Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[654]

Jakob Meyer an
Bullinger
Basel,
30. September 1535

Autograph: Zürich StA, E II 335, 2016 (Siegelspur) Ungedruckt

Hat den Überbringer des Briefes beauftragt, mit Bullinger über die innereidgenössischen Machenschaften gegen die Reformation zu reden; Bullinger kann ihm völlig vertrauen. Grüße.

Die gnad des herren und merung des gloubens sampt minen willigen diensten wünsch ich euch zuvor, geliepter herr und bruder.

Wie die sachen des gloubens in der Eidgnoschaft mit der zyt ston werden, zöigen die a wunderbaren 1 , seltzamen sachen zu diser zyt b wol an, die yetz in der Eidgnoschaft furgond 2 . Wo unß der guetig herr und vatter nit bewart, besorg ich, wir werdens bald mit grossem jamer erfaren. Nun erkenn 3 ich euch, wie ir umm solichs sampt euweren brüedern und viler frommen nit wenig sorg tragen, mögens aber alles mit den solichen frommen leider nit wenden. Von welchen dingen, so c ich by euch wäre, vil mit d euch ze reden hette, das ich uff diß mol der feder nit habe können bevelhen; hab aber disem zöiger 4 , minem guten fründ (der sonst in sinen geschefften hatt gon Zürich müssen)

a vor die gestrichenes unleserliches Wort.
b zyt fehlt in der Vorlage.
c vor so gestrichenes ich.
d vor mit gestrichenes zereden.
I merkwürdigen, befremdlichen (Grimm XIV/II 1846).
2 Das politische Klima in der Eidgenossenschaft verschlechterte sich in jenen Tagen spürbar, seitdem die Mehrheit der Orte Mitte September in Baden die Absicht bekundet hatte, die sogenannten Solothurner Banditen (vgl. dazu oben Nr. 643, Anm. 13) ins bernische und baslerische
Gebiet hinein zu verfolgen (vgl. EA IV/1c 558f 1 und 561 zu 1). Basel verwahrte sich an diesem 30. September in einem Schreiben an Zürich gegen dieses Ansinnen (Zürich ZB, Ms S 39, 82), Bern tat dies am 3. Oktober (ebd., Nr. 83). Kurz zuvor hatte Myconius Zürichs ängstliche Haltung den V Orten gegenüber getadelt (vgl. oben Nr. 652, 34-40), während Berchtold Haller am 3. Oktober sogar vor einem Krieg dieser Sache wegen warnte (vgl. unten Nr. 657, 42-56).
3 kenne (SI III 313).
4 Der Briefüberbringer ist unbekannt.


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etwas (solicher sachen), doch nit alles, angehengt 5 , mit euch zereden, welchem ir glouben geben sollen. Er würt vertrüwlich mit euch reden. Das mögen ir mit im (als ob ich selbs do were) ouch thun und euch das selbig und die sachen des ewangeli trüwlich lassen bevolhen sin, wie ich weiß, ir selbs zethund vast willig und geneigt sind. Bevilch euch hiemit dem herren.

Gruessen mir e Leonem Jud, Pellicanum und die brueder gemeinlich, den alten abt von Wettingen 6 , den Steiner 7 von Zug, ouch alle, so den herren von hertzen lieben, und, ists möglich, den Laveter 8 ouch.

Datum Basel, den letsten september anno etc. 35.

U[wer]williger Jacob Meyger, alt

burgermeister zu Basel.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem ersamen und vor gott wolgelerten Meister Heinrich Bullinger, diener des herren wort zu Zürich, minem lieben und im herren brüderlichen freund, zu sin selbs handen.

e mir am Rande nachgetragen.
5 aufgebürdet, als Pflicht überbunden (SI II 1459).
6 Georg (Jörg) Müller, gest. 1542 oder später, stammte aus Baden. In seiner Amtszeit als Abt von Wettingen (Kt. Aargau), 1528-1532 (ab 1529 als Verwalter), setzte sich die Reformation im Kloster durch. Nach der Schlacht von Kappel verließ er Wettingen und nahm in Zürich Wohnsitz. — Lit.: HBRG II 221f; André Hägler und Anton Kottmann, Wettingen, in: Die Zisterzienser und Zisterzienserinnen, die reformierten Bernhardinerinnen, die Trappisten
und Trappistinnen und die Wilhelmiten in der Schweiz, red. v. Cécile Sommer-Ramer und Patrick Braun, 1. Teil, Bern 1982. — Helvetia Sacra III, 3, 1, S. 462; Alfons Bugmann, Zürich und die Abtei Wettingen zur Zeit der Reformation und der Gegen-Reformation (1519-1656), Dietikon 1949, S. 35-49; Album Wettingense oder Verzeichniss der Mitglieder des exemten und consistorialen Stiftes Wettingen-Mehrerau, 1227-1891, hg. v. Dominicus Willi, Limburg a. L. 1892, S. 46f, Nr. 459.
7 Werner Steiner.
8 Hans Rudolf Lavater.