Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2278]

Oswald Myconius an
Bullinger
Basel,
2. November 1545

Autograph a : Zürich StA, E II 336, 218 (Siegelspur) Ungedruckt

Natürlich hatte Myconius [Bullingers] Worte erwogen und daraus Rückschlüsse auf [Bullingers] Gesinnung gezogen! Niemand außer Jakob Held [von Tiefenau] trat bei Myconius für Schwenckfeld ein. Hätte Bullinger seine Meinung auf einem separaten Blatt (wie er dies nun in [Nr. 2271] tut) dargelegt, hätte Myconius ihn richtig verstanden. Zusammenfassend: [Myconius und Bullinger] sind sich einig, die [Eidgenossenschaft] nicht mit Schwenckfelds Aufnahme und Dogma zu kontaminieren. Die zu große Streitsüchtigkeit Bullingers verzeiht Myconius

12 Johann IV. Ludwig von Hagen war von 1540 bis 1547 Erzbischof und Kurfürst von Trier.
13 Seit Mitte 1545 litt der Trierer Erzbischof an einer Krankheit; es war allgemein bekannt, dass er "mehr tot als lebendig" war. Er starb am 23. März 1547; s. Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448 bis 1648. Ein biographisches Lexikon, hg. v. Erwin Gatz unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb, Berlin 1996, S. 254.
14 Hakenbüchsen.
15 Kempten im Allgäu (Bayern).
16 beschlagnahmt. —Zur Sache s. das Schreiben der Geheimen von Ulm an die Dreizehn von Straßburg, 16. Oktober 1545 (PC III 656-658, Nr. 619). Diese Beschlagnahmung war kurz vor dem 15. Oktober erfolgt. Den Kemptenern wurde noch vor
dem 27. Oktober glaubhaft gemacht, dass die 130 Truhen mit je 14 bis 16 Hakenbüchsen aus Italien für Heinrich VIII. bestimmt wären; s. ebd. 664f, Nr. 626 und Anm. 4. Dies war aber ein von den Kaiserlichen benutzter Vorwand, die Ware als harmlos geltend zu machen; s. den warnenden Brief des Konstanzer Rats an den Rat von Zürich vom 7. November 1545, Zürich StA, A 205/1, Nr. 205.
17 Unbekannt.
18 Siehe Ißleib 48.
19 Dieser Brief wurde zusammen mit Myconius' Brief (Nr. 2278) befördert; s. unten Nr. 2278, Anm. 39.
a Mit Unterstreichungen von späterer Hand.


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aufgrund ihrer Freundschaft. Die Beilage [nicht erhalten] von [Johannes] Gast gibt Auskunft über den Sieg des [Landgrafen Philipp von]Hessen sowie über die Gefangennahme von [Herzog Heinrich von]Braunschweig und von dessen Sohn [Karl Victor]. Folgendes steht dort aber nicht: Die Bischöfe von Trier [Johannes IV. Ludwig von Hagen] und von Würzburg [Melchior Zobel]sowie die Mainzer Kanoniker, deren Bischof [Albrecht V. von Brandenburg] vor wenigen Tagen gestorben ist, haben [Philipp von Hessen]Hilfstruppen geschickt; nicht aber der wohl daheim genug beschäftigte Kölner [Erzbischof Hermann von Wied]. Kaiser [Karl V.] wollte einen Sohn [König] Ferdinands [J.] dem Mainzer Bistum aufdrängen, aber die Kanoniker kamen dem durch die Wahl des schlauen Heuchlers [Sebastian von Heusenstamm] zuvor. Der Trierer [von Hagen] soll tödlich erkrankt sein. Verbürgt ist, dass [König] Ferdinand [I.] dem türkischen [Sultan Suleiman I.] tributpflichtig ist, um die [Protestanten] vernichten zu können. Die von Kempten halten bis zu 20'000 Haken[büchsen] aus Italien zurück, von denen man behauptete, sie seien für Ferdinand bestimmt; in Wirklichkeit waren sie für [Heinrich von]Braunschweig. [König Heinrich VIII. von]England und in geringerem Maße [König Franz I. von] Frankreich haben die Protestanten ersucht, den [englisch-französischen] Krieg zu schlichten; diese haben Gesandte dazu beauftragt, die gut empfangen wurden, besonders von Frankreich. [Karl V] ist es aber gelungen, noch vor den Protestanten als Vermittler für den von ihm getäuschten [Heinrich VIII.] zu wirken. Myconius ist mit dem Ausgang des Tags zu Baden zufrieden. Die [eidgenössischen] Gesandten nach Mailand werden sehen, ob [die Nachrichten über Truppenbewegungen in Italien] wahr sind, denn es sollen in Mailand 10000 kaiserliche Spanier erwartet werden. Diese Nachricht würde Bullingers frühere Mitteilungen über den Marchese [Alfonso d'Avalos]bestätigen. Gruße, auch an Theodor [Bibliander]. [PS..] Der Bote [...]reißt Myconius den Brief geradezu aus den Händen.

S. Equidem verba sum intuitus et inde mentem coniectavi! 1 Aliter profecto non licuit. Nemo mecum excepto Heldo 2 pro Schwencfeldio quicquam. 3 Contra eundem multi loquuntur. Si igitur animus tibi fuit, qualem nunc indicas, 4 significasses schedula adposita, et ego omnia interpretatus essem, ut nunc, dexterrime. Summa: Convenit de non contaminanda Helvetia per praesentiam Schwencfeldii, minus etiam per dogma eius. Reliqua, in quibus paulo contumeliosior videris, condono amiciciae nostrae.

De Hesso 5 et eius victoria, de capto Brunswicensi 6 et filio 7 eiusdem si nescis, legito, que his sunt inclusa; Gastu scheda 8 est. lila autem, quae sequuntur, ea non continet, et profecto sunt admiranda: Episcopi Trevirensis 9 et Würtzburgensis 10 praeterea canonici Maguntinenses, quorum episcopus 11 paucis hinc diebus migravit, 12 auxilia miserunt Catto 13 Coloniensis 14 nulla misit! Fortasse, quod domi satis abunde habet, quod agat.

1 Myconius antwortet damit auf Bullingers Vorwurf in oben Nr. 2271, 3f.
2 Jakob Held von Tiefenau.
3 Bezug auf Nr. 2262, 27f, wo Bullinger Myconius aufforderte, die Seinen vor Schwenckfeld zu bewahren. — Siehe auch oben Nr. 2255, 5.
4 Im Brief Nr. 2271.
5 Landgraf Philipp von Hessen.
6 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
7 Karl Victor.
8 Es handelt sich dabei um das bereits von
Gast angeführte Dokument oben Nr. 2277, 5 und Anm. 5.
9 Johannes IV. Ludwig von Hagen, Erzbischof und Kurfürst von Trier.
10 Melchior Zobel, von 1544 bis 1558 Bischof von Würzburg.
11 Albrecht V. von Brandenburg, Erzbischof und Kurfürst von Mainz.
12 Am 24. September; s. oben Nr. 2268, 10f.
13 Landgraf Philipp von Hessen.
14 Hermann von Wied, Erzbischof und Kurfürst von Köln.


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Cesar 15 vi conatus est intrudere 16 in ditionem Maguntinam filium Ferdinandi, 17 sed canonici praevenerunt. Elegerunt enim nobilem quendam 18 note vilioris 19 , et eundem doctorem hominem vafrum et mirabiliter hypocritam, ut ferunt, atque ita iam desistendum cesari. Letaliter aiunt decumbere Trevirensem, 20 et certo fertur Ferdinandus se Turcae 21 fecisse tributarium, 22 non ob aliud, nisi ut nos perdant.

A Campidonensibus bombardae, quas baggen 23 vocant, detentae dicuntur ad numerum 20'000. Tributs sunt Ferdinando. Verum re comperta ad Brunsvicensem ducebantur ex Italia. 24

Protestantes, sollicitati magis ab Anglos 25 quam Gallo 26 , ut bellum componere inter ipsos tentarent, miserunt legatos. 27 Admissi sunt satis commode, et Gallus visus ab equis conditionibus non abhorrere. Imperator tamen vias invenit, ut Anglus, iam turpiter ab eo deceptus, 28 ipsum 29 pre protestantibus ad actionem admiserit. 3 °Quid futurum sit, expectamus.

15 Karl V.
16 aufdringen; s. Horen 295.
17 Wohl ein Gerücht. Vielmehr unterstützte Karl den Kardinal Otto Truchsess von Waldburg (s. Friedrich Zoepfl, Geschichte des Bistums Augsburg und seiner Bischöfe, Bd. 2: Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe im Reformationsjahrhundert, München und Augsburg 1969, S. 205). Doch äußerte er dann Zufriedenheit mit der Wahl Heusenstamms, den er als guten, gelehrten Katholiken ansah (s. NBD VIII 376, 16-18).
18 Sebastian von Heusenstamm.
19 note vilioris: von weniger bedeutendem Namen. —Zu dieser Junktur s. Columella, De re rustica, 9, 4.
20 Siehe dazu oben Nr. 2277, 10f und Anm. 13.
21 Sultan Suleiman I.
22 Siehe dazu oben Nr. 2167. Laut dem Friedensvertrag durfte Suleiman I. bei den gewonnenen Ländern bleiben; Ferdinand musste ihm jährlich 2'100 Dukaten Tribut zahlen; s. Vadian BW VI 419.
23 Hakenbüchsen.
24 Siehe zuletzt oben Nr. 2277, 12 und Anm. 16.
25 König Heinrich VIII.
26 König Franz I.
27 Die Schmalkaldener sandten Ludwig von Baumbach und Johannes Sleidanus nach
England sowie Johann Bruno von Niedbruck (alias Dr. Bruno von Metz, Hans von Metz, Johann von Niedbruck, Jean Bruno de Pont-de-Nied) und Christopher von Venningen nach Frankreich. Baumbach und Sleidanus waren am 19. September 1545 am Hof zu Windsor angekommen, bevor sich die Verhandlungen nach Frankreich verlagerten, und reisten im Oktober nach Frankreich, wo sie mit Niedbruck und Venningen zusammentrafen. Im November kamen die englischen Repräsentanten William Paget und Cuthbert Tunstall hinzu. Die Friedensverhandlungen begannen am 26. November 1545. Siehe Rory McEntegart, Henry VIII, the League of Schmalkaden and the English Reformation, Woodbridge 2000, S. 209f; Alexandra Kess, Johann Sleidan and the Protestant Vision of History, Aldershot 2008, S. 54f; Potter, 410-426; oben Nr. 2227, Anm. 48.
28 Mit "eo"ist Kaiser Karl V. gemeint, der zu König Heinrichs Enttäuschung im Jahr 1544 nur mit König Franz I. den Frieden von Crépy geschlossen hatte.
29 Gemeint sind Karl V. bzw. dessen Vertreter bei den Vermittlungsbemühungen.
30 Zur Rolle Karis V. bei der Vermittlung im englisch-französischen Krieg s. Potter, 402-409.


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De comitiis Helvetiorum quae scribis, 31 satis placent. Legati 32 postquam venerint Mediolanum, comperient, verumne sit necne 33 Volat enim rumor expectari illic decem millia Hispanorum, que pertineant ad cesarem. 34 Confirmat rumor, quantum in ipso, que tu prius 35 ad me de marchione illo 36

Vale una cum tuis et Theodoro 37 Equidem plura non potui, nam haec mox a prandio.

Basileae, 2. novembris anno 1545.

Os. Myco.

tuus. Rapuit tantum non has tabellio 38 e manibus scribentis.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, Tigurinae ecclesiæ episcopo, domino et fratri colendissimo suo. 39