Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2664]

Hartmann von Hallwyl
an Bullinger
Im Feldlager bei Giengen,
8. November 1546

Autograph: Zürich StA, E II 360, 411 (Siegelspur) Ungedruckt

[1]Am 5. ist die [von Johannes Sturm geleitete]Gesandtschaft, die im Namen der [Schmalkaldener] mit Frankreich verhandelt, im Lager eingetroffen. Es wäre unvorsichtig, schriftlich über das Ergebnis ihrer Mission zu berichten. Wichtig ist aber, wenn die Zürcher verstünden, dass man [mit Frankreich] nicht einen offensiven Militärpakt anstrebt, sondern einen defensiven: Sollen die Rechte und die Gebiete Deutschlands, Frankreichs oder der Eidgenossen [durch Kaiser Karl V.] gefährdet sein, verpflichtet man sich zu gegenseitigem Beistand. [2] Wie man die Eidgenossen, die eines anderen Glaubens sind, zu solch einem Vertrag überzeugen kann, wird man später erfahren. Man hofft dabei auf Gottes Hilfe. Bullinger möge sich jedoch mit seinen Freunden bereits Gedanken dazu machen. Auf seiner Heimreise wird Hallwyl ausführlicher darüber sprechen. [3]Herzog Moritz von Sachsen hat dem Kurfürsten [Johann Friedrich von Sachsen] den Krieg erklärt. Er konnte seine Verschlagenheit nicht länger verbergen. Hallwyl sendet den Ratsherren von Zürich eine Kopie von Moritz' Absagebrief Gott möge die Seinen vor der List dieser Welt bewahren.

Geliepter her und frewndt, den 5. dis sindt die menner 1 , so von diser stenden 2 wegen gegen 3 Franckrich gehandlet, bei uns im leger wider ankommen. Das ußrichten irer last sich 4 nit alles der feder befelchen 5 . Was mich aber fur gutt angesechen, euch ze wussen, ist dis: Man handlet de foedere defensivo et non offensivo der gestalt, das Teutschlandt, Franckrich und gemeine Eidgnoschaft sich (zw errettong irer landen, leutten, freyheitten wider allen tyrannischen gwalt) a hilf, rau und beistandt einandern thun sollent. 6

Was gestalt aber das bei den Eidtgnossen, die sunst der religion halb so gar zertrent, ze erheben 7 , wirtt beschechen durch den 8 , der sunst alles das, so er begert, bei ettlichen weist uszepringen 9 . Was gestalt das beschechen, werdent ir hernach vernemen. 10 Uff dis zeit sige gnuog, euch darum so fil

a Hier und unten Klammern ergänzt.
1 Johannes Sturm und seine Begleiter. — Sturm stand damals im Namen der Schmalkaldener in Verhandlungen mit Frankreich. Sébastien de l'Aubespine, Abt von Bassefontaine, der Gesandte König Franz' I. von Frankreich bei den Schmalkaldenern, scheint schon im Lager gewesen zu sein; s. Mentz III 553, Nr. 72, unter f., PC IV/1, Nr. 444. 450.
2 Gemeint sind die Stände des Schmalkaldischen Bundes. mit.
4 Das ußrichten irer last sich: Was sie ausgerichtet haben, lässt sich.
5 anvertrauen.
6 Siehe dazu schon Hallwyls Überlegungen in Nr. 2648,21-49.
7 ze erheben: zu erreichen.
8 Gemeint ist Gott.
9 zu vollenden. —Vgl. Eph 3, 20.
10 Mit einem Schreiben vom 9. November (Zürich StA, A 177, Nr. 129) übte seinerseits der Berner Rat Druck auf Zürich aus und verlangte vom Zürcher Rat, dass dieser im Namen der Vier Städte einen Brief an die Fünf Orte verfasse (weil solch ein Brief der "Erhalltung gmeiner loblicher Eydgnosschafft, ouch frid, ruw


Briefe_Vol_18-250arpa

furwarnet haben, damit ir deren sachen mitt ewern vertrawten frewnden nachgedenckes habent. So wenig aber dis noch der zeit ußpricht, 11 , so weger 12 (wan mir der herre got heim hilft 13 ) wil ich furderlich selbs bericht geben.

Hertzog Moritz zw Sachßen hat dem churfursten 14 abgesagt 15 . Hat lenger sin bös gemütt nit mugen verbergen. Ein copei der absagong 16 werdent ir bei den hern des ratz 17 finden. Die kinder diser welt handlent nach irer listigen artt allenthalb. 18 Wundergeschwinde 19 pracktica wirt die zit alles erofnen. 20 Der herre gott welle die sinen erhalten.

Dattum Giengen im feldtleger, den 8. tag november im 46. jar.

Hartman von Halwil.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolgelerten, getrawen hern Heinrich Bullinger, predigern zw Zwrich, meinem geliepten hern und frewndt. Zwrich.

unnd einigkeyt zum aller höchstenn diennlich"sei), mit dem den Empfängern ausdrücklich versichert würde, dass man gegen sie nichts Feindliches vorhabe, sondern im Gegenteil sich strikt an die mit ihnen abgeschlossenen Bündnisse halten wolle.
11 bekannt wird.
12 so weger: desto besser.
13 Zu dieser geplanten Heimreise s. Nr. 2648, Anm. 44.
14 Johann Friedrich I. von Sachsen.
15 den Krieg erklärt. — Angesichts der Tatsache, dass Karl V. die Acht gegen Kurfürst Johann Friedrich vollzog und König Ferdinand I. Kursachsen auch ohne albertinische Unterstützung angreifen wollte, entschloss sich Moritz, seine Neutralität im Schmalkaldischen Krieg mit dem Abschluss des Prager Vertrages vom 19. Oktober 1546 zugunsten der habsburgischen Partei aufzugeben. Damit erfolgte auch Moritz' Besetzung der ernestinischen Gebiete; s. Moritz von Sachsen PK 11/2 475-479.
16 Der Absagebrief (Kriegserklärung; s. SI VII s.v. absagen) wurde dem Kurfürsten vom Gesandten des Herzogs am Freitag 5. November im Feldlager bei Giengen übermittelt; s. Heinrich Thomann an den Zürcher Rat, 7. November (Zürich StA, A 177, Nr. 126). — Der Brief Moritz' datiert vom 27. Oktober. Dabei handelt es sich nicht um eine offene Kriegserklärung, sondern vielmehr um eine Rechtfertigung
von Moritz' Verhalten. Die oben erwähnte Kopie dieses Briefes befindet sich in Zürich StA, A 193, Nr. 15 (Abschrift von Bullingers Hand in Zürich ZB, Ms A 43, 501f; Druck des Briefes in Moritz von Sachsen PK 11/2 902f., Nr. 1040).
17 denen Hallwyl also damals ebenfalls schrieb. — Am 3. November überreichte Hallwyl nämlich (anstelle des seinerzeit kranken Zürcher Gesandten Thomann) dem Landgrafen Philipp von Hessen und daraufhin dem Kurfürsten den Brief (s. dazu Nr. 2606, Anm. 60), den die Vier eidgenössischen Städte am 26. Oktober den Schmalkaldenern geschrieben hatten; s. den oben in Anm. 16 angeführten Brief Thomanns. Hallwyl versprach danach dem kranken Thomann, die Zürcher Behörden über den Verlauf dieser Briefübermittlung zu informieren, was er wohl mit dem hier erwähnten Schreiben (dem der vorliegende Brief an Bullinger beigelegt war) getan haben wird. Hallwyls Schreiben an Zürich (und demzufolge auch vorliegender Brief) war am 13. November noch nicht eingetroffen, so dass die Zürcher Behörden beunruhigt waren, wie dies aus Thomanns Brief an den Zürcher Rat vom 20. November (Zürich StA, A 177, Nr. 146) ersichtlich wird.
18 Vgl. Lk 16, 8.
19 Überaus schlaue, kalkulierte.
20 Vgl. Dan 2, 22; Röm 2, 16; 1 Kor 3, 12f; 4,5.