Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2183]

Johannes Gast an
Bullinger
Basel,
18. Juni 1545

Autograph: Zürich StA, E II 366, 228 (Siegelspur) Ungedruckt

Die Zusendung von [Capilupis "De vita monachorum"] hat Gast nicht beleidigt, sondern vielmehr erheitert und seine Traurigkeit vertrieben. Gast übermittelt einen Brief [Nr. 2178] von Gilbert [Cousin], der zeigt, dass Cousin Bullinger wohlgesinnt ist. Kaiser [Karl V] ist in Worms und bemüht sich mit den Bischöfen und Äbten, der Religion Christi zu schaden und die päpstliche Herrschaft auszuweiten. Bullinger wird wohl erfahren haben, wie [Karl V]dem Wormser Prediger [Leonhard Brunner] verboten hat, das Abendmahl zu feiern, wie versammelte Frauen gegen dieses Verbot murrten und es dabei beinahe zu einem Aufstand kam, wie der Kaiser sich sogleich auf die Jagd begab, um mit der Angelegenheit nichts zu tun haben zu müssen, und wie letztlich der Teufel mit seinem Vorhaben scheiterte. Der Augsburger Bischof [Otto Truchsess von Waldburg] ist mit neun Pferden eilends nach Rom aufgebrochen. Landgraf [Philipp] von Hessen soll in Worms sein. Er soll auch seinen Prediger Dionysius [Melander] ins Gefängnis geworfen haben, weil dieser ihm zur Doppelehe riet. Bucer und ein weiterer Pfarrer in Schwaben [Hans Heß?] sollen in höchster Gefahr schweben, weil der Kaiser sich über sie ärgert. Sollte Bullinger das Büchlein [von Franz Xaver] über die [Missionstätigkeit der] Mönche in Indien nicht gesehen haben, wird Gast ihm sein Exemplar, das er aus Dole erhielt, zukommen lassen. Einem Gerücht zufolge soll Luther gestorben sein. Auf der Straßburger Messe wird man bald erfahren, ob dies stimmt. Gute Wünsche für Bullingers neugeborene [Dorothea]. Gruße an Theodor [Bibliander] und Rudolf [Gwalther].

c Teilweise auf das nicht mehr vorhandene Verschlussband geschrieben.
Dorothea Diemer, Zur Verwahrgeschichte des Codex Argenteus Upsaliensis im 16. Jahrhundert. Johann Wilhelm von Laubenberg zu Wagegg, in: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Literatur 139/1, 2010, 1-29.
34 um das: weil, damit.
35 Diese Stelle ist schwer zu deuten.
36 Unbekannt.
37 =Laubenberg.
38 Paul III.
39 Alessandro Farnese.
40 Laut Brandi I 452 handelte es sich dabei um 100,000 Dukaten, die für die Türkenhilfe oder für andere Zwecke in Augsburg hinterlegt werden sollten; s. auch Druffel II 20f.


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S. in domino, charissime frater.

Me, ut ingenue fateor, non offendisti per Centonem missum in monachos, 1 sed jucunda illa lectione suaviter affecisti et tristitiam conceptam expulisti. Itaque bono sis animo et de Gastio meliora concipe, qui non tam facile irritatur. Fortassis meum silentium suspitionem tuam auxit, sed etiam in hac re falsus es, et duxi potius tacere quam incerta scribere 2 .

Gilberti literas 3 tibi mitto, que animum erga te satis benignum declarabunt.

Caesar 4 Wormatiae 5 est. Negotium cum episcopis et abbatibus serium agit, quo pessundet Christi religionem et regnum pape 6 dilatet. Nosti absque dubio, quomodo inhibuerit, ne contionator Wormatiensis 7 cenam domini perageret et quomodo muliercule congregatae fuerint et murmurarint contra caesaris edictum et omnia fere spectabant ad seditionem. Caesar, ne implicaretur nescio quibus malis, venationi se dedidit; sed satan non potuit praevalere. De qua re fortassis brevi fusius, quum certior factus fuerim hac de re.

Augustanus episcopus 8 ist mit 9 pferd gon Rom postiert; quidnam sit acturus, dominus novit. 9

Cattorum principem 10 °aiunt Wormatiae esse, ac spargitur rumor, quod Dionysium contionatorem 11 in carcerem coniecerit, eo quod suasor fuerit ei, quo duxerit secundam uxorem. 12

1 Zu Capilupi, De vita monachorum, s. oben Nr. 2140,-39-41 und Anm. 25--27. — Bullinger hatte Gast davon ein Exemplar zugeschickt und sich über diesen lustig gemacht, weil er einen Abt als Taufpaten herangezogen hatte; s. oben Nr. 2143, 2-4.
2 Vgl. Hieronymus, Epistulae, 53, 9: "super quo tacere melius puto quam pauca dicere"; 78, 17: "et melius reor tacere quam pauca dicere".
3 Oben Nr.2178.
4 Karl V., der am 16. Mai 1545 in Worms eingetroffen war; Nr. 2065, Anm. 23.
5 Auf dem Reichstag zu Worms.
6 Paul III.
7 Leonhard Brunner; s. oben Nr. 2182, 20-22 und Anm. 21.
8 Otto Truchsess von Waldburg.
9 Der Bischof reiste nicht selbst nach Rom. Er hatte im März 1545 vermittelt, dass ein päpstlicher Legat, Alessandro Farnese, von Rom nach Worms kam (Ankunft in Worms am 17. Mai), wo Karl V. den Widerstand des Schmalkaldischen Bundes zu brechen suchte. Farnese reiste in der Nacht vom 27./28. Mai nach Rom zurück und konnte am 17. Juni die Zusicherung des
Papstes erhalten, Geld und Truppen für einen Krieg gegen die Schmalkaldener bereitzustellen. Er erhielt ferner die Erlaubnis, kirchliche Einkünfte zu diesem Zweck heranzuziehen; s. Friedrich Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2: Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe im Reformationsjahrhundert, München und Augsburg 1969, S. 202f; RTA JR XIV/1 79.
10 Landgraf Philipp von Hessen.
11 Dionysius Melander, der die Trauzeremonie von Philipps morganatischer Ehe vorgenommen und in einem Brief an Luther gerechtfertigt hatte; s. K[laus] Martin Sauer, Dionysius Melander d. A. (ca. 1486— 1561), Leben und Briefe, in: Jahrbuch der hessischen kirchengeschichtlichen Vereinigung 29, 1977, 19. Vgl. auch Gasts Brief an Konrad Hubert vom 24. Juni 1545: "Dionysium, Lantgravii concionatorem, in carcerem esse coniectum propter libellum de multiplici coniugio, et Bucerum periclitari Argentinae eandem ob causam" (Zürich ZB, Ms S 57, 146). — Solch eine Schrift Melanders ist nicht bekannt; vielleicht liegt hier eine Verwechslung mit


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Bucerum praeterea aiunt summo in periculo versari ob cesaris indignationem, 13 et praeterea alium contionatorem in Suevia, 14 de cuius nomine nihil certi habere possum.

Libellum fortassis vidisti de Indis, 15 qui per monachos quosdam ad fidem Christi convertuntur, qui novas scholas instituunt. 16 Si nondum vidisti, significa, et meum exemplare tibi communicabo, quod e Dola 17 mihi missum est. Mirabile opus dei! 18 Johannes Lening vor, der Schriften zur Verteidigung der Doppelehe Philipps verfasst hatte.

12 Margarete von der Saale. —Zur am 4. März 1540 geschlossenen Nebenehe von Landgraf Philipp s. HBBW X 130; 146 u.ö.
13 Sollte diese Nachricht stimmen, wird der Kaiser wohl nicht wegen der oben in Anm. 11 erwähnten, fraglichen Schrift gegen Bucer erzürnt gewesen sein, sondern wegen Bucers Veröffentlichungen für ein Religionsabkommen in Deutschland, von dem der Kaiser nichts mehr hören wollte; s. oben Nr. 2131, Anm. 35; und vgl. oben Nr. 2182, 11f. Indem oben in Anm. 11 angeführten Brief fährt Gast weiter fort: caesaremque nihil aliud mohn quam injuria Bucerum afficere maxima. Cives vestros schedas affigere in publicis locis contra Buceri doctrinam aiunt senatores vestri in publicis hospitiis [diese von Gast in Basel angetroffenen Straßburger Ratsherren sind die Quelle für diese Information]. Hoc enim ego consilii Bucero darem: Si res ita haberent, ut parum declinaret hanc invidiam et se dederet in tutiorem locum, posset apud nos latere aut in meis aedibus aut Hervagii tutissime et illustrare scripturas scribendo, donec Dominus meliora tempora daret ... Haec volui paucis scribere et animum meum erga te et Bucerum declarare
14 Vermutlich Hans Heß von Gundelfingen. Nachdem ihn der Augsburger Rat am 25. September 1544 als evangelischen Prediger nach Mindelaltheim (in der vorderösterreichischen Markgrafschaft Burgau) entsandt, agierte König Ferdinand ab Februar 1545 gegen die Tätigkeit dieses Pfarrers, ließ ihn im Juli ausweisen und
konnte sich somit gegen den Augsburger Rat behaupten; s. Roth III 141f.
15 Es handelt sich um den Druck eines am 15. Januar 1544 aus Cochi (früher Cochin; Bundesstaat Kerala, Indien) geschriebenen Briefes des Jesuiten Francisco de Javier, der öfter in verschiedenen Sprachen nachgedruckt wurde, auch wenn heute nur wenige Ausgaben dieser kleinen Schrift erhalten sind. Es gab davon z.B. französische Drucke in Paris im Januar und Februar 1545; s. Sommervogel VIII 1326; Epistolae S. Francisci Xaverii aliaque eius scripta, hg. v. Georg Schurhammer und Joseph Wick, Rome 1994 — Monumenta historica societatis Iesu 67, S. 214*f. 152— 178 (Überlieferungsgeschichte und Textausgabe). — Interessant ist, dass dieser Brief 1545 auf Deutsch übersetzt und unter dem folgenden Titel gedruckt wurde: Indianische Missive oder Sendbrieff Herren Francisci Xavier der Ordens Jesu Christi inn die Indien ... geschriben an den Probst Ignatium von Layola ... von dem anfang des Christlichen glaubens in Indien UB dem Lateyn verteutscht unnd an tag geben, s.l.n., 1545, 8 Bl., 40 (VD 16 J 198; Reprint in: Carta de San Francisco Xavier, Cochin 1544, impressa en alemán el anno 1545, Pamplona, Imprenta Navarro, 1977). Ulrich Kopp (Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel) weist den Druck (der nicht in BZD zu finden ist) dem Zürcher Drucker Augustin Fries zu, was aber anzuzweifeln ist.
16 Zur jesuitischen Mission in Indien s. HBBW XIV 3601, 30-33 und Anm. 30f (mit weiterer Lit).
17 Dole (Dép. Jura), Frankreich.
18 Vgl. Ps 140 (Vuig. 139), 14; Apk 15, 3.


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Quidam spargunt Lutherum esse mortuum; quod ex nundinis Argentmensibus 19 audiemus, sed reor falsum esse rumorem. 20

Quod autem pulchra prole 21 uxor 22 te parentem iis diebus reddiderit, domino sit laus, cui Christi spiritum precor, quo sanctas mulieres in omnibus imitetur et exemplum sit pietatis christiane.

Vale in domino.

18. iunii 1545. Basilea.

Salutem nomine meo a dicas d. Theodoro 23 et Rodolpho 24

Tuus loan. Gastius

ex animo.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem eerwürdigen, hoch- und wolgelerten herren meyster Heinrich Büllinger, lütpriester zu Zurich in der grossen statt, mynem lieben, günstigen herren und fründt. Zurich.