßerthumb bringen eine Prophezeiung, die auch in Täuferkreisen bekannt war; s. Briefe und Schriften oberdeutscher Täufer, 1527— 1555, hg. y. Heinold Fast und Martin Rothkegel, Heidelberg 2007 — QGT XVII, Reg. s.v. Gleicheisen. — Ob hier ein Zusammenhang mit dem von Melanchthon in einem an Andreas Osiander gerichteten Brief vom 13. August zugesandten "vaticinium" besteht, bleibt offen: "Mitto vaticinium non confictum, sed a domino Pomerano descriptum ante annos aliquot Brunswigae; et habemus alia"(MBW-T XV 408).
6 Wohl einen Brief an den damals in Lindau wohnenden und Enzinas gut bekannten Hieronymus Sailer; vgl. HBBW XVI 96f, Anm. 1; XVII 195, Anm. 2.
1 Lkr. Dillingen ad. Donau, Schwaben, 20 km südwestlich von Donauwörth und 30 km südlich von Nördlingen, in dessen Nähe sich damals die beiden Lager befanden. —Hallwyl traf erst am Abend des 6. Oktober im Lager der Schmalkaldener ein, ehe er sich dann am 7. in Nördlingen niederließ; s. Heinrich Thomann an den Zürcher Rat, 7. Oktober (Zürich StA, A 177, Nr. 70). Einige seiner Berichte aus dem Lager an seine Obrigkeit sind erhalten in Michael Stettler, Berner Chronik, 1544 (Bern StA, DQ 11), Bd. D, 1541-1550, f. 167ff.


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Truppen so sehr durch Brand, Mord und Vergewaltigung heimgesucht wird! [4] Das beigelegte Nachrichtenblatt möchte Bullinger zusammen mit einer Mitteilung über Hallwyls Wohlergehen dem Landschreiber von Lenzburg [Hemann Haberer] zukommen lassen. Dieser soll die Nachrichten auch Hallwyls Bekannten mitteilen. [5]Hallwyl kann nicht viel schreiben.

Min dinst, lieber b her und frewndt. Den 3. octobris ist unser volck 2 zw Donenwerdt ufgeprochen, dem keysser 3 , der allen seinen hauffen uff Norlingen gricht hat, bei tag und nacht bezogen 5 . Morndrigs 6 den 4. am morgen im nebel fast 7 starck gscharmützt. 8 Handt 9 ingenomen die statt Norlingen und den nechsten berg 10 darbei. Und nachdem der nebel ufgangen, sindt beidersitz 11 hauffen in ebnem feldt, nit me den ein kleiner bach 12 dazwüschen, uff ein viertel mil wegs 13 von ein andern gelegen. Handt beidersitz ire schlachthauffen ze roß und fuß, als muse es geschlagen sin, verordnet. Und nachdem die unsern mitt iren ordnong gegen dem findt getrüngen, hat sich der keysser nebent sich an ein berg in vorteil 14 gezogen, darum in die unsern nit wellen angriffen. Ist bedersitz fürer 15 starck gescharmützt bis in die nacht. 16 Den 5. octobris ist newtt sonders namhaftig bis uff den mittag verloffen, dan das jettweder 17 , wie er ze nacht hiefor, beliben. Got weist, was der hell obent 18 geben wirt. Niemantz kan sich uß des keyssers fürnemen verrichten. 19 Ich hoff zw gott, wo er ußziehen 20 , werde er findt 21 gnog finden.

Ich vernim, Pfaltz 22 und Wirttenberg 23 sollent samenthaft 24 starck uff sin. Darzw hatt hertzog Moritz 25 2'000 gerüster pferdt und 6'000 knecht und sin

b In der Vorlage leiber.
2 die schmalkaldischen Truppen.
3 Karl V.
4 Nördlingen.
5 entgegenmarschiert. — Zur Sache s. Nr. 2607, Anm. 31; Nr. 2613,27-44; sowie den Brief von Heinrich Thomann an Zürich vom 3. Oktober 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 62), der auch die Stunde des Aufbruchs (12 Uhr) angibt. Vgl. aber Nr. 2616,391.
6 Am folgenden Tag.
7 sehr.
8 Siehe dazu Schüz, Donaufeldzug 61f.
9 Gemeint sind die Schmalkaldener, die allerdings Nördlingen nicht einnahmen, sondern einige Truppeneinheiten dahin entsandten, um die Stadt vor einem Überfall des Kaisers zu schützen. Vgl. auch Nr. 2612,121-126; Nr. 2616,45-47.
10 Hügel. — So auch Thomann in dem oben in Anm. 5 erwähnten Brief.
11 von beiden Seiten; s. SI VII 1464.
12 Die Eger; vgl. Schüz, Donaufeldzug 62f
mit Skizze 6; Viglius van Zwichem 134 (unter dem 4. Oktober: "fossa et fluvius Eger, duplex impedimentum"); Nr. 2616,58-71.
13 Also etwa 2 km.
14 vorteilhafte Lage.
15 weiter.
16 Zu den Kämpfen am 4. Oktober s. Schüz, Donaufeldzug 61-64 sowie den Brief von Heinrich Thomann an Zürich vom 4. Oktober 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 63).
17 jeder (von beiden).
18 hell obent: der volle, ganze Abend; s. SI II 1139.
19 Zu verstehen: Niemand versteht, was der Kaiser vorhat; s. SI IV 746; VI 430 (unter 10a).
20 attackiert.
21 Feinde.
22 Kurfürst Friedrich Il. von der Pfalz.
23 Herzog Ulrich von Württemberg.
24 insgesamt.
25 Moritz von Sachsen, von dessen verräterischen


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landtvolck also, wo er, ||406 das er allenthalb finden, gnug finden wirt. Wil er dan wider hinder sich 26 uff Donenwerdt, acht, es 27 solle ouch versechen 28 sin.

Der herre gott welle sich der armen landtleutten erbarm[en]c , welche dermassen mitt mortt, brandt und nottzog 29 genötiget und verderbtt 30 werden von des tyrannen 31 volck, das nüt gnugs[am]d mag usgesprochen werden. Pittent alle den herren got, er sin zorn abwende.

Thundt so wol und verschafent disere zitung 32 dem landtschriber zw Lentzburg 33 zw komme, dann 34 er semlichs 35 minen frewnden und nachpuren anzwzeigen habe sampt meinem wolstandt 36 .

Datum Höchstett, den 5. octobris in 46. Ich hab nit zit noch platz, fil ze schriben.

E[urer]williger Hartman von Halwil.

[Ohne Adresse.]