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Autograph: Zürich StA, E II 345, 328 (Siegel) Ungedruckt
[1] Frölich hat Bullingers Brief vom 11. Oktober [nicht erhalten] am 22. empfangen, jedoch
nicht durch den angekündigten Marx Wydler und dessen Begleiter [...] sondern durch Claudius
[Pius]Peutinger. Frölich weiß nicht, warum die Zürcher sich nicht zeigten. Er hätte sie
freundlich aufgenommen, auch wenn er ihnen in dieser Winterzeit [zu keiner Anstellung als
Söldner] hätte verhelfen können. —[2] Er hat sehr viel zu tun. Daher braucht Bullinger sich
nicht so sehr für die späten und hastigen Antworten zu bedanken. —[3]Gott hilft den [Schmalkaldenern]
in diesem ihnen aufgezwungenen Krieg recht gut. So konnten die Feinde die Deutschen
nicht um ihre Freiheit bringen. Obwohl sie kaum aus Bayern (wo sie den Krieg angezettelt
hatten) hinausgekommen sind und sie sich auf keine offene Schlacht einließen, erlitten
sie während der Scharmützel dreimal mehr Verluste als die [Schmalkaldener]. Ihr Vorhaben,
an den Rhein zu ziehen, scheiterte ebenfalls. Jetzt liegen beide Heere unweit von Brenz nahe
aneinander, eine Tagesreise von Augsburg entfernt. Täglich reizen die [Schmalkaldener] Kaiser
[Karl V.] zum Angriff Dieser will aber nicht schlagen, hält sich weiterhin verschanzt und
hat vor, die [Schmalkaldener]finanziell zu erschöpfen. Das Geld wird ihm jedoch auch irgendwann
ausgehen, zumal die Erträge der Inseln Peru u.a. sinken. Frölich ist also zuversichtlich.
Spätestens beim Abzug eines der Heere wird es zu Verlusten kommen. — [4] Der französische
König [Franz I.]sowie der englische [Heinrich VIII.]machen den [Schmalkaldenern]
vielversprechende Angebote, denen man jedoch keinen Glauben schenken darf Immerhin wird
dadurch der Feind eingeschüchtert... — [5] Es heißt ferner, dass die [protestantischen] Eidgenossen
gegen das Pfaffentum zu Felde ziehen werden. Und obwohl es noch nicht dazu
gekommen Ist, faßt dies dem Feind ebenfalls Angst ein. — [6] Am 16. Oktober wurden viele
namhafte Spanier getötet und ein Italiener namens Hannibal Guerini gefangen genommen.
Dieser liefert nun gute Auskünfte, vermutlich weil er ohnehin freiwillig übergelaufen wäre. Er
berichtet, dass der Kaiser die [Schmalkaldener] durch Aufschieben des Gefechts besiegen
wolle; dass er zu keiner Schlacht bereit sei; dass Papst [Paul III.] ihm kein Geld mehr geben
wolle, und dass der Kaiser sein Unternehmen sehr bereue. Er soll auch vorhaben, in [Süddeutschland]
zu überwintern. —[7] Vor einigen Tagen hieß es zunächst, der Kaiser habe alle
Einwohner Donauwörths umbringen lassen. Bald erfuhr man aber, dass dies falsch war, da die
Stadt nicht gewaltsam, sondern durch den Verrat der Bürgermeister [Paul Mair und Johann
Bucher] eingenommen wurde und demzufolge die Bevölkerung verschont blieb. — [8] Aus
taktischen Gründen haben die [Schmalkaldener]die Städtchen Dillingen, Lauingen und Höchstädt
weder besetzt noch verteidigt. All diese ergaben sich freiwillig und werden ebenso leicht
wieder zu erobern sein, wie sie aufgegeben wurden. Sie sind von keiner strategischen Bedeutung.
— [9] Die Augsburger und ihr Kriegsvolk sind guten Mutes. Auch hat Frölich sich in
diesem gefährlichen Krieg nichts vorzuwerfen. —[10] Gut, dass Bullinger über den ["Underscheid
des Altten und nüwen gloubens"]schreibt. Das Werk soll jedoch nicht Frölich, sondern
einer geeigneteren Persönlichkeit gewidmet werden. Durch die bereits erwiesene Freundschaft
hat Bullinger sich nämlich Frölich so sehr verbunden, dass dieser ihm nie Genüge tun könnte!
—[11] Unterdessen arbeitet der Sohn [Hans] von Hans Vogler [d.A.] bei Frölich. Der Junge
kann schön und elegant schreiben und ist auch im Lateinischen gar nicht schlecht. Frölich
wird ihn fördern. — [12] Grüße an die Bürgermeister [Hans Rudolf Lavater und Johannes
Haab], an Stadtschreiber [Hans Escher vom Luchs], an [Rudolf] Gwalther, [Theodor] Bibliander,
[Konrad] Pellikan, [Konrad] Gessner, Vogler [d.Ä.] und an alle, die Frölich wohlgesinnt
sind. Bullingers Familie möge es wohl ergehen. —[13] Dieses Schreiben darf anderen
mitgeteilt werden.Briefe_Vol_18-167 arpa
S. Si mihi iucundum fuit ullo tempore quidquam, jucunda est digitis charta notata tuis, quas 1 11. octobris ad me dedisti, 2 22. eiusdem accepi, non autem per Marcum Widlerum 3 neque suos, quos nominas, comites 4 , sed per doctorem Claudium Peuttingerum 5 . Qui autem fiat, ut boni illi Tigurini me non convenerint, ignoro. Si me appellassent, illis fuissem humanus, si eos iuvare non potuissem, quemadmodum instans hiems profecto plurimum obstitisset. 6
De mea scriptione nihil est quod gratias agas, nam tardius et negligentius ad te scribo, quam ius amicitiae postulat, ac nisi me occupationes turbulentissimorum temporum excusarent, nihil diffugii reliquum foret. Tu autem pro innata dexteritate et amore in me tuo omnia quantumvis curva 7 mea equo animo ferre soles.
Der almechtig guetig gott, der nit unrecht thun kan, schaffet es auch mit 8 unnserm genotdrangten kriege unnd gegenwöhre noch wol Haben wir bishere nit mehr ußgericht, so ist doch den gotlosen fynnden ir vorhabend, ußtilgen der teutschen nation fryhait, geprochen. Sie sind zwar uber 5 meil wegs uß dem Beyrlannd, darinn sie diese verretterische empörung angetrifflet 9 , noch nit komen, synnd 10 von ainem flecken unnd vortail inn den anndern zogen, kain kriegstuckh nie frey gepraucht, viel weniger haben sie sich 11 zu ainiger schlacht ye begeben, aber wol scharmutzelt unnd inn denselben allzeit drifachen schaden genumen, da 12 wir nit ainfachen, got sei lobe, erlitten. So ist auch offennbar, das sich der fynnd gern abgeschwaifft, aintweder durch Francken oder Schwaben a 13 an den Rein gethon het , welchs ime
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aber allmal gewöhrt 14 worden. Yetzt liegen abermals bede höhre 15 bei Brenntz 16 (ist 6 myl 17 wegs von hynnen, ain tagraiß) b gar nahend beisamen. Geben die unnsern täglichs mit schiessen unnd raitzung zu roß und fueß ursach zum schlahen. Er 18 ligt aber vergraben als ain dax. Will nit herfuere unnd ist entlichs willens 19 , unns am geldt zu erseigern 20 unnd ze matten 21 . Das 22 wurdt ime aber auch ze schaffen machen. Dann die insuln Peru, etc., sind nit mehr melckhikhue 23 . Ich bin der trösstlichen hoffnung unnd zuversicht zu gott, die sach soll unnsernhalb bald zu gutem ennde gelanngen. Dann ye ain tail dem anndern uß dem felde weichen muß, da wurdt es im abzuge kegel geben 24 .
Der Franzoß 25 unnd Engleß 26 erbietten sich treffenlich ding 27 . Sunt autem res gentium, in quibus nihil fidimus. Doch waiß es der feindt unnd bringt ime groß entsitzen 28 .
Man sagt hie, die Aidtgnossen werden ußziehen unnd das pfaffenthumb angriffen. Das erschreckht den gegentail auch, ob es gleich noch nichts ist.
lI 328v Auff den 16. tag dits monats haben die unnsern ettlich viel namhaffter Spanier erlegt unnd ainen Walhen 29 , Hannibal Guerini 30 genannt, lebendig gefangen. Der gibt guten bericht von des feindts vorhaben. Opinor enim illum sua sponte ad nos defecisse. Zaigt neben annderm an, der kaiser werde nit schlahen, sonnder unß außharren 31 wollen. Er sei auch mit volkh zu ainer schlacht gegen unns nit gefasst. Item der babst 32 wölle nit mehr geldt geben.
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Item es hab den keyser fasst 33 gerewen, das er dieses spiel angefangen. Item der kaiser werde wollen inn diesen lannden 34 wynntern, etc.
Es hatt vor ettlichen tagen verlautt, wie der kaiser alles volkh, jung unnd alt, zu Thunawörde erschlahen lassen, etc. Dem ist gar nit allso, dann es ist mit kainem gewaldt, sonnder mit verretterei der burgermaistere 35 eingnumen; darumb yedermans verschonet worden.
So ist Dillingen, Laugingen unnd Hochstet 36 uß guten ursachen nit besetzt noch beschirmbt worden, darumb es sich alles gutwillig ergeben. Unnd sind stettlin, die eben so ringlich 37 wider zu erobern, als sie verlassen worden. Nimbt unnd gibt der hauptsäch nichts.
Wir synnd hie inn dieser stat unnd auch unnser kriegsfolkh beim hauffen 38 alle (dem herrn sei lobe) uffrecht unnd getrösst. Unnd sagt mir mein hertz, ob 39 ich schon ain sunnder 40 bin, nichts hochbeschwerdlichs inn diesem allergefarlichsten, beschwerdlichen krieg.
Te differentiam inter veterem et novam fidem describere 41 libenter et avide audio. Digniorem autem, cui id opens dedices, quam me tibi selecturus es. Nam preter hoc, quod nimium me diligas, alioqui tam tibi astrinxisti, ut iure optimo me perpetuo captivum teneas, cum nullis neque officiis neque gratitudine tibi respondere unquam possim. Dominus igitur rerum omnium 42 tibi respondeat.
Filius 43 Ioannis Vogleri 44 viri sane spectabilis, iam interdiu apud me agit; cui informationem diligenter administro meam videoque iuvenem non inhabilem ad usum scribendi. Novit Latine mediocriter scribere. Pingit quoque characteres elegantissimos. Propterea mihi magnam spem provectionis fauste facit. Ego si quid illi prodesse potuero, nihil morabor.
Vale et ex me salutem dicito dominis consulibus 45 , archigrammateo 46 Gvalthero, Bibliandro, Pellicano, Gesnero, Voglero atque singulis Leto benevolentibus. Tua domus precipue sit incolumis et salva.
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Communicabis hec scripta, cuicunque volueris. 23. octobris 1546.
Tuus Georgius Laetus, etc.
[Adresse auf f. 331v.:] Incomparabili viro domino Henricho Bullingero, ecclesiaste Tigurino vigilantissimo, amico ut fratri germano. 47